Jugend im Dauerkrisenmodus
Christoph Quarch plädiert dafür, die Stimme der Jungen ernst zu nehmen und ihre Tapferkeit zu würdigen.
Die Stimmung im Lande ist schlecht. Zumindest bei den jungen Leuten. Klimakrise, Covid und der Krieg in der Ukraine haben sie in einen „Dauerkrisenmodus" versetzt. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren der repräsentativen TrendstudieJugend in Deutschland, die vor wenigen Tagen vorgestellt wurde. Besonders der Krieg in der Ukraine bereitet demnach den Jugendlichen große Sorgen, da er ihr Vertrauen in die Zukunft und ihr bisheriges Sicherheitsgefühl zerstöre. Was können die Altvorderen für die jungen Leute tun? Darüber reden wir mit unserem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, kann vielleicht die
Philosophie den jungen Menschen Hoffnung machen?

Aber
laut der Studie führt dieser Realitätssinn eher zum Gegenteil: fast 70 Prozent
der 14-29-Jährigen haben Angst vor einem Krieg in Europa.
Ich
kann das verstehen, auch wenn ich selbst diese Angst nicht teile. Aber wenn sie
jemanden ergriffen hat, dann ist es
durchaus gesund, sie anzuerkennen und nicht durch vage Hoffnungen zu betäuben.
Wenn man das tut, hat man nämlich die Chance, die Angst in etwas Positives zu
verwandeln. Zum Beispiel in die alte, aber oft vergessene Tugend der Tapferkeit
– eine Qualität, die es Menschen erlaubt, unter widrigen Umständen nicht nur zu
bestehen, sondern handlungsfähig zu bleiben. Tapferkeit ist mehr als
Frustrationstoleranz: Sie ist das menschliche Vermögen, auch dann noch Sinn zu
erkennen und zu stiften, wo eine Lage hoffnungslos erscheint.
Aber
Herr Quarch, haben Sie den jungen Menschen ernsthaft nichts Besseres zu bieten
als den Opa-Spruch: Ihr müsst jetzt bitte mal ganz tapfer sein.
Ob
das, was ich zu bieten habe, besser ist, weiß ich nicht. Womit ich es aber
versuchen möchte, ist nicht der Appell zum Tapfer-Sein, sondern der Appell, die
realen Ängste zum Anlass zu nehmen, sich zu fragen: Wofür wäre ich bereit,
Opfer zu bringen? Was ist mir wirklich wichtig? Was gibt meinem Leben Sinn?
Wenn ich Antworten auf diese Fragen finde, muss ich nicht mehr zur Tapferkeit
ermahnt werden, sondern dann habe ein inneres Kraftzentrum, aus dem sie wächst.
Und genau da steht die Gesellschaft hier und heute in der Pflicht. Anstatt sich
in Debatten darüber zu verzetteln, ob und wenn ja welche Waffen man in die
Ukraine liefern muss, sollte man das Gespräch mit den jungen Leuten suchen und
sie dazu ermutigen, ihre Werte zu ermitteln, sie einzuklagen und ihnen treu zu
bleiben.
Wenn es
danach ginge, müssten wir bei den Waffenlieferungen noch zurückhaltender sein
als Olaf Scholz. Der Umfrage zufolge finden nur 37 Prozent der jungen Menschen
richtig, Waffen in die Ukraine zu liefern.
Ja,
und vielleicht wäre es mal an der Zeit, in unseren Talkshows oder auch im
Parlament ihren Sorgen Gehör zu schenken – anstatt die Debatten über die
Zukunft des Landes den üblichen Verdächtigen zu überlassen. Es könnte ja sein,
dass junge Menschen eine Reinheit der Intuition bewahrt haben, die uns
Altvorderen verloren gegangen ist; und es könnte sein, dass ihre Ängste
realistischer sind als unsere Hoffnung, durch Waffenlieferungen einen Krieg
beenden zu können. Es könnte sein. So oder so täten wir gut daran – nachdem wir
es schon bei Covid versäumt haben – die Stimme der Jungen ernst zunehmen und
ihre Tapferkeit zu würdigen. Von der nämlich können sich viele der aktuellen
Wortführer eine Scheibe abschneiden.

Gesellschaft | Megatrends, 08.05.2022

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