Wem gehört das Wasser?
Eine Interaktive Webdoku zeigt drei alarmierende Szenarien
Szenen des Krieges, giftiges Trinkwasser, eine Politik, die zwielichtige Verträge über unsere Wasserversorgung abschließt – alles Fiktion oder vielleicht Realität? Wessen Realität ist es und wann findet sie tatsächlich statt...? Heute bereits ändern, was morgen kommt. Die interaktive Webdoku „wasserstories: our future – their reality", von Caroline Breidenbach spielt mit Vergangenheit, Zukunft und Fiktion und zeigt dabei drei alarmierende Szenarien. Dabei geht es um die universelle Frage: Wem gehört das Wasser?
Multimediale Storys erzählen drei Geschichten: Sie beruhen auf wahren Begebenheiten aus Bolivien, Südafrika und Portugal. Aber sie spielen woanders. Sie finden in Deutschland und in der Zukunft statt. Dafür wurden die Geschichten leicht abgewandelt und mit Tatsächlichem und Fiktivem ergänzt. Zusammen ergeben sie beunruhigende Szenarien…
Die Wasserversorgung ist eines der grundlegendsten Bestandteile unserer Daseinsvorsorge. Auf der anderen Seite unterliegt sie auch immer wieder profitorientierten Strukturen. Wenn jedoch Wasser privatisiert wird, werden nicht selten geheime Verträge geschlossen. Die Folge daraus sind steigende Preise, Vernachlässigung der Infrastruktur und das Ausbleiben nötiger Instandhaltungen. Aus unserer Lebensressource Süßwasser wurde ein profitorientiertes Geschäftsmodell gemacht. Und viel zu selten werden diese Prozesse kritisch besprochen.
Caroline Breidenbach möchte mit „wasserstories" systemrelevante Zusammenhänge aufzeigen. Mit ihren fiktiven Storys gibt sie Einblicke in komplexe Begebenheiten: Wasserkrise, politische Interessen, Privatisierung. „Die Leserinnen und Leser sollen sich betroffen fühlen, irritiert sein und nachdenklich gestimmt werden. Das geht am besten über gutes Storytelling", schildert die Autorin. In den Storys geraten drei unserer grundlegendsten Bedürfnisse bewusst in Gefahr: Gesundheit, Geld und Sicherheit.
Gesundheit. Brandenburg steckt mitten in der Klimakrise: Dürre, Hitze und Zerstörung ganzer Ökosysteme. Die kritische Wassersituation führt zu einer Versorgungskrise. Das Land Brandenburg reagiert mit Privatisierung in der Wasserversorgung. Durch Einsparungen in der Wasserinfrastruktur verschärft sich die Lage der Gewässerqualität. Die Gewässermessstellen schlagen Alarm, denn mittlerweile werden an nahezu allen Messstellen gültige Grenzwerte von gefährlichen Stoffen wie Nitrat oder Sulfat überstiegen. Leitungswasser wird nun zunehmend zu einer Gefahr. Wer davon trinkt, droht ernsthaft zu erkranken.
Geld. Die Wasserversorgung in Gera wurde an eine Tochterfirma des französischen Wassermultis Veolia verkauft. Die Preise steigen und die Wasserversorgung wird schlechter. Schon nach vier Jahren wird die Stadt auf Schadensersatz verklagt, da der Konzern nicht die versprochenen Gewinne erzielte. Eine Inspektion deckt korrupte Handlungsweisen schon mit der Vertragsschließung auf. So wurde ein Bevölkerungszuwachs versprochen, obwohl die Bevölkerung sank. Außerdem wurde ein fast doppelt so hoher Wasserverbrauch veranschlagt. Und schlussendlich wurde dem Konzern vertraglich ein Recht auf Schadensersatz zugesprochen, wenn die Gewinne nicht gemäß den Prognosen erreicht werden.
Sicherheit. Draußen die Hitze und Trockenheit. Drinnen fließt Wasser täglich nur noch wenige Stunden. Die Wasserpreise steigen – manches Mal bis zu 300 Prozent. Die Politik ist verstummt, die Bevölkerung frustriert. In Berlin wurden die Wasserbetriebe privatisiert: Wassermangel, Extremwetter und steigende Preise treiben die Bevölkerung auf die Straßen. Fünf Monate sollen die Proteste anhalten, bis endlich etwas passiert: Die Privatisierung wird rückabgewickelt. Bleiben aber werden Trümmerhaufen, tausende Verletzte und sechs Todesopfer.
Die „wasserstories" – Storytelling über die Wasserprivatisierung
Das Thema wird aus neuartigen Perspektiven dargestellt und dadurch zugänglicher, begreifbarer. Jede Story wird in einer unterschiedlichen Darstellungsweise und Erzählmethode auf spannende Weise präsentiert. Durch Einsetzen verschiedenster Medien tauchen die Betrachter*innen förmlich in die Storys ein. Jeweils im Anschluss an die fiktiven Storys wird die wahre Begebenheit dokumentarisch erzählt. Die Idee dahinter: Die fiktiven Storys finden so nah wie möglich an der Realität statt, so dass die eigene Betroffenheit spürbar wird. Damit sensibilisiert und informiert das Projekt. Begleitet werden die Storys von einem Index – ein interaktives Verzeichnis, das Begriffe erklärt, die im Projekt vorkommen oder mit dem Thema verwandt sind.
Als Masterarbeit begonnen, als Meisterschülerin beendet
Mit dem Konzept der „wasserstories" kam Caroline Breidenbach als Studentin der weißensee kunsthochschule berlin zur Stiftung für Mensch und Umwelt. Cornelis Hemmer, einer der beiden Gründer und Leiter der Stiftung, erkannte schnell das Potenzial im Projekt. Für Caroline Breidenbach war es wichtig, dem im Ausland Geschehenen eine angemessene Bühne zu geben: dem Wasserkrieg in Cochabamba, der durch die Privatisierungswelle hervorgerufenen Cholera-Epidemie in Südafrika oder auch den absurden Privatisierungsverträgen in der Stadt Barcelos in Portugal. Das erkannte Problem: Es fehlt in unserer Gesellschaft oftmals ein ernsthaftes Interesse an vergangenen oder weit entfernten Geschehnissen. Die Erkenntnis war also: „Das, was uns am meisten interessiert, ist das, was uns am meisten betrifft." Die Idee war geboren: Wahre Storys werden so erzählt, als seien sie in Deutschland passiert. Allerdings in der Zukunft – also fiktiv, aber so realistisch wie möglich. So entstand der Claim zum Projekt „I look into our future – and what I see is their reality". Damit sollen insbesondere junge Menschen abgeholt werden. Sie haben oftmals Interesse an dem Thema, finden aber bisher kaum Zugang zu umweltpolitischen Themen. „Aus der kreativen Perspektive heraus möchten wir ein Publikum abseits der Umweltschützer*innen erreichen", so Caroline Breidenbach.
Was ist bereits jetzt Realität? Betrifft uns die Krise?
Die Antwort von Cornelis Hemmer ist eindeutig: „Ja, wir in Deutschland und insbesondere in der Region Berlin-Brandenburg sind schon jetzt von der Wasserkrise betroffen. Hitze, Wassermangel und Extremwetter finden konkret statt – das Thema der Wasserrationierung ist kein Fremdwort mehr. Während der Projektrealisierung mussten wir irgendwann feststellen: Die fiktiven Storys waren inzwischen gar nicht mehr dramatisch genug. Selbst nach der Überarbeitung der Storys ist die schlichte Wahrheit, dass bereits vieles davon auch für uns schon heute Realität ist – wir wollen es nur nicht erkennen."
Was kann man selbst tun?
Über das Thema sprechen, Freund*innen und Bekannte informieren und an Aktionen teilnehmen, ist der Ansatz der Stiftung. „Es muss so viel Aufmerksamkeit geschaffen werden, wie möglich. Wir müssen die Leute ,aufschlauen‘ und auch politischen Druck ausüben, damit sich etwas zum Positiven verändert. Es gibt vielseitige Möglichkeiten, sich zu engagieren. Man muss sich einfach die Frage stellen: Was interessiert mich am meisten, was bedeutet mir am meisten? Da ansetzen und einsteigen", so Cornelis Hemmer.
Caroline Breidenbach ist Grafikdesignerin, Jahrgang 1993, wohnhaft in Berlin, Absolventin der Weißensee Kunsthochschule Berlin im Fachgebiet Visuelle Kommunikation (Meisterschülerin). Die „wasserstories" sind eine interaktive Webdokumentation, die im Januar 2022 veröffentlicht und parallel in der Berliner Kunsthalle am Hamburger Platz ausge- stellt wurde. Die Herausgeber*innen sind Caroline Breidenbach, die weißensee kunsthochschule berlin und die Stiftung für Mensch und Umwelt. Diese wurde 2010 in Berlin gegründet, realisiert eigene Projekte und ist bekannt durch „Deutschland summt! Wir tun was für Bienen!" (forum berichtete). Die Stiftung finanzierte die „wasserstories" gemeinsam mit der Deutschen Postcode Lotterie.
Brandenburg zeigt „Dürre-Gedächtniseffekte"
Im Dürrejahr 2018 fielen im Osten Brandenburgs im Vergleich zum langjährigen Mittel 30 Prozent weniger Niederschlag. In den beiden darauffolgenden, ebenfalls trockenen Jahren 2019 und 2020 waren es jeweils noch 10 bis 15 Prozent weniger als die langjährigen Mittel. Auch in der ersten Jahreshälfte in 2021 regnete es noch zu wenig. Wie schnell kann sich die Natur davon erholen? Wie wirken sich solche Trockenphasen auf die Wasserressourcen aus? Und wie viel Niederschlag wäre nötig, um den Mangel auszugleichen?
„Unsere integrierten Messungen und Model- lierungen zeigen, dass wir mindestens vier Jahre an durchschnittlichen Regenmengen bräuchten, also in dieser Region etwa 600 mm pro Jahr, damit sich die Grundwasserspiegelauf Vor-Dürre-Niveau erholen könnten, und ein Jahr, um die Bodenwasserspeicher wieder aufzufüllen", prognostiziert Dörthe Tetzlaff vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Zunehmende Extremereignisse wie Dürren erfordern daher sowohl in der Stadt, als auch im Umland Strategien, die der Wasserverfügbarkeit angepasst sind und die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel erhöhen.
Hinweis: Das IGB ist das bundesweit größte und eines der international führenden Forschungszentren für Binnengewässer. www.igb-berlin.de
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Umwelt | Wasser & Boden, 01.03.2022
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2022 ist erschienen. Schwerpunkt: Energiewende - Was wäre, wenn? erschienen.
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