Kampf dem Verpackungsmüll
forum fragte die Verpackungsexpertin Carolina Schweig nach der optimalen Verpackung
Mit dem wachsenden Bewusstsein für die Umweltauswirkungen unseres Konsumverhaltens spielen die Art der Verpackung und deren Eigenschaften für Verbraucher eine immer wichtigere Rolle. Verpackungen garantieren gleichzeitig den Produktschutz beim Transport, im Regal und sogar bei Gebrauch. Und sie erfüllen eine Informations-, Verkaufs-, Handlings-, Dosier- und Aufbewahrungsfunktion. forum fragte Carolina Schweig nach der optimalen Verpackung und erfuhr: Auf gelungene Kompromisse und eine gute Zusammenarbeit kommt es an.
Frau Schweig, Kunststoff ist ein in der Verpackungsindustrie viel genutztes Material. Warum ist es so beliebt?
Kunststoff lässt sich relativ einfach in unterschiedlichste Formen, Größen und damit Verpackungen umwandeln. Dadurch sind Kunststoffe für die unterschiedlichsten Verpackungsaufgaben einsetzbar und finden ihren Einsatz in Standbeuteln, Eimern, Bechern, in Verschlüssen und vielem mehr. Zudem ist Kunststoff für die Aufgaben, die er ausführt, relativ leicht im Einsatzgewicht und erfüllt viele Funktionen, wie Fett- oder Wasserdichtigkeit, Aromaschutz und Durchstoßfestigkeit. Und: Kunststoffe sind gut recyclebar – zumindest diejenigen, die überwiegend in der Verpackung eingesetzt werden.
Bei Verbrauchern hat Kunststoff in Bezug auf Nachhaltigkeit einen schlechten Ruf. Ist das dann überhaupt gerechtfertigt?
Das Problem bei den Kunststoffen ist die Masse an Einweggebinden, die wir damit herstellen, und der gedankenlose Umgang mit der Verpackung am „End of Life".
Sind hier alternative Materialien wie Glas oder Papier umweltverträglicher als Kunststoffverpackungen?
Als Einwegverpackung tun sich die unterschiedlichen Materialien nicht viel. Im Gegenteil: Gläser sind bezüglich ihres Bruchverhaltens und ihres Gewichts häufig noch ungünstiger, insbesondere wenn Produkte über weite Strecken transportiert werden müssen. Und die Papierherstellung ist ein chemischer Prozess, der in einigen Gegenden der Welt durchaus negative Auswirkungen auf Trinkwasser, Wasserhaushalt und Flächennutzung hat. Es gibt also kein gutes Material und kein schlechtes Material. Sinnvollerweise betrachtet man die gewünschten und benötigten Funktionen und entscheidet dann, mit welchem Material bzw. Packstoff die Funktionalität mit dem geringsten Umweltimpakt zu realisieren ist. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass wir sowohl die Herstellung des Rohstoffes, die Verarbeitung zur Verpackung, den Gebrauch und das End of Life in diese Bewertungen mit einbeziehen. Konkret kann dann ein Papier, ausgestattet mit einer Nassfestausrüstung oder einer dickeren Kunststoff-Wachsung – und dadurch nicht so einfach recyclefähig – in seiner Bewertung durchaus schlechter abschneiden als eine dickenoptimierte Monofolie.
Gibt es andere, vielversprechende Materialen, die zukünftig eine größere Rolle in der Verpackungsindustrie spielen könnten?
Vermeiden, verringern, verbessern
Verpackungsoptimierungen sind bereits seit vielen Jahren ein zentraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie von toom. Getreu dem Prinzip „vermeiden, verringern, verbessern" führte das Unternehmen vor zehn Jahren als erster deutscher Baumarkt Dispersionsfarben in Eimern aus Kunststoff-Rezyklat ein und konnte so bereits über 1.000 t CO2 einsparen. Auch im Bereich der Erdenverpackungen der toom Eigenmarke konnte durch Optimierungen des Folienmaterials der Ausstoß von Treibhausgasen um 49 Prozent reduziert werden, eine Umstellung auf die neuen Folien erfolgt hier sukzessive. Auch durch Nachhaltigkeitswochen in den Märkten nimmt die Baumarktkette ihre Kunden mit auf den Weg zu grüneren Alternativen. Ziel von toom und der gesamten REWE Group ist es, bis Ende 2030 alle Eigenmarkenprodukte auf umweltfreundlichere Verpackungen umzustellen. |
Ja, wir werden uns in allen Bereichen mit mehr Recycling, Altstoffen, Rezyklat, aber auch mit Alternativen aus sogenannten biogenen Reststoffen beschäftigen müssen. Der Weltressourcentag zeigt uns ja jedes Jahr, dass unser Konsum – auch bei Verpackungen und Packstoffen – weit über das hinaus geht, was wir von der Erde bekommen können. Das bedeutet, wir müssen unsere Abfälle besser nutzen und auch Technologien voranbringen, die aus schädlichen Klimagasen nützliche Materialien schaffen. Auch bei unserem hohen Papier- und Pappenkonsum werden wir nicht umhinkommen, neue Quellen zu nutzen, die schneller wachsen und den Boden weniger auslaugen. Anders ist langfristig auch ein reduziertes Niveau nicht mehr zu halten.
Ein Teil Ihrer Arbeit besteht in der Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung verschiedener Materialien und Verpackungen. Welche Faktoren spielen bei einer solchen Bewertung eine Rolle?
Die REWE-Gruppe, bzw. toom, leget bei Verpackungen Wert auf Verringerung von Treibhausgasen, hohe Recyclefähigkeit, Verringerung der eingesetzten Ressourcen und wo möglich Einsatz von Rezyklat/Altstoff bzw. Alternativrohstoffen.
Wie lässt sich die Wiederverwertbarkeit von Verpackungen verbessern?
Die Wiederverwertbarkeit hat sowohl im deutschen Verpackungsgesetz, wie auch in der Circular Economy hohe Priorität. Der Begriff der Wiederverwertbarkeit unterscheidet in Mehrweg und Recycling. Da beim Mehrweg-Einsatz einer Verpackung der mit ihrer Herstellung und ihrem Gebrauch verbundene Umweltimpakt auf mehrere Gebrauchszyklen umgelegt wird, ist dies die umweltfreundlichere Verpackung. Bedingung dafür sind jedoch hohe Rückführ- und geringe Beschädigungsquoten. Das bedeutet: Ohne Kunden, die bereit sind, sich auf Mehrweggebinde einzulassen und diese auch wieder zum Inverkehrbringer zurückbringen, funktioniert das Prinzip nicht und Mehrweg ist dann weder wirtschaftlich, noch ökologisch sinnvoll.
Beim Thema Recycling geht es prinzipiell darum, Monomaterialien einzusetzen, für die ein Stoffstrom existiert und „Störstoffe" wie z.B. andersartige Etikettenmaterialien unbedingt zu vermeiden.
Welche Verantwortung tragen Unternehmen hierbei?
Beim Thema Nachhaltigkeit kommt auf die Unternehmen, also die Brand Owner, die entscheidende Rolle des Richtungsgebers und Moderators zu. Nur sie können alle Wertschöpfungskettenpartner an einen Tisch bringen und mit ihren Zielvorgaben dafür sorgen, dass die Verpackungen mit dem geringsten Impakt das Optimum an Funktionalität erreichen. Das ist eine komplett andere Rolle als noch vor einigen Jahren, als man sich irgendwelche Verpackungen aus Stoffen, die nicht weiter definiert waren, liefern ließ.
Eine nachhaltige Verpackung ist bei vielen Verbrauchern inzwischen ein kaufentscheidendes Kriterium. Aber woran können Verbraucher eine nachhaltigere Produktverpackung erkennen?
Prinzipiell ist es schwierig für Verbraucher zu erkennen, welche Verpackung besser ist. Ein paar Indizien gibt es aber schon: Verpackungen, die bei gleichem Füllgewicht deutlich größer und schwerer sind, verbrauchen meistens zu viele Ressourcen. Beutel und Tüten, bei denen die Siegel oder Rückennähte deutlich größer sind als 2 cm und die dann mehrfach eingeschlagen sind, bedeuten Verschwendung von Rohstoffen und sorgen im schlimmsten Fall auch noch für einen früheren Verderb von Produkten. Schwarzer Kunststoff soll Obst und Gemüse leckerer aussehen lassen, sorgt aber dafür, dass das Rezyklat entweder gebleicht werden muss, oder verbrannt. Auch bei Papier sind vollflächig dunkelbedruckte oder durchgefärbten Varianten wenig ökologisch, da alles, was auf Papier gedruckt wird, im Recycling wieder aufwändig herausgewaschen werden muss. Bei Folienbeuteln zeigt ein Recyclingsymbol mit HDPE, LDPE, PP an, dass der Beutel einen Recyclingstrom hat. Ist im Recyclingsymbol ein o = others, wird es mit dem Recycling schwieriger. Multipacks, in denen in einem großen Beutel sehr viele kleine Beutel eingepackt sind, mögen in Corona-Zeiten sinnvoll erscheinen, sind aber nicht nachhaltig – auch nicht, wenn alle Beutel aus Papier bestehen. Refill-Verpackungen, insbesondere aus Monofolien, sind meist nachhaltiger und sinnvoller als immer wieder neue Flaschen und Sprühköpfe mit ein wenig Produkt zu kaufen.
Haben Sie weitere Tipps für Verbraucher?
Ja, indem er seinen Müll richtig trennt, Verpackungen in ihre trennbaren Einzelteile zerlegt und diese dann in die entsprechende Sammlung gibt. Und biologisch abbaubare Folien gehören nicht in den Kompost oder gar in die Landschaft, da sie sich dort nicht abbauen.
Frau Schweig, wir bedanken uns für das Gespräch.
Die Diplom-Ingenieurin Carolina E. Schweig ist Verpackungsexpertin mit dem Fokus Nachhaltigkeit. Schon während ihres Studiums der Papier- und Kunststofftechnik in München entdeckte Carolina Schweig ihre Leidenschaft für Verpackungskonzepte. In ihrem Ingenieurbüro entwickelt sie heute ressourcenschonende, recyclebare Verpackungslösungen und berät Unternehmen wie toom Baumarkt bei der Umstellung auf nachhaltige Verpackungen.
Umwelt | Ressourcen, 01.03.2022
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2022 ist erschienen. Schwerpunkt: Energiewende - Was wäre, wenn? erschienen.
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