Genossenschafts-Gründungswelle steht bevor und ist relevant für Kommunen
Deep Dive Genossenschaftliche DNA und MakerCamp Genossenschaften vom 16. bis 18. Mai
Warum das 175 Jahre alte Unternehmensmodell zum angesagten Zukunftsgestalter wird und besonders Nachhaltigkeitsnetzwerke und Kommunen davon profitieren, erklärt Innovationsberater Dr. Christian Ege.
Deutschland steht vor einer Gründungswelle neuer Genossenschaften. Genossenschaftliche Unternehmen sind Zukunftsgestalter. Das Leben von Menschen zu verbessern ist ihr Ziel. Sie tragen zu Wohlstand und Nachhaltigkeit bei. Deutschland braucht mehr davon! Jetzt ist die Zeit, sich wieder auf die eigenen Wurzeln zu besinnen und das nachhaltige Wachstum der eigenen Region zu befördern. Mit den Angeboten und Möglichkeiten der genossenschaftlichen Gemeinschaft gelingt dies leichter. So zu handeln liegt im ureigensten Interesse jeder Stadt und Gemeinde. Und auch immer mehr Nachhaltigkeitsnetzwerke erkennen den gegenseitigen Nutzen.
Unsere Welt ist an Wachstumsgrenzen gestoßen: Klimakrise, Pandemie, Demografiewandel und auch der Krieg in der Ukraine erfordern neues Denken und Handeln. Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde und zugleich die Agenda der Vereinten Nationen. Wieder kommen neue Wünsche auf Regionen und Kommunen zu, doch die finanzielle Lage ist limitiert. Gleichzeitig haben viele Menschen Ideen, sehen neue, nachhaltige Lösungen, wollen etwas beitragen und realisieren. Mit gewohnten Methoden wird es schwer, Zukunft zu gestalten. Genossenschaften sind daher eine Unternehmensform der Zukunft – auch für die Kommunen.
„Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele". Diesen Leitgedanken haben die Gründerväter Raiffeisen und Schulze-Delitzsch der Genossenschaftsbewegung als DNA mitgegeben. Damit begründeten sie eine Wirtschaft, die dem Menschen dient. Eine Haltung, die sich in sinnorientierten Gemeinschaftsunternehmen fortpflanzt. Diese wachsen mit Werten, nicht mit Gewinnmaximierung. Sie fördern den Nutzen ihrer Mitglieder und der Gesellschaft. Das Unternehmensmodell ist ein ideales Instrument, um das Leben von Menschen, die Zukunft in Regionen und gesellschaftliche Innovation durch nachhaltiges Wirtschaften gemeinschaftlich zu verbessern.
Wie das Genossenschaftsmodell entstand? Der Sommer 1846 war sehr kalt. Vulkanausbrüche in Java und Tonga verbreiteten monatelang Asche über die Welt. In Deutschland gab es fatale Ernteausfälle, Nahrungsmittelpreise explodierten. Friedrich Wilhelm Raiffeisen war Bürgermeister von Weyerbusch im Westerwald und wollte die Not der Menschen lindern. Staatliche Getreidehilfen durften aber nur gegen Barzahlung verkauft werden. Die wenigsten konnten das. Der junge Bürgermeister handelte und gab die dringend benötigten Nahrungsmittel gegen Schuldschein heraus. Nach dieser einschneidenden Erfahrung finanzierten Bürger ein gemeinschaftliches Backhaus vor und auch Saatkartoffeln für das Frühjahr. Ein regionaler Wirtschaftskreislauf kam in Gang. Ähnlich war die Situation in den Städten. Hermann Schulze aus Delitzsch bei Leipzig krempelte die Ärmel hoch gründete. Beide sind die Begründer der Genossenschaftsbewegung in Deutschland.
Genossenschaftliche Unternehmen haben ein vielfältiges Erscheinungsbild: von der Landwirtschaft, über erneuerbare Energie- und Wohnungsgenossenschaften, Ärztehäuser, Mobilitätsnetzwerke, mittelständische Unternehmensnachfolgen, Bildungsgenossenschaften bis zu den größten Handels- und Finanzunternehmen. Sie sind Zukunftsgestalter, finden Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit und tragen zum Wohlstand bei.
Warum sind Genossenschaften heute für Städte und Gemeinden hoch relevant?
- Weil in Regionen Menschen und Netzwerke an vielfältigsten Ideen arbeiten, die für mehr Nachhaltigkeit sorgen können, die autarkere Strukturen aufbauen und betrieben, die regional verankerte Lösungen für und im Interesse der Bürger umsetzen.
- Weil es zur Energiewende, fürs gemeinwohlorientierte Bauen, Seniorenbetreuung, die Rettung des Dorfladens oder den Vertrieb regionaler Produkte gute Verbindungen mit kommunalen Interessen gibt. In München haben sich sogar Reinigungskräfte zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen, die unterstützt von der Stadt Frauen aus der Langzeitarbeitslosigkeit befreien.
- Weil auch in der Start-up-Welt der Trend zur Genossenschaft zu sehen ist. Junge Menschen denken, arbeiten und kommunizieren heute in Communities, Netzwerken, in Projekten und Ökosystemen. Sie wollen in Angelegenheiten, die ihnen wichtig sind, mitentscheiden. Dabei lehnen sie ausschließlich aktienbasierte Modelle ab, sie fordern Nachhaltigkeit. Sie wollen dort leben und wirken, wo ihre Zukunftsvorstellungen am besten in Erfüllung gehen können: in Städten und gerade auch in Gemeinden des ländlichen Raums.
Wo liegen Schnittstellen zwischen Nachhaltigkeitsnetzwerken, Kommunen und Genossenschaften?
Jeder Neugründung geht eine Lösungsidee voraus von Menschen, die einen Bedarf erkennen. Genossenschaften werden meist durch eine Gemeinschaft zum Leben erweckt. Ob in einem Stadtviertel, in regionalen LEADER-Netzwerken oder rund um politische Aktivitäten: eine Hauptaufgabe ist, diese Ideen aufzuspüren in einer Phase, in der sie „nur" in einem oder mehreren Köpfen „herumgeistern". Eine weitere, den genossenschaftlichen Gedanken an den richtigen Stellen ins Gespräch zu bringen, um nachhaltige Ideen auszulösen und Projekte zu inspirieren. Die genannten Netzwerke und Personen sind in kommunalen Strukturen meist gut bekannt und können im besten Eigeninteresse und mit Unterstützung durch die Genossenschaftsbewegung gefördert werden.
Über Möglichkeiten, die Genossenschaften bieten und wie man sie gründet, wissen zu wenige Bescheid. Man muss lange nach den richtigen Personen suchen in der Verwaltung, der Wirtschaftsförderung, selbst bei der IHK oder in Genossenschaftsbanken. Die Folge: keine Information, keine Beratung, zu wenig Neugründungen.
Vereine und GmbH hingegen meint fast jeder zu kennen, doch für nachhaltige Geschäftsmodelle mit Sinn und Werten passen diese oft nicht optimal. In der Folge werden Ideen mit Potenzial für eine Genossenschaft zu früh als kompliziert verworfen, einfach weil kein Wissen über die Unternehmens- und Rechtsform vorliegt, sie zu unbekannt ist. Dabei gibt es bei Genossenschaftsverbänden viele passende Unterstützungsangebote für Gründer und für Kommunen. Das kann und muss besser vernetzt werden.
Deep Dive und MakerCamp 2022
Das MakerCamp Genossenschaften geht in eine neue Runde! Bei der Veranstaltung, die in Berlin stattfindet und per Livestream gesendet wird, treffen sich Fans und Förderer der Genossenschaftsbewegung – also ein echtes Event für Genossenschafts-Macher! Hierzu gehören Menschen aus der Nachhaltigkeits-, Innovations-, Gründer- und Startup-Szene, aus genossenschaftlichen Unternehmen und Verbänden und aus Städten, Gemeinden, Politik und Wissenschaft. Sei auch dabei!
Programm und Anmeldung zum Deep Dive Genossenschaftliche DNA am 16.05. und zum MakerCamp Genossenschaften am 17. und 18.05.2022.
Das MakerCamp Genossenschaften ist die Initiative zur Förderung der Genossenschaftsbewegung. Das Ziel ist eine Gründungswelle neuer Genossenschaften und die Förderung des genossenschaftlichen Ökosystems. Die Vision ist, die Anzahl der genossenschaftlichen Unternehmen zumindest zu verdoppeln, besser noch zu vervierfachen. Warum? Weil Genossenschaften das Leben von Menschen verbessern.
Veranstalter von Deep Dive und MakerCamp ist die genossenschaftliche R+V Versicherung. Sie möchte in ihrem 100-jährigen Jubiläumsjahr der Gesellschaft und der Genossenschaftsbewegung, aus der sie entstanden ist, etwas zurückgeben und die Zukunft aktiv mitgestalten.
Weitere Informationen über das genossenschaftliche Unternehmensmodell und Praxisbeispiele sind zu finden in der forum Serie Genossenschaften.
Dr. Christian Ege ist Innovations-Berater. 2020 gründete der ehemalige Staatssekretär die Generation Ü eG. Seitdem ist er Mitglied im MakerCamp-Team.
Wirtschaft | Gründung & Finanzierung, 02.05.2022
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