Landwirtschaft: Nachhaltigkeitsleistungen erfassen und bezahlen
Regionalwert-AGs und Gründungsinitiativen auf der Biofach
- Podiumsdiskussion: Erfassung und Vergütung von Nachhaltigkeitsleistungen im Fokus
- Modellprojekt mit 60 Betrieben
- Regionalwert-Leistungsrechnung als praxisnahes Tool
Die Regionalwert-AGs haben mit einem Gemeinschaftsstand an der Biofach 2022 in Nürnberg teilgenommen. Im Zentrum des Auftritts stand, wie sich ökologische, soziale und regionalökonomische Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe erfassen und vergüten lassen – wie beim Regiosöl-Projekt, an dem sich 60 Bio-Betriebe beteiligt haben. Das Projekt wurde im Rahmenprogramm der Biofach vorgestellt und anschließend mit Branchenvertreter:innen und Forschungseinrichtungen diskutiert.
Regionalwert-AGs und -Initiativen auf der Biofach
Neben den Regionalwert-AGs Rheinland und Hamburg waren am Regionalwert-Stand auch die Regionalwert-Gründungsinitiativen Mecklenburg-Vorpommern und Mittleres Württemberg vertreten. Beide suchen derzeit nach Mitgründerinnen und Mitgründern.
Stefan Gothe, Geschäftsführer der Regionalwert Impuls GmbH, sagt: „Mittelfristig soll es in Deutschland flächendeckend Regionalwert-AGs geben. Einerseits, um weitere regionale Netzwerke vom Acker bis zum Teller aufzubauen und die Land- und Lebensmittelwirtschaft weiter zu ökologisieren und regionalisieren. Anderseits, um die Idee der Erfassung und Vergütung von Nachhaltigkeitsleistungen weiter zu verbreiten."
Regionalwert-Leistungsrechnung: Praxisnahes Tool
Die Regionalwert AG Freiburg – erste Aktiengesellschaft des Modells – hat aus längeren Forschungsprojekten die Regionalwert-Leistungsrechnung entwickelt, die von der Regionalwert Leistungen GmbH angeboten wird.
Mit einem Online-Tool können Landwirtinnen und Landwirte ihre betrieblichen Nachhaltigkeitsleistungen in den Kategorien Ökologie, Soziales und Regionalökonomie erfassen. Das Ergebnis ist eine Einstufung, wie nachhaltig ihre Betriebe wirtschaften – und was die Leistungen in Euro und Cent wert sind.
Stefan Gothe: „Die Anwenderinnen und Anwender spiegeln uns, dass die Regionalwert-Leistungsrechnung das bislang praxisnahste Tool ist, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen. Die buchhaltungsnahe Methodik sorgt dafür, dass die Nachhaltigkeitsleistungen direkt vergütet werden können – zum Beispiel von Abnehmerinnen und Abnehmern, aber auch von der Politik. Damit passt das Tool perfekt zur Maxime, dass öffentliche Mittel nur für öffentliche Leistungen vergeben werden sollten. Das ist beim Großteil der Agrarsubventionen heute nicht der Fall."
Bislang haben mehr als 250 landwirtschaftliche Betriebe die Leistungsrechnung genutzt. Auch die Nachhaltigkeitsberichte, die die Regionalwert-AGs veröffentlichen, basieren auf den Prinzipien der Regionalwert-Leistungsrechnung.
Regiosöl: Projekt mit 60 Bio-Betrieben vorgestellt
Im Rahmen des Projekts Regiosöl haben rund 60 landwirtschaftliche Bio-Betriebe die Regionalwert-Leistungsrechnung angewandt. Erste Ergebnisse dieses und des ähnlich gelagerten Projekts wurden im Rahmen der Biofach vorgestellt und diskutiert. Neben Dorle Gothe, Vorständin der Regionalwert AG Rheinland, nahmen daran teil: Klaus Engemann (Biolandhof Engemann), Sigrid Griese (Bioland e. V. ), Dr. Nicolas Lampkin (Thünen-Institut für Betriebswirtschaft), Dr. Jürn Sanders (FiBL) und Simone Sterly (IfLS). Stefan Gothe (Regionalwert Impuls GmbH) moderierte die Veranstaltung.
Dorle Gothe (Regionalwert AG Rheinland) sagte: „Die Politik muss konkrete Leistungen bezahlen, die landwirtschaftliche Betriebe für Nachhaltigkeit erbringen. Das gilt für alle landwirtschaftlichen Betriebe, nicht nur für den Biolandbau. Und das muss schnell geschehen! Außerdem müssen wir auch den Lebensmitteleinzelhandel in die Verantwortung nehmen. Dieses Hin und Her bei den Preisen wird gerade auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen. Das geht gar nicht mehr."
Klaus Engemann (Biolandhof Engemann) sagt: „Warum soll man für die Bioprodukte mehr bezahlen? Das versuchen wir sichtbar zu machen. Dafür haben wir die Regionalwert-Leistungsrechnung verwendet. Ich war erst skeptisch: Noch ein Tool, nochmal Kosten. Aber das Ergebnis fand ich beeindruckend. Auf der Grundlage haben wir ein Preismodell mit unseren zuliefernden landwirtschaftlichen Betrieben entwickelt – und auch im Gespräch mit unseren Abnehmern Preise für besondere Leistungen vereinbaren können."
Sigrid Griese (Bioland e. V.) sagte: „Die gemeinsame Agrarpolitik der EU hat eine starke Steuerungswirkung. Jeder Euro, der nicht in der nachhaltigen Landwirtschaft landet, fördert eine nicht-nachhaltige Landwirtschaft. Wenn wir Bio fördern wollen, müssen diese Betreibe auch mehr bekommen als konventionelle Betriebe mit Einzelmaßnahmen. Einzelbetriebliche Entscheidungen für Nachhaltigkeit müssen finanziert werden. Dass das möglich ist, dafür haben wir als Ökobranche die Erfahrungen."
Simone Sterly (Institut für ländliche Strukturforschung) sagte:
„Die regionale Ebene ist die wichtigste. Durch das Zusammenwirken mehrerer Betriebe entsteht ein regionaler Mehrwert. Bei der Auswahl der Tools für unser Projekt war der Regionalwert-Ansatz am praxistauglichsten. Natürlich ist die GAP die ganz große Stellschraube. Aber auf der regionalen Ebene gibt es noch andere Möglichkeiten, über regionale Akteure weitere, zusätzliche Honorierungssysteme für Landwirte zu finden."
Zahlen zur Regionalwert-Bewegung
- 9 gegründete AGs in Deutschland und Österreich mit insgesamt rund 18 Mio. Euro Grundkapital
- 4 weitere AGs in Vorbereitung
- insgesamt mehr als 5.000 Aktionärinnen und Aktionäre
- insgesamt mehr als 200 Partnerbetriebe
Wirtschaft | Branchen & Verbände, 29.07.2022
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