Mit fairem Handel Fluchtursachen reduzieren
Der aktuelle Kommentar von Christiane Lüst über eine verfehlte Handelspolitik
Täglich lesen wir von der zunehmenden finanziellen und personellen Überforderung der Kommunen durch die ununterbrochen steigenden Flüchtlingszahlen. Dass die Ursachen mit uns zu tun haben und wir etwas tun können, sie zu beseitigen - darüber sollte ebenfalls gesprochen werden.
Regelmäßig hören wir aus Kalabrien, dass täglich Schiffe mit neuen Geflüchteten ankommen – und es werden immer mehr. Vor ein paar Tagen hat uns eine Nachricht aus Bari erreicht – dass dort mittlerweile Geflüchtete aus 22 Ländern ankommen.
Hausgemachte Fluchtursachen
Und andauernd hören wir aus der Politik, dass neue Abkommen wie Mercosur geschlossen werden. Mercosur ist das für den Sommer geplante Freihandelsabkommen der EU mit Brasilien, Argentinien und Uruguay. Es wird von Deutschland gewollt, weil es unter anderem unsere Autoindustrie unterstützt: Die ab 2035 verbotenen Verbrennermotoren sollen dann nach Südamerika geschickt werden und neue Absatzmärkte für die arme Autoindustrie erzeugen. Die Gegenleistung ist unter anderem Rindfleisch aus Südamerika – damit man nicht soviel Gensoja importieren muss, sondern gleich das fertige in Südamerika mit Gensoja gefütterte Rind importieren kann. Durch das Abkommen werden auch Kontrollen und Zölle abgebaut, was bedeutet, dass wir umso mehr mit Pestiziden kontaminierte Genprodukte, die in Europa verboten sind, importieren werden. Gleichzeitig liefern wir mittlerweile Panzer in Kriegsgebiete, denken über Kampfjets für die Ukraine nach und machen durch unsere enormen Waffenexporte die Rüstungskonzerne noch reicher, während der Hunger – und damit auch die Fluchtzahlen – in Afrika und anderswo weiter steigt. Alles politische Handlungen, die Fluchtursachen nicht bekämpfen, sondern weiter Fluchtursachen massivst erzeugen.
Es fällt auf uns zurück
Allein durch Mercosur wird der Hunger in Südamerika, den man früher nicht kannte, weiter massivst steigen – denn Länder, die dabei unterstützt werden, nur noch für den Export zu produzieren, haben immer weniger für die Ernährung der eigenen Bevölkerung! Die geplante Rindfleischexporterhöhung durch Mercosur steigt in den Mercosurländern Argentinien und Brasilien zum Beispiel über 50 Prozent. Die von Hunger betroffenen Menschen machen sich natürlich verstärkt auf und stehen dann immer mehr an der Mauer in Mexiko, weil sie ins gelobte Land wollen und keine Alternative mehr haben. Genau wie sie in Europa stehen, aus Afrika und anderswo.Zusätzlich betreibt der Westen eine verfehlte Entwicklungshilfepolitik: Allzu häufig exportiert er Nahrungsmittel seiner Großindustrie in die notleidenden Länder, statt in den betroffenen Gebieten die Kleinbauern zu unterstützen. Dadurch subventioniert der Westen seine eigene Wirtschaft, während er die Nehmerländer in Abhängigkeit hält.
Nebenbei bemerkt erzeugen wir durch all das auch "Flucht" bei uns: unsere Kleinbauern werden Jahr für Jahr weniger; und durch den mit Mercosur dann subventionierten steigenden Fleischimport werden auch die noch verbliebenen Bauern verstärkt bankrott gehen, weil ihr Fleisch dann keiner mehr haben will. Liebe Politik, das muss geändert werden! Sofort!
Warum fairer Handel?
Doch wenn wir auf die Politik warten – ist es zu spät. Wenn wir möchten, dass sich etwas ändert, müssen wir auch fair einkaufen! Und den Erzeugern faire Preise zahlen – ob Bauern bei uns (faire Milch, faires Fleisch) oder anderswo in der Welt.Weil faire Preise für den Produzenten eine ausreichende Bezahlung sicherstellen und er dort bleibt und produziert, wo er lebt und nicht gezwungen wird, aufgrund von Dumpingpreisen Kinder auszubeuten, Sklaven zu beschäftigen oder seinen Betrieb aufgeben zu müssen wegen Unrentabilität! Niemand von uns arbeitet gerne unterbezahlt! Was du nicht willst, das man dir tu – das füg auch keinem anderen zu!
DARUM ist es dringend an der Zeit, in unseren Landkreisen, Kommunen und Städten die Fairtrade-Bemühungen massivst zu verstärken! Je mehr und damit gerechter wir das tun, desto mehr können wir die Fluchtursachen stoppen. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich zusätzlich zum fairen Einkaufen in einer Fair-Trade-Gruppe Ihrer Region engagieren! Nicht zuletzt reduzieren wir damit auch zunehmend die Flüchtlingsströme in den Norden. Weitere Infos gern im ÖKo & Fair Gauting.
Christiane Lüst ist Sozialpädagogin und betreibt seit 17 Jahren ein Umweltzentrum mit Fairtrade-Café und Hofladen, das "ÖKo & Fair". In diesem Rahmen engagiert sie sich für die Umwelt und vor allem für den fairen Handel. Zudem ist sie Sprecherin der fairen Metropolregion München. Weitere Infos: nocap.oeko-und-fair.de, www.stopptgennahrungsmittel.de
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