Pflanzwettbewerb Deutschland summt! Juchuu, es geht wieder los!
Verwandeln auch Sie eine Fläche in Ihrer Umgebung in eine lebendige Oase.
Die Farben von 2.000 Frühjahrsblühern, der blumige Duft von 1.200 Stauden und zwei Dutzend Gehölzen – nein die Rede ist nicht von einer Gärtnerei. Wir befinden uns mitten im Berliner Bezirk Reinickendorf, unweit vom ehemaligen Flughafen Tegel und gut 500 Meter entfernt von der 6-streifigen Bundesautobahn 111. Ein Treffpunkt der Vielfalt an dem sich Menschen, Pflanzen und Tiere gleichermaßen wohlfühlen, mitten in Berlin. Wie ist das möglich?
Deutschland verbraucht zu viel Fläche – das ist nichts Neues. Noch immer verlieren wir jeden Tag so viel Fläche nur an den Wohnungsbau, Industrie und Gewerbe, wie in Deutschland eigentlich für den gesamten Flächen-Neuverbrauch vorgesehen ist.
Doch viele dieser Flächen sind nicht verloren. Die Freiflächen zwischen Häuserriegeln und in Innenhöfen müssen nur mit einer neuen Wertigkeit bedacht werden. Das Potenzial für mehr Artenvielfalt und Erholung ist riesig. Wohnungsunternehmen und Firmen des Garten- und Landschaftsbaus (GaLaBau) haben die Flächen und die Mittel, einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt und Förderung der biologischen Vielfalt zu leisten. Unabhängig ob 30 oder 3.000 Quadratmeter, die Umgestaltungen lassen sich zügig umsetzen und die Erfolge zeigen sich nachweislich bereits im ersten Jahr. Naturnahe Gestaltungen in Wohnquartieren bringen mehr Lebensqualität in unsere Städte und Kommunen. Das Projekt „Treffpunkt Vielfalt" zeigt eindrücklich, wie das funktionieren kann.
Naturnahe Gestaltung und Pflege von Wohnquartieren
Die Bemühungen im Natur- und Artenschutz werden selten vor der Haustür sichtbar. Außer, man setzt direkt dort an und entwickelt neue Lebensräume dort, wo die Menschen wohnen.
Die Stiftung für Mensch und Umwelt aus Berlin hat im Rahmen des „Bundesprogramms Biologische Vielfalt" Wohnquartiere ökologisch umgestaltet.
Mit drei Wohnungsbaugenossenschaften in vier Stadtbezirken entstanden so fünf Modellflächen von insgesamt 6.000 Quadratmeter naturnahes Grün. Bevor die Flächen ungestaltet wurden, sollten auch die MieterInnen einbezogen werden.
Auch wenn manche Eingriffe zunächst auf Unverständnis stießen, so bieten Infoabende und das persönliche Gespräch immer eine gute Gelegenheit, die anfängliche Skepsis in Vorfreude zu wandeln. Ansaaten brauchen eine gewisse Startzeit und im Winter darf mehr stehen bleiben. Das kann so manchen Mieter irritieren.
Erfahrungsgemäß zerstreuen sich die Vorbehalte bereits im ersten Jahr und die etwas karge Anfangszeit gerät schnell in Vergessenheit. Äußerst hilfreich erwiesen sich dabei gemeinsame Pflanz- und Pflegeaktionen, welche den MieterInnen ihre neuen Flächen näherbrachten.
Dicke Pollenhöschen und gaukelnde Sommervögel
Besonders erfreulich ist der stetige Zuwachs des Artenspektrums auf den Modellflächen. Tierökologische Studien von ausgewiesenen Entomologen begleiten das Projekt seit Beginn an. Auf den 6.000 Quadratmetern der Berliner Modellflächen konnten gut 100 Wildbienenarten nachgewiesen werden. Auf der umgestalteten Fläche in Berlin-Reinickendorf finden wir nun 3-mal so viele Arten, wie auf dem benachbarten klassischen Abstandsgrün. Die Zahlen der fleißigen Bestäuber haben sich somit seit dem Projektbeginn nachweislich vervielfacht. Auch die Beobachtungen der Tagfalter geben Anlass zur Freude. Hauhechel-Bläulinge beim Ablegen ihrer Eier am Hornklee im Spandauer Innenhof oder Wiesenvögelchen und Perlmuttfalter auf blütenreichem Abstandsgrün zeugen von der neuen Lebensqualität.
„Wir haben festgestellt, dass sowohl Artenzahl, als auch Individuendichten schon nach kurzer Zeit zunehmen: ein toller Erfolg für unsere Insekten!" resümiert Dr. Oliver Schmitz von der Entomologischen Gesellschaft ORION-Berlin, zuständig für die Kartierung der Tagfalter. Besonders erfreulich ist es laut dem Schmetterlinsgkundler, dass sich die Tagfalter auf den Flächen reproduzieren. Die Tiere besuchen die Flächen also nicht nur um Nektar zu saugen, sondern nutzen ihn als geeigneten Lebensraum für ihren Nachwuchs.
Wildwuchs nach Maß - Pflege naturnaher Flächen
Der natürlichen Ordnung mehr Freiraum geben, dazu braucht es etwas Mut. „Auf den Anlagen die ich kenne, ist sowas sonst ein NoGo" versichert uns Andreas, Vorarbeiter eines Berliner GaLaBau-Unternehmens, bei der gemeinsamen Herbstpflege.
GärtnerInnen im Garten- und Landschaftsbau lernen in ihrer beruflichen Grundbildung vieles zur Bedeutung von Lebensräumen für Mensch, Tier und Pflanze. Im beruflichen Alltag haben sie mit diesen Inhalten aber weniger Kontakt. Grund genug gerade junge Menschen an die Pflege naturnaher Flächen heranzuführen. Die Schulungen für den Nachwuchs werden nun intensiviert und modular aufgebaut. Damit können Gärtnerinnen und Gärtner schon in der Ausbildung ein Gespür für die Wertigkeit naturnaher Flächen bekommen. Wenn fachgerechte Anlage und Pflege sichergestellt werden, können die „Treffpunkte der Vielfalt" einen echten Mehrwert für das gesamte Quartier bewirken. Naturnahe Erlebnisräume direkt vor der eigenen Haustür können zudem helfen das Thema "biologische Vielfalt" in weite Teile der Bevölkerung zu transportieren.
An die Schippen – fertig – los!
Dem Wohnungsbau wird hier ein weiteres Maßnahmenfeld im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens aufgezeigt – die Erhaltung von biologischer Vielfalt durch ein ökologisches Grünflächenmanagement. So kann die Branche zukünftig auf ihre Weise einen konkreten Beitrag zur Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie vor Ort leisten. Das wohnungsnahe Abstandsgrün kann mehr als Thuja und Buchsbaum. Dafür braucht es aber noch mehr zukunftsorientierte Wohnungsunternehmen, die mitmachen. Wir brauchen ein Mosaik von naturnahen Flächen in unseren Städten. Der Wohnungsbau kann hier sein riesiges Potenzial ausschöpfen. „Aber auch alle anderen Flächen bergen Potenzial zur Verbesserung der Artenvielfalt: Privatgärten, Firmen-, Schul- und Kitagärten, selbst jeder Balkon kann zu einer Oase des Lebens umgestaltet werden.Jeder kann etwas tun.", so Dr. Corinna Hölzer, Leiterin der Stiftung für Mensch und Umwelt.
Lebensräume für Wildbienen schaffen – lieber ohne Insektenhotels
Die positive Veränderung auf diesen großen Flächen ist beeindruckend und messbar. Insekten brauchen vielschichtige Lebensräume mit Futterquellen und natürlichen Nistmöglichkeiten Die beliebten künstlichen Nisthilfen sind schön, um die Tiere beim Brutgeschäft zu beobachten, aber dem Naturschutz dienen sie nicht. Nur wenige Arten siedeln sich dort an, die zudem auch häufig sind. Ungefähr 75% aller Wildbienenarten nisten unterirdisch und sind auf „kahle Stellen" mit Sand oder Lehm angewiesen, in die sie ihre Höhlen bauen können. Auch andere Strukturen wie Totholzecken, Trockenmauern und Lehmkanten helfen den Wildbienen mehr als jedes „Insektenhotel". Da solitär lebende Wildbienen nur einen geringen Flugradius haben, ist ein üppiges Nahrungsangebot in der direkten Nähe unabdingbar. Sorgen Sie für eine reiche Auswahl heimischer Pflanzen in Ihrem Garten mit einem Blühangebot über das ganze Jahr und schon bald wird Ihr Garten summen!
Eine besondere Wildbiene - Zahntrost-Sägehornbiene (Melitta tricincta, KIRBY 1802)
Die von August bis September fliegende Zahntrost-Sägehornbiene ist mit ihren 10 bis 12 Millimeter Körperlänge etwa so groß wie eine Arbeiterin der Westlichen Honigbiene (Apis mellifera). Die Fühlerglieder der Männchen haben einen für die Bienengattung Melitta typisches sägeartiges Aussehen, was sich auch in der deutschen Namensgebung widerspiegelt. Der schwarze Körper ist durch schmale, weiße Hinterleibsbinden an den Enden der Hinterleibsegmenten gekennzeichnet.
Man findet die Zahntrost-Sägehornbiene von Portugal bis zum östlichsten Teil des europäischen Russlands. Im Norden erreicht ihre Verbreitung England und Schweden. Ebenfalls bekannt sind Vorkommen auf Sizilien und Bulgarien. In Deutschland ist sie weit verbreitet, aber selten. In allen Bundesländern ist sie mit einem unterschiedlichen Gefährdungsgrad in der Roten Liste der bedrohten Tierarten aufgeführt (siehe Verbreitungskarte). Neben Brach- und Ruderalflächen finden wir mitunter größere Bestände in Sand, Kies- und Lehmgruben, an sonnenbeschienenen Dämmen, Magerrasen, Feuchtwiesen und extensiv genutztem Grünland. Die Wahl ihres Lebensraumes ist dabei stets an ausreichend große Bestände vom Zahntrost (Odontites, Orobanchaceae) gebunden.
Die solitär lebende Wildbienenart hat beim Nestbau keinerlei Präferenzen für das Bodensubstrat. Auch im Deckungsgrad der Vegetation ist sie variabel und nutzt schütter bis dicht bewachsene Flächen mit unterschiedlicher Neigung. Ähnlich wie bei Sandbienen (Andrena), bestehen ihre Nester aus einem Hauptgang mit mehreren Seitengängen, die in Brutzellen enden. Die einzelnen Brutkammern werden mit einer dünnen wachsartigen Substanz ausgekleidet.
Bei der Nahrungsaufnahme ist unsere Sägehornbiene äußerst wählerisch. Die streng oligolektische Wildbienenart sammelt einzig und allein an der Pflanzengattung des Zahntrosts (Odontites). In Deutschland sammelt sie Pollen und Nektar am Roten Zahntrost (Odontites rubra) und am Gelben Zahntrost (Odontites luteus). Ohne den Zahntrost kann sie ihre Nachkommen nicht versorgen.
Deutschland summt! – Summen Sie mit?
Mittlerweile sind mehr als die Hälfte der über 550 heimischen Wildbienen-Arten in ihrem Bestand bedroht. Helfen Sie mit, sie zu schützen! Am meisten Spaß macht die Umgestaltung des Gartens zusammen mit einer Gruppe und im Wettbewerb mit anderen. Tun Sie Gutes und reden Sie drüber, um möglichst viele Menschen für die Biodiversität vor der eigenen Haustür zu begeistern! Machen Sie mit beim Deutschland summt!-Pflanzwettbewerb.
Kontakt: Stiftung für Mensch und Umwelt, Dr. Corinna Hölzer | wettbewerb[at]deutschland-summt.de | www.wir-tun-was-fuer-bienen.de
Umwelt | Biodiversität, 01.02.2023
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