Die Erneuerbaren und der Krieg
Der aktuelle Kommentar von Axel Berg
Das Bundesverfassungsgericht sagte es in seinem bemerkenswerten Urteil zum Klimaschutz im März deutlich: Die Stromversorgung in Deutschland ist insgesamt umso besser gesichert, je mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, die in Deutschland verfügbar sind, und je mehr gleichzeitig der Anteil des Verbrauchs fossiler Energien zurückgeht. Doch die Konsequenzen der Politik sind erschreckend.
Die Verfassungsrichter sprechen die zutreffenden Worte zum trüben Glanz der Weltwirtschaft. Erst kam der Handelskonflikt zwischen den USA und China, dann die weltweite Pandemie, die Chinas Wirtschaft in höchste Gefahr brachte, und jetzt herrscht auch noch Krieg in der Ukraine mit amerikanisch-europäischen Wirtschaftssanktionen gegen den Aggressor. Weltweite Lieferketten funktionieren nicht mehr, ganze Wirtschaftszweige werden ausgebremst. Russland soll ruiniert und in die Knie gezwungen werden, wie die deutsche und die US-Außenpolitik akzentuieren. Das kann dauern. Die Welt zerfällt wieder in Blöcke. Die Jahrzehnte lang gepushte Globalisierung soll jetzt wieder rückabgewickelt, deglobalisiert werden. Überall wird darüber geredet, wie Volkswirtschaften auch ohne transkontinentale Handelsströme, stattdessen national oder auf EU-Ebene funktionieren könnten.
Sollte also die Geschichte an einem Wendepunkt angelangt sein, so hat dies Kanzler Scholz klar erkannt. Für seine Regierung liegen inzwischen die erneuerbaren Energien grundsätzlich im überragenden öffentlichen Interesse und in dem der öffentlichen Sicherheit. Richtig so. Schließlich kann man seinem Nachbarstaat nicht einfach so Wind oder Wasser abdrehen oder die Sonne abschalten. Abhängigkeiten von Staaten oder auch einer OPEC, die Energielieferungen als Druckmittel für ihre eigene politische Agenda benutzen, werden obsolet. Die Erneuerbaren haben eine beruhigende Funktion, nicht nur auf das Klima.
Blutgas und noch mehr Geld für die Milliardäre
Allein, die Konsequenzen aus dem Trend zum Staats-Cocooning, für den doch die erneuerbaren Friedens- und Freiheitsenergien geboostert werden sollten, sind befremdlich. Wirtschaftsminister Habeck betont zwar, dass man nicht nur von russischen, sondern von fossilen Brennstoffen überhaupt unabhängig werden wolle. Trotzdem werden jetzt, gegen die Bedenken der Industrie, auf Staatskosten LNG-Terminals für den klimaschädlichsten Brennstoff schlechterdings, gefracktes Gas aus den USA, und für Blutgas aus dem eher unfreien Emirat Katar gebaut. Ab 2024 sollen die neuen Dealer liefern, und dann soll erst mal 20 Jahre deren hochsubventioniertes Gas in Deutschland verbrannt werden. Egal wie teuer, umweltschädlich und ineffizient: Hauptsache, es kommt nicht aus Russland.
Die Ampelregierung ist mit guten Vorsätzen gestartet und versagt angesichts des Krieges in Sachen Nachhaltigkeit sinnverwandt mit der letzten Merkel-Regierung bei Corona. Alles stand still ab 2020 – das Leben, die Schulen, die Büros und sogar die Emissionen sanken. Mit den Corona-Hilfspaketen, die an die großen deutschen Konzerne gingen, hätte man die sozialen Kosten zur Umstellung Deutschlands auf erneuerbare Vollversorgung bequem bezahlen können. Mit den Zuschüssen wurden stattdessen Aktienrückkäufe finanziert und Aktionärsgewinne ausgeschüttet. Das Vermögen der 2700 Milliardäre weltweit stieg während der Pandemie laut Oxfam um über 40 Prozent. Dann kehrte das vorpandemische Leben langsam zurück – und damit eine Weltwirtschaft mitsamt ihrem Energiehunger nach Kohle, Öl und Gas. Die Preise explodierten und steigen weiter. Der europäische Gaspreis lag im Juni 2021 bei gut 20 Euro je Megawattstunde, im Juni 2022 bei stolzen 200 Euro. Die Inflation in der EU stieg von 2,2 Prozent im Juni 2021 auf 9,6 Prozent im Juni 2022 an.
Die historische Chance wurde nicht ergriffen
Mit dem Ukrainekrieg ist das Kartenhaus der fossilen Energiewirtschaft in sich zusammengefallen. Jetzt rächen sich die sorglosen Jahrzehnte verzögerter Energiewende. Und wieder: Statt die historische Chance zu begreifen und aus der Krise einen Lauf zu machen, wird erneut der nicht nachhaltige Status quo auch noch befördert. Die zehn Milliarden Euro teure Nord-Stream-2-Pipeline verrostet ungenutzt, weil Russland sanktioniert wird. Weil dadurch die Gaskosten stiegen, hilft die Bundesregierung mit 15 Milliarden Euro bei Uniper aus, der Bad Bank des wohlhabenden E.ON-Konzerns. Energie- und Militärausgaben steigen wegen eines Krieges, den es möglicherweise gar nicht geben würde, wenn nicht alle so abhängig von der vorgeblichen Brückentechnologie Gas wären. Die zigmal so teuren und per se unproduktiven Waffensysteme, die jetzt produziert werden sollen, verrosten hoffentlich auch. Selbst wenn Kriegsgeräte nicht eingesetzt werden, so verschlingen Bau und Betrieb von Flugzeugen, Schiffen, Panzern und Munition kolossal Ressourcen und verursachen Emissionen in astronomischen Höhen.
Die Grünen, hervorgegangen aus der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung, liefern schwere Waffen in Kriegsgebiete und fordern den Ausstieg aus dem atomaren Ausstieg, um Russland zu besiegen. Sie stehen nicht mehr für Abrüstungspolitik und „Atomkraft – nein danke", sondern für eine Politik der Härte mit einer wehrhaften EU und einer einsatzfreudigen NATO gegen die Gegner im Osten. Es steht außer Frage, dass es gegen die Regime in China oder Russland harte Kritik in der Sache braucht – doch ein Herunterfahren der Diplomatie bei gleichzeitiger Aufrüstung bedeutet Konfrontationskurs und Rollback in die kleinliche Logik des Krieges als Akt blinder Leidenschaft, wie es Clausewitz einst benannte.
Die Entspannungspolitik wieder aufnehmen
Dialog, Zusammenarbeit, Abrüstung und militärische Zurückhaltung hatten über Jahrzehnte eine breite gesellschaftliche Unterstützung. „Wandel durch Annäherung" lautete das politische Konzept von Willy Brandts Entspannungspolitik, was zu guter Letzt den Fall der Mauer ermöglichte. Kerngedanke war, dass jeder immer wieder Kompromisse eingehen muss, die wehtun und manchmal objektiv ungerecht sind. Es erfordert mehr Größe, eine Auseinandersetzung zu vermeiden, als sie zu führen.
2022 hingegen werden die eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen hintangestellt und stattdessen ethische Werte vertreten – damit sitzen wir in der Moralfalle. Die meisten Länder sind Autokratien, und sogar einige der demokratischen Russland-Sanktionierer brechen das Recht. Um Klimakrise, soziale Ungleichheit, Pandemieschocks, Hunger und Kriege zu überwinden, wird es nicht möglich sein, nur mit gleichgesinnten, moralisch einwandfreien Staaten zusammenzuarbeiten. Wenn politische Konflikte in den Kategorien Gut und Böse, Schwarz und Weiß angegangen werden, ist eine Kompromissfindung schwierig; moralisch aufgeladene Konflikte sind kaum lösbar. Geht es hingegen darum, Interessen in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen, ist es leichter, Gegensätze zu überwinden.
Der Ausweg: Die Energiewende
Allererstes Eigeninteresse zur Verhütung künftiger Energiekriege und auch moralisch korrekt wäre eine massiv beschleunigte Energiewende. Jetzt wäre es an der Zeit, Biogasanlagen ans Gasnetz anzuschließen, Innendämmungen mit Baumarktsystemen anzugehen, Gasheizungen gegen Wärmepumpen auszutauschen, bürokratische Schikanen für die Windkraft an Land zu lockern und für PV und Mininetze aufzuheben, ein Tempolimit wenigstens für Verbrenner einzuführen – und vieles mehr. Der Zero-Emission-Thinktank glaubt, dass ein Booster bei den erneuerbaren Energien zusammen mit Energieeinsparungen sehr schnell aus der deutschen Abhängigkeit herausführen könnte. Der Masterplan umfasst einmalige Investitionen von 40 Milliarden Euro, wodurch allerdings Einsparungen von zehn Milliarden jährlich möglich sein sollen, allein schon durch geringere Heizkosten. Bis Ende 2022 könnten 1700 zusätzliche Windkraftanlagen gebaut werden, die bereits genehmigt, aber noch nicht errichtet seien. Damit könnte sogar wieder das 1,5-Grad-Ziel beim Klimaschutz in Sichtweite kommen.
Den Klotz am Bein loswerden
Stattdessen hagelt es vor allem Zuschüsse für Unternehmen, deren fossile Energiekosten sich erhöht haben. Je höher der Kostendruck durch Energiepreise ist, umso mehr Zuschuss gibt es. Unternehmen aus besonders stark betroffenen Sektoren wie zum Beispiel Stahl-, Chemie- und Glasindustrie erhalten bis zu 70 Prozent der Preisdifferenz im Vergleich zu den Energiekosten aus 2021. Primäre Intention ist die Stützung systemrelevanter Energieunternehmen. Ob es nachhaltig ist, wenn zum Beispiel BASF jedes Jahr vier Prozent mehr Plastik und Pestizide produziert, wird, wie schon bei den Corona-Hilfspaketen, nicht hinterfragt; dafür ist keine Zeit. Um auch Bürgern Ausgleiche für die Preiserhöhungen zu geben, spendiert die Politik Energiepreispauschalen, Tankrabatte und andere Zuschüsse für besonders Betroffene.
Die Verfassungsrichter sprechen die zutreffenden Worte zum trüben Glanz der Weltwirtschaft. Erst kam der Handelskonflikt zwischen den USA und China, dann die weltweite Pandemie, die Chinas Wirtschaft in höchste Gefahr brachte, und jetzt herrscht auch noch Krieg in der Ukraine mit amerikanisch-europäischen Wirtschaftssanktionen gegen den Aggressor. Weltweite Lieferketten funktionieren nicht mehr, ganze Wirtschaftszweige werden ausgebremst. Russland soll ruiniert und in die Knie gezwungen werden, wie die deutsche und die US-Außenpolitik akzentuieren. Das kann dauern. Die Welt zerfällt wieder in Blöcke. Die Jahrzehnte lang gepushte Globalisierung soll jetzt wieder rückabgewickelt, deglobalisiert werden. Überall wird darüber geredet, wie Volkswirtschaften auch ohne transkontinentale Handelsströme, stattdessen national oder auf EU-Ebene funktionieren könnten.
Sollte also die Geschichte an einem Wendepunkt angelangt sein, so hat dies Kanzler Scholz klar erkannt. Für seine Regierung liegen inzwischen die erneuerbaren Energien grundsätzlich im überragenden öffentlichen Interesse und in dem der öffentlichen Sicherheit. Richtig so. Schließlich kann man seinem Nachbarstaat nicht einfach so Wind oder Wasser abdrehen oder die Sonne abschalten. Abhängigkeiten von Staaten oder auch einer OPEC, die Energielieferungen als Druckmittel für ihre eigene politische Agenda benutzen, werden obsolet. Die Erneuerbaren haben eine beruhigende Funktion, nicht nur auf das Klima.
Blutgas und noch mehr Geld für die Milliardäre
Allein, die Konsequenzen aus dem Trend zum Staats-Cocooning, für den doch die erneuerbaren Friedens- und Freiheitsenergien geboostert werden sollten, sind befremdlich. Wirtschaftsminister Habeck betont zwar, dass man nicht nur von russischen, sondern von fossilen Brennstoffen überhaupt unabhängig werden wolle. Trotzdem werden jetzt, gegen die Bedenken der Industrie, auf Staatskosten LNG-Terminals für den klimaschädlichsten Brennstoff schlechterdings, gefracktes Gas aus den USA, und für Blutgas aus dem eher unfreien Emirat Katar gebaut. Ab 2024 sollen die neuen Dealer liefern, und dann soll erst mal 20 Jahre deren hochsubventioniertes Gas in Deutschland verbrannt werden. Egal wie teuer, umweltschädlich und ineffizient: Hauptsache, es kommt nicht aus Russland.
Die Ampelregierung ist mit guten Vorsätzen gestartet und versagt angesichts des Krieges in Sachen Nachhaltigkeit sinnverwandt mit der letzten Merkel-Regierung bei Corona. Alles stand still ab 2020 – das Leben, die Schulen, die Büros und sogar die Emissionen sanken. Mit den Corona-Hilfspaketen, die an die großen deutschen Konzerne gingen, hätte man die sozialen Kosten zur Umstellung Deutschlands auf erneuerbare Vollversorgung bequem bezahlen können. Mit den Zuschüssen wurden stattdessen Aktienrückkäufe finanziert und Aktionärsgewinne ausgeschüttet. Das Vermögen der 2700 Milliardäre weltweit stieg während der Pandemie laut Oxfam um über 40 Prozent. Dann kehrte das vorpandemische Leben langsam zurück – und damit eine Weltwirtschaft mitsamt ihrem Energiehunger nach Kohle, Öl und Gas. Die Preise explodierten und steigen weiter. Der europäische Gaspreis lag im Juni 2021 bei gut 20 Euro je Megawattstunde, im Juni 2022 bei stolzen 200 Euro. Die Inflation in der EU stieg von 2,2 Prozent im Juni 2021 auf 9,6 Prozent im Juni 2022 an.
Die historische Chance wurde nicht ergriffen
Mit dem Ukrainekrieg ist das Kartenhaus der fossilen Energiewirtschaft in sich zusammengefallen. Jetzt rächen sich die sorglosen Jahrzehnte verzögerter Energiewende. Und wieder: Statt die historische Chance zu begreifen und aus der Krise einen Lauf zu machen, wird erneut der nicht nachhaltige Status quo auch noch befördert. Die zehn Milliarden Euro teure Nord-Stream-2-Pipeline verrostet ungenutzt, weil Russland sanktioniert wird. Weil dadurch die Gaskosten stiegen, hilft die Bundesregierung mit 15 Milliarden Euro bei Uniper aus, der Bad Bank des wohlhabenden E.ON-Konzerns. Energie- und Militärausgaben steigen wegen eines Krieges, den es möglicherweise gar nicht geben würde, wenn nicht alle so abhängig von der vorgeblichen Brückentechnologie Gas wären. Die zigmal so teuren und per se unproduktiven Waffensysteme, die jetzt produziert werden sollen, verrosten hoffentlich auch. Selbst wenn Kriegsgeräte nicht eingesetzt werden, so verschlingen Bau und Betrieb von Flugzeugen, Schiffen, Panzern und Munition kolossal Ressourcen und verursachen Emissionen in astronomischen Höhen.
Die Grünen, hervorgegangen aus der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung, liefern schwere Waffen in Kriegsgebiete und fordern den Ausstieg aus dem atomaren Ausstieg, um Russland zu besiegen. Sie stehen nicht mehr für Abrüstungspolitik und „Atomkraft – nein danke", sondern für eine Politik der Härte mit einer wehrhaften EU und einer einsatzfreudigen NATO gegen die Gegner im Osten. Es steht außer Frage, dass es gegen die Regime in China oder Russland harte Kritik in der Sache braucht – doch ein Herunterfahren der Diplomatie bei gleichzeitiger Aufrüstung bedeutet Konfrontationskurs und Rollback in die kleinliche Logik des Krieges als Akt blinder Leidenschaft, wie es Clausewitz einst benannte.
Die Entspannungspolitik wieder aufnehmen
Dialog, Zusammenarbeit, Abrüstung und militärische Zurückhaltung hatten über Jahrzehnte eine breite gesellschaftliche Unterstützung. „Wandel durch Annäherung" lautete das politische Konzept von Willy Brandts Entspannungspolitik, was zu guter Letzt den Fall der Mauer ermöglichte. Kerngedanke war, dass jeder immer wieder Kompromisse eingehen muss, die wehtun und manchmal objektiv ungerecht sind. Es erfordert mehr Größe, eine Auseinandersetzung zu vermeiden, als sie zu führen.
2022 hingegen werden die eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen hintangestellt und stattdessen ethische Werte vertreten – damit sitzen wir in der Moralfalle. Die meisten Länder sind Autokratien, und sogar einige der demokratischen Russland-Sanktionierer brechen das Recht. Um Klimakrise, soziale Ungleichheit, Pandemieschocks, Hunger und Kriege zu überwinden, wird es nicht möglich sein, nur mit gleichgesinnten, moralisch einwandfreien Staaten zusammenzuarbeiten. Wenn politische Konflikte in den Kategorien Gut und Böse, Schwarz und Weiß angegangen werden, ist eine Kompromissfindung schwierig; moralisch aufgeladene Konflikte sind kaum lösbar. Geht es hingegen darum, Interessen in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen, ist es leichter, Gegensätze zu überwinden.
Der Ausweg: Die Energiewende
Allererstes Eigeninteresse zur Verhütung künftiger Energiekriege und auch moralisch korrekt wäre eine massiv beschleunigte Energiewende. Jetzt wäre es an der Zeit, Biogasanlagen ans Gasnetz anzuschließen, Innendämmungen mit Baumarktsystemen anzugehen, Gasheizungen gegen Wärmepumpen auszutauschen, bürokratische Schikanen für die Windkraft an Land zu lockern und für PV und Mininetze aufzuheben, ein Tempolimit wenigstens für Verbrenner einzuführen – und vieles mehr. Der Zero-Emission-Thinktank glaubt, dass ein Booster bei den erneuerbaren Energien zusammen mit Energieeinsparungen sehr schnell aus der deutschen Abhängigkeit herausführen könnte. Der Masterplan umfasst einmalige Investitionen von 40 Milliarden Euro, wodurch allerdings Einsparungen von zehn Milliarden jährlich möglich sein sollen, allein schon durch geringere Heizkosten. Bis Ende 2022 könnten 1700 zusätzliche Windkraftanlagen gebaut werden, die bereits genehmigt, aber noch nicht errichtet seien. Damit könnte sogar wieder das 1,5-Grad-Ziel beim Klimaschutz in Sichtweite kommen.
Den Klotz am Bein loswerden
Stattdessen hagelt es vor allem Zuschüsse für Unternehmen, deren fossile Energiekosten sich erhöht haben. Je höher der Kostendruck durch Energiepreise ist, umso mehr Zuschuss gibt es. Unternehmen aus besonders stark betroffenen Sektoren wie zum Beispiel Stahl-, Chemie- und Glasindustrie erhalten bis zu 70 Prozent der Preisdifferenz im Vergleich zu den Energiekosten aus 2021. Primäre Intention ist die Stützung systemrelevanter Energieunternehmen. Ob es nachhaltig ist, wenn zum Beispiel BASF jedes Jahr vier Prozent mehr Plastik und Pestizide produziert, wird, wie schon bei den Corona-Hilfspaketen, nicht hinterfragt; dafür ist keine Zeit. Um auch Bürgern Ausgleiche für die Preiserhöhungen zu geben, spendiert die Politik Energiepreispauschalen, Tankrabatte und andere Zuschüsse für besonders Betroffene.
Hermann Scheer wusste es schon vor 20 Jahren: Nicht die Energiewende ist teuer, sondern das zu lange Zögern bei gleichzeitigem Festhalten an den nicht nachhaltigen, zentralen, fossilen Strukturen. Ohne die Erneuerbaren bleibt uns in Europa kaum anderes übrig, als Kohle, Öl, Gas und Uran aus Russland oder anderen Staaten einzukaufen. Neuinvestitionen in Erdgas ebenso wie die massiv ansteigenden Subventionen für fossiles Wirtschaften sind ein Klotz am Bein der Energiewende, weil sie das dringend notwendige Investment in dezentrale erneuerbare Energien schmälern. Nicht für LNG-Terminals braucht es ein Beschleunigungsgesetz, sondern für die schnelle Transformation auf 100 Prozent erneuerbare Energien. Die Schaffung neuer fossiler Infrastruktur ist ein Fall von copy and paste, wird den Krieg nicht schneller beenden und die proklamierte Energiewende wieder um Jahre verzögern. Warum nicht gleich in Erneuerbare investieren? Die Loop-Schleife kann durchbrochen werden. Die Verfassungsrichter wird´s freuen.
Axel Berg, Rechtsanwalt und
Politologe, war von 1998 bis 2009 Mitglied des Bundestages (SPD) und war
Co-Autor des Erneuerbare Energie Gesetzes (EEG) und Initiator der
Exportinitiative für Erneuerbare Energien. Seit November 2009 ist Axel
Berg Vorsitzender der Eurosolar-Sektion Deutschland und berät Unternehmen, Verbände und Kommunen. Er ist Mitglied des Kuratoriums von forum Nachhaltig Wirtschaften.
Unter "Der aktuelle Kommentar" stellen wir die Meinung engagierter Zeitgenossen vor und möchten damit unserer Rolle als forum zur gewaltfreien Begegnung unterschiedlicher Meinungen gerecht werden. Die Kommentare spiegeln deshalb nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider, sondern laden ein zur Diskussion, Meinungsbildung und persönlichem
Engagement. Wenn auch Sie einen Kommentar einbringen oder erwidern
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Gesellschaft | Politik, 31.07.2022
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