Russlands fossile Macht und Deutschlands Finanzindustrie
Russische Öl- und Gasfirmen konnten bis zuletzt auf deutsche Kreditinstitute zählen
In forum Nachhaltig Wirtschaften 1/2022 lesen Sie einen Beitrag von Sahra Wagenknecht über die schier unglaubliche Finanz- und Machtfülle internationaler Konzerne und Investmentgesellschaften. |
- Allianz größter europäischer Investor in russische Staatsanleihen
- Deutsche Bank viertgrößter Finanzierer der russischen Öl- und Gasindustrie im europäischen Bankenranking
- Commerzbank zweitgrößter Finanzierer der russischen Kohleindustrie im europäischen Bankenranking
Während immer mehr Industriesektoren ihre Verbindungen zu Russland seit dem Überfall auf die Ukraine kappen, sind die Ankündigungen aus der internationalen Finanzindustrie, so auch der deutschen, verhalten. Dabei hat gerade die Finanzindustrie in den letzten Jahren den Machtapparat Putins durch die Unterstützung der russischen fossilen Industrie und den Kauf russischer Staatsanleihen gestärkt.
Zwar betonen insbesondere Deutsche Bank sowie Commerzbank, dass sie ihr Engagement in Russland in den letzten Jahren, speziell seit der Krim-Annexion, zurückgefahren haben. Dennoch kommt die Deutsche Bank in einer Analyse von Profundo basierend auf urgewald-Daten [1] auf Platz 4 der europäischen Banken, die in den letzten fünf Jahren die vier führenden russischen Öl- und Gasfirmen Gazprom, Lukoil, Rosneft und Novatek durch Konsortialkredite und Underwriting unterstützt haben. Die DZ Bank kommt auf Platz 11, die Helaba auf Platz 13, die Commerzbank auf Platz 15 und die BayernLB kommt auf Platz 17 der europäischen Banken mit dem größten Exposure zum russischen Öl- und Gas-Sektor. Besonders beliebt als Kunde deutscher Banken war hierbei Gazprom: nach urgewald-Berechnungen belief sich die Beteiligung deutscher Banken an Konsortialkrediten für den Erdgasriesen in den letzten fünf Jahren auf insgesamt knapp über 1 Mrd. US$. [2]
Aber auch andere russische Öl- und Gasfirmen konnten bis zuletzt auf deutsche Kreditinstitute zählen: Noch am 30. Dezember 2021 – als russische Truppen bereits an der ukrainischen Grenze standen – gab die Deutsche Bank die Beteiligung an einem Konsortialkredit für das russische Öl-Unternehmen Irkutsk Oil bekannt.
Bei Krediten und Underwriting-Mandaten für die russische Kohleindustrie schafft es die Commerzbank sogar auf Platz 2 der europäischen Banken, Deutsche Bank kommt auf Platz 9. Der größte russische Kohleförderer SUEK ist ein beliebter Kunde beider deutscher Banken, die als einzige nationale Finanzinstitute in der Analyse auffielen. Allein die Commerzbank kommt nach urgewald-Berechnungen bei SUEK auf 1 Mrd. US$ in Form von Beteiligungen an Konsortialkrediten und dem Underwriting einer Anleihe. Letzteres wurde noch im September 2021 übernommen, als die USA bereits die Verhängung von Sanktionen gegen Russland ankündigten.
Bei einem Vergleich europäischer Investoren in die vier führenden russischen Öl- und Gasfirmen Gazprom, Lukoil, Rosneft und Novatek kommt die Deutsche Bank auf Platz 8, die Allianz auf Platz 12 und die DekaGroup auf Platz 17 (Stand Dezember 2021).[3]
Wenn es um russische Staatsanleihen geht, belegt die Allianz-Gruppe mit Investitionen von über 2,6 Mrd. US$ Platz 1 in Europa (Stand März 2022). Die Erlöse aus diesen Staatsanleihen werden direkt zur Finanzierung aller Ausgaben der russischen Regierung verwendet, einschließlich der enormen Ausgaben für die Armee, die Waffenproduktion und die Wartung von Atomwaffen.
Im Gegensatz zu den zurückhaltenden Reaktionen deutscher Investoren auf den Ukraine-Krieg haben unter anderem der norwegische Pensionsfonds, die Schweizer Pensionskasse Publica und der niederländische Pensionsfonds ABP schon vor Tagen ein Divestment von russischen Titeln angekündigt.
Kathrin Petz, Banken-Campaignerin bei urgewald: „Deutsche Finanzinstitute haben über Jahre geholfen, Putins Macht und die russische fossile Wirtschaft, auf die sie gründet, zu stärken. Damit muss Schluss sein. Wir fordern von deutschen Finanzinstituten mit all ihren Tochtergesellschaften, ihre Unterstützung von russischen Öl-, Gas- und Kohleunternehmen, seien es staatliche oder private Akteure, sofort zu stoppen. Entsprechende Aktien und Anleihen-Bestände müssen sofort divestiert werden. Dies gilt erst recht für russische Staatsanleihen. Auch für deutsche Energieunternehmen wie Wintershall Dea, Uniper and RWE muss die Finanzierung eingefroren werden, solange sie an ihren fossilen Beteiligungen und Projekten in Russland festhalten."
Wladimir Sliwjak von der russischen Umweltorganisation Ecodefense: „Finanzinstitute aus Deutschland und anderen Ländern haben sich sehenden Auges in diese Situation hineinmanövriert. Keine einzige der katastrophalen Entwicklungen der letzten Jahre waren für sie gravierend genug, um Geschäfte mit dem russischen Staat und seiner fossilen Industrie konsequent zu beenden: von der verheerenden außenpolitischen Rolle Russlands bei der Annexion der Krim, in Georgien und im Syrien-Krieg über die immer stärkere Unterdrückung der russischen Zivilgesellschaft bis hin zu den katastrophalen ökologischen und sozialen Bedingungen bei den russischen Kohleminen. Nun klebt auch ukrainisches Blut an den Händen der Finanzindustrie. Ich fordere Deutsche Bank, Commerzbank und Co. auf: Tun Sie endlich das Richtige und hören Sie auf, Klimakrise, Krieg und Menschenrechtsverletzungen mit Ihrem Geld und dem Ihrer Kund*innen zu befördern."
Kontakt: Stefanie Jellestad, Pressesprecherin urgewald | stefanie.jellestad@urgewald.org | www.urgewald.org
Anmerkungen:
- [1] Profundo-Analyse unter anderem auf Basis von urgewalds Global Coal Exit List und Global Oil & Gas Exit List sowie der am 15.2.2022 veröffentlichten urgewald-Finanzrecherche zur globalen Kohleindustrie
- [2] DZ Bank: 378 Mio. US$; Helaba: 320 Mio. US$; Commerzbank 220 Mio. US$; Deutsche Bank: 113 Mio. US$; BayernLB 48 Mio. US$; Beteiligung an Gazprom-Konsortialkrediten zwischen 2016 und 2021. Weitere Details können auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
- [3] Weitere Details können auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
Lifestyle | Geld & Investment, 13.03.2022
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