The Great Green Wall. Steppenbegrünung als Klimachance.

Wie, wo und warum?

Wüstenrandregionen bieten die größten Chancen für eine Regeneration von Böden und die großflächige, direkte Temperatursenkung durch mehr Vegetation. Ein scharfes Schwert – nicht nur im Kampf gegen den Klimawandel.

© franziskamaass.deWeltweit sind Trockengebiete von insgesamt der Größe Südamerikas von Desertifikation betroffen oder stark bedroht. Wegen falscher Bewirtschaftung ist die Vegetation verschwunden und oft nur schwer regenerierbar. Dies ist ein großflächiger Klimafaktor, der zu starker Erwärmung der betroffenen Gebiete führt. Gerade hier kann, wie Simulationen zeigen, über Wiederbegrünung das regionale und damit auch das globale Klima direkt beeinflusst werden: mit einer Abkühlung um mehrere Grad Celsius und der hier noch viel wichtigeren, deutlichen Niederschlagszunahme.
 
Eine grüne Mauer gegen die Wüste
Inspirierende Erfahrungen dazu gibt es mit dem bisher weltgrößten Projekt Great Green Wall in China. Es ist ein bereits vor 50 Jahren gestartetes Begrünungsprogramm mit 66 Milliarden gepflanzten Bäumen auf der unvorstellbaren Fläche von 4.800 mal 1.500 Kilometern. Eine der ersten, die schon seit den 1950er Jahren neu bewaldete „Musterregion" Jiangsu, hat heute landwirtschaftliche Erfolge und ein moderat humides Klima, dort, wo bis vor 60 Jahren trockenheiße Wüstenwinde die karge ausgetrocknete Steppenlandschaft beherrschten. Es kann als Beleg für einen direkten klimatischen Einfluss von großflächiger Bewaldung sowohl auf das regionale Klima als auch zur CO2-Fixierung durch die Neuvegetation gewertet werden.

Wenn Steppen und Wüstenrandregionen global auf Millionen von Quadratkilometern auf möglichst „klimatisch vernetzte" Weise begrünt werden und es hier nun wieder Schatten, Niederschlagszyklen, Bodenverbesserung, Humusaufbau und Ermöglichung von Landwirtschaft gibt, dann dürfen wir laut Simulation in weniger als zwei Dekaden mit weiterer globaler Abkühlung rechnen – zusätzlich zu der Wirkung durch die CO2-Senkung. In China haben, konservativ kalkuliert, wenigstens zehn Milliarden Bäume aus den Pflanzkampagnen den Winden und Dürren widerstanden und erste Erfolge, unterstützt durch Naturbrache (Sukzession) und Beweidungsschutz, werden messbar. Inzwischen hat die Anzahl großer teilkontinentaler Staubsturmereignisse („yellow dragon") abgenommen.

Hoffnung am Rande der Sahara
Die Wüstenrandgebiete in der Sahel-Zone sind durch Abholzung und Überweidung von Desertifikation bedroht. Tony Rinaudo, ein australischer Agrarökonom, entdeckte im Sahel südlich der Sahara eine Methode zur Wiederbegrünung, mit der die Böden wieder fruchtbar gemacht werden können und die Abwanderung der Landbevölkerung gestoppt werden kann (forum berichtete). Rinaudos Methode setzt auf eine Verhaltensänderung der Bauern und nutzt die über viele Jahre andauernde Lebenskraft und Dürreresistenz der Wurzeln von Wildtrieben für Neubegrünung. Nach drei Jahrzehnten Überzeugungsarbeit gibt es heute wieder eine dauerhafte Begrünung, tausende Tonnen an Getreideüberschüssen und einen ansteigenden Grundwasserspiegel. Der Erfolg dieser ANR-Methode (assisted natural regeneration) hat bereits regionale Nachahmer in acht afrikanischen Ländern gefunden. Doch für eine derart fachgerechte Rekultivierung gibt es noch viel zu tun: Auf einem Sahara-Randgebiet von 7,8 Millionen Quadratkilometern sind überregional koordinierte Zusammenarbeit bei der Renaturierung und Unterricht in nachhaltiger Landwirtschaft erforderlich.

Erfolge in der Türkei
Noch größere Gebiete in Vorderasien, von Syrien bis Indien, sind von Erosion und Verwüstung bedroht. Besonders Berghänge in Halbwüstenklima sind für Bodenverlust und Desertifikation anfällig. Gute Erfahrungen mit der Begrünung von gebirgigen Flächen gibt es in der Türkei. Dazu gehört die tiefgründige Bodenvorbereitung mit Spezialmaschinen, um den Regenabfluss zu verlangsamen, und die Entwicklung von Formen ökologischer Mischbepflanzung. Da hierbei auch Nutzpflanzen wie Pinie, Pistazie, Mandel, Kapern und Lorbeerstrauch eingesetzt werden können, ergibt sich neben der Erosionskontrolle ein ökonomischer Zusatznutzen.
 
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief beim Klimagipfel „One Planet Summit" in Paris andere Partner dazu auf, sich einer globalen Allianz anzuschließen. Dabei wollen 50 Staaten 30 Prozent der Land- und Meeresflächen bis zum Jahr 2030 schützen.  

Die Begrünung der gesamten Sahara ist sicher eine Extremannahme. Ihre Simulation ergibt eine Senkung der Lufttemperaturen um bis zu acht Grad Celsius und erhebliche Niederschlagssteigerungen. Die Chancen oder gar die Notwendigkeit zum entschlossenen Handeln sieht auch Frankreichs Präsident Macron. Beim Klimagipfel „One Planet Summit" in Paris legte er einen Schwerpunkt auf den Bodenschutz in Afrika. Mit knapp zwölf Milliarden Euro soll eine internationale Gemeinschaft von 50 Staaten dazu beitragen, ein ins Stocken geratenes Umweltprojekt in der Sahelzone zu unterstützen, kündigte Macron an. Bei dem Projekt der Großen Grünen Mauer sollen über tausende Kilometer Bäume wie ein grünes Band in der Sahelzone gepflanzt werden – von Dakar bis Dschibuti. Damit will er die Ausbreitung der Sahara und somit die Wüstenbildung stoppen und gegen Hungersnöte und Dürre in der Region kämpfen. „Die Herausforderung bis 2030 ist riesig", sagte Macron.

Kein Entweder-oder, sondern engagiertes Handeln
© SEKEMDiese Möglichkeiten der direkten, CO2-unabhängigen Klimabeeinflussung werden von der etablierten Klimaforschung entweder wenig beachtet oder als aufwändige, nicht ausreichende Lösung für das CO2-Problem betrachtet. Die Wiederbegrünung von Steppen und Wüsten kommentiert auch Professor Walter Lucht vom Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) ablehnend. Der Vorschlag beruhe im Grunde darauf, mit hohem Aufwand die hohen Emissionen der Industrieländer durch Kohlenstoff-Senken auszugleichen. Damit lenke er von der dringenderen Aufgabe ab, die Gesellschaft zu entkarbonisieren.

Diese Ablenkung hatten die oben genannten Projekte sicher nicht im Sinn, als man begann, den vielfältigen Desertifikationserscheinungen mit großflächiger Begrünung entgegenzutreten. Es geht hier aus meiner Sicht auch nicht um ein Entweder-oder, sondern um eine Bekämpfung beider Ursachen: die Verringerung der CO2-Emissionen auf der einen Seite und die Reduzierung der menschgemachten (anthropogenen) Steppen sowie die Beseitigung ihrer Ursachen auf der anderen Seite. Es muss ja nicht die gesamte Sahara sein, es würde zunächst genügen, die großflächigen, austrocknenden Wüstenrandregionen, wie den afrikanischen Sahel und große Bereiche Vorderasiens und Australiens, auf ökologisch verträgliche Weise neu zu begrünen. Gerade hier, in den semi-ariden und ariden Trockenländereien, wo die Auswirkungen von Desertifikation am stärksten sind, gibt es das größte Potenzial, um mit vegetationsbedingter, direkter Klimabeeinflussung der globalen Klimakrise zu begegnen. 

Fazit: Bisher haben Begrünungsprojekte verständlicherweise auf die möglichst schnelle Senkung von möglichst viel CO2 geachtet, was zur Bevorzugung von Renaturierungsprojekten in den feuchteren Tropengebieten führte. Neue Auswertungen von Satellitendaten bestätigen jedoch den abkühlenden Effekt von Bewaldung in trocken-heißem Klima. Begrünungsprojekte an den Rändern der Wüsten sind zwar besonders schwierig und schutzbedürftig, dafür aber gerade hier in zweifacher Hinsicht klimaverbessernd wirksam. Darüber hinaus sind sie von unschätzbarem, sozialem Wert in ihrer Bedeutung für Bewohnbarkeit, Landwirtschaft, Beschäftigung und zur Verhinderung von Landflucht.

Lorenz Hübner ist promovierter Immunbiologe und wurde schon in seiner Jugend von Bildern der Dürre und des Hungers im Sahel geprägt. Seit Mitte der 1970er Jahre verfolgt er Wiederbewaldungsprojekte. Durch den Kontakt mit Entwicklungshelfern in Mali wurde ihm klar, wie wichtig der Austausch von Information und Praxiswissen für diese und andere Regionen ist. Um diesen zu unterstützen, hat er sich der Zusammenstellung der Ergebnisse bereits existierender Great Green Walls angenommen. Sein bahnbrechendes Buch „Der Grüne Rettungsring – Mit vernetzter Steppenbegrünung der Klimakrise global begegnen" will Mut machen, indem es Wege zu nachhaltiger Klimaverbesserung aufzeigt. Es deckt die Bereiche Klima, Vegetation, Wirtschaft, Ökologie und Politik ab und ist damit auch für den aktuellen Schulunterricht geeignet.

Umwelt | Klima, 01.06.2021
Dieser Artikel ist in In einer Zeit, in der Angst Einzug in der Gesellschaft hält, macht forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2021 Mut. - Sicher!? erschienen.
     
        
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