Mutterschaft bleibt ein Karrierehindernis
2. Frankfurter Karrierestudie belegt erneut Nachteile bei Gehalt und Chancen für Frauen mit Kind
Die Karrierebedingungen für Frauen mit Kindern sind immer noch von Diskriminierung und Hindernissen geprägt. Im Vergleich lässt sich im letzten Jahrzehnt in einigen Bereichen eine leichte positive Veränderung erkennen.
Die Datengrundlage
Befragt wurden 2.000 berufstätige Mütter im Alter zwischen 31 und 40 Jahren (43 Prozent) bzw. 41 bis 50 Jahren (37 Prozent). Im Durchschnitt hatten die Befragten 1,8 Kinder, das Alter der Kinder war breit gestreut. Um Veränderungen im Zeitverlauf zu erkennen, wurden die Antworten in zwei Gruppen ausgewertet, je nachdem, ob die Geburt vor oder nach 2010 erfolgte. 81 Prozent der Befragten stammten aus Westdeutschland, 19 Prozent aus Ostdeutschland (inklusive Berlin). Die Mehrheit besaß eine überdurchschnittlich gute Berufsausbildung: Fast zwei Drittel wiesen ein abgeschlossenes (Fach-) Hochschulstudium auf, 8 Prozent waren promoviert, 22 Prozent hatten eine berufliche Ausbildung absolviert, 24 Prozent waren Frauen in Führungsfunktionen. „Insofern sind die Ergebnisse vor allem für das Segment der hoch qualifizierten, in größeren Unternehmen tätigen Mütter aussagekräftig", erläutert Prof. Dr. Yvonne Ziegler.
Die Ergebnisse
Schon die 1. Studie entkräftete das Vorurteil, Beruf und Karriere würden für Frauen unwichtig, sobald sie Mütter werden. Daran hat sich nichts geändert: 35 Prozent und somit die größte Gruppe der Befragten der aktuellen Studie gaben an, dass für sie Beruf und Familie gleich wichtig sind und daher das berufliche Engagement einen hohen Stellenwert in ihrem Leben hat; bei Frauen in Führungsverantwortung war dieser Anteil mit 46 Prozent noch höher.
Fast die Hälfte (45 Prozent) der Studienteilnehmerinnen nahm pro Kind eine Auszeit zwischen sieben und zwölf Monaten in Anspruch; nur ein recht kleiner Anteil der Mütter (14 Prozent) unterbrach die berufliche Laufbahn länger als zwei Jahre; lediglich 5 Prozent nutzten die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit für eine dreijährige Elternzeit. Kürzer pausieren Frauen in Führungspositionen: 29 Prozent von ihnen blieben nur sechs Monate und weniger zu Hause. Insgesamt sind 62 Prozent aller Frauen nach zwölf Monaten wieder am Arbeitsplatz.
Wie erfolgt der Wiedereinstieg nach der Babypause? Die Mehrheit der Frauen (76 Prozent) kehrt nach der Auszeit zu ihrem „alten" Arbeitgeber zurück: 32 Prozent übernahmen wieder ihre ursprüngliche Position unverändert, 24 Prozent übernahmen die ursprüngliche Position mit veränderten Rahmenbedingungen und 20 Prozent übernahmen eine neue Position innerhalb der Firma. Von den Frauen mit einer neuen Position waren weniger Frauen (68 Prozent) zufrieden als die, die auf ihre ursprüngliche Position zurückgekehrt waren (85 Prozent). Die Gründe für die Unzufriedenheit: veränderte Arbeitsbedingungen, uninteressantere Aufgaben, kaum Aufstiegschancen sowie eine schlechtere Bezahlung. 15 Prozent nannten zudem ein schlechtes Betriebsklima, fehlende Flexibilität Müttern gegenüber, keine Rücksichtnahme auf Urlaub oder Krankheit.
Viele Mütter treten im Beruf auf der Stelle: Die befragten Frauen erlebten bei ihrer Rückkehr Karrierenachteile. Bei 18 Prozent wurden anstehende Karriereschritte gestrichen und bei 33 Prozent wurden diese auf Eis gelegt. Weiterhin gab es nach der Rückkehr Nachteile bei der Gehaltsentwicklung: Bei 19 Prozent der Frauen mit anstehenden Gehaltserhöhungen wurden diese gestrichen, bei 13 Prozent wurden sie mit größeren Abständen umgesetzt und bei 8 Prozent in verminderter Höhe.
Die Befragten gaben häufiger an, stark im Rahmen einer Vollzeittätigkeit gefördert worden zu sein (49 Prozent). Von den Müttern in Teilzeit fühlten sich nur 17 Prozent stark gefördert. 38 Prozent gaben sogar an, in Teilzeitpositionen nicht gefördert worden zu sein. Als Karrierehindernis erwiesen sich nach Angaben der Mütter in Führungsverantwortung am häufigsten Männernetzwerke. Mütter ohne Führungsverantwortung nannten hauptsächlich fehlende Aufstiegsmöglichkeiten und Vorurteile gegenüber Müttern.
Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge
„Die geschilderten Erfahrungen belegen auch, dass sich für Frauen seit 2010 in einigen Bereichen der Arbeitswelt Verbesserungen zeigen", erläutert Prof. Dr. Regine Graml. „Unsere These, dass die Schwangerschaft der Mitarbeiterinnen in deutschen Unternehmen als ein notwendiges Übel angesehen wird, das die Arbeitsorganisation verkompliziert, konnte nicht bestätigt werden." 80 Prozent der befragten Mütter erhielten von ihrer Führungskraft entweder eine neutrale oder eine positive Reaktion auf ihre Schwangerschaft. Nur 18 Prozent bekamen eine negative Reaktion. „Aber 18 Prozent sind immer noch zu viel", stellt Graml klar.
54 Prozent der Mütter gaben an, dass sie Beruf und Familie gut vereinbaren können, 28 Prozent sogar sehr gut, 17 Prozent nicht so gut. „Aus den offenen Antworten ist jedoch auch ersichtlich, dass dafür häufig die Hilfe der Verwandtschaft, von Großeltern und Freunden in Anspruch genommen wird. Die Kombination von Beruf und Familie resultiert zudem in einer hohen Doppelbelastung der Mütter", so Graml. Mütter mit Kindern, die ab 2010 geboren wurden, erfuhren deutlich häufiger Unterstützung durch die Elternzeitnahme des Partners als die Mütter, die ihre Kinder vor 2010 geboren hatten.
Bei den Vorschlägen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie stehen Konzepte zur Flexibilisierung der Berufstätigkeit ganz vorne: u.a. das Arbeiten von zu Hause (77 Prozent) und qualifizierte Teilzeittätigkeiten (77 Prozent). Weitere wichtige Forderungen sind das Freihalten von Abenden und Wochenenden, die Einrichtung von Arbeitszeitkonten und Jobsharing. Weiterhin hält die große Mehrheit der Mütter (71 Prozent) eine Bewusstseinsänderung bei Führungskräften und im Kollegium für wichtig. „Ebenso wäre von Unternehmerseite unbedingt die Vorherrschaft einer Präsenzkultur, die in traditionellen Unternehmen häufig noch vorherrscht, zu überdenken. Weg von der herrschenden Präsenz- und hin zu einer rein leistungsorientierten Kultur. Das Erreichen vereinbarter Ziele sollte wichtiger sein als die unbedingte physische Anwesenheit", so Graml und Ziegler übereinstimmend.
Empfehlungen der Wissenschaft
„Um die Möglichkeiten des Home-Office zu erhöhen, wäre die verstärkte Einführung von hybriden Arbeitsmodellen sinnvoll. Hier hat die Covid19-Pandemie bereits starken Vorschub geleistet und Unternehmen haben Erfahrungen mit Home-Office Tätigkeiten gesammelt", so die Studienleiterinnen. Eine Ausschreibung aller Stellen sowohl als Teilzeit-, Vollzeit- und Jobsharing-Stelle führt nach aktuellen Studien dazu, dass sich die Anzahl der Bewerber/-innen verdoppelte. Dabei erhöhte sich der Frauenanteil an den Bewerbungen insgesamt um 16 Prozent und an den Führungspositionen um 19 Prozent. Als für deutsche Unternehmen nachahmenswert halten Ziegler und Graml das Beispiel des ,30 Prozent Clubs‘. Dieser 2010 in Großbritannien gegründete gemeinnützige Verband von Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführern setzt sich für ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis ein. Konkret sollen zunächst 30 Prozent aller Top-Managementpositionen weltweit mit Frauen besetzt werden. Der Verband vertritt den Standpunkt, dass eine Quotenregelung nicht ausreiche, weswegen seine Mitglieder auf nachhaltigere Veränderungen drängen.
Ausblick
Das zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II), das im August 2021 in Kraft trat, schuf erstmalig eine verbindliche Frauenquote für Vorstandspositionen der großen, deutschen Unternehmen. „Es wird aber wegen zu vieler Schlupflöcher für Unternehmen den Anteil der Frauen in Führungspositionen nicht nachhaltig erhöhen und kann lediglich eine Vorbildfunktion für weitere Gesetzesvorgaben haben, ähnlich wie bei der Aufsichtsratsquote", ist Prof. Dr. Yvonne Ziegler überzeugt. Bei den Plänen der Ampelkoalition zur Abschaffung des Ehegattensplittings sei es aktuell noch zu früh für eine Bewertung. „Es wäre wünschenswert, wenn steuerrechtliche Anreize wegfallen würden, die verhindern, dass Mütter in ihren Beruf zurückkehren."
Gegenstand weiterer Forschungsstudien sei auch die Frage, inwieweit die fortschreitende Digitalisierung während der Corona-Pandemie dazu beitragen kann, die Arbeitswelt weiter zu flexibilisieren. Ziegler: „Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen muss dem Thema Karriereperspektiven berufstätiger Mütter weiterhin besondere Aufmerksamkeit in Forschung, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geschenkt werden."
Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 3: Wirtschaft und Recht
Prof. Dr. Yvonne Ziegler | Tel. +49 69 1533-2922 | yziegler@fb3.fra-uas.de
Prof. Dr. Regine Graml | Tel. +49 69 1533-2918 | graml@fb3.fra-uas.de
Weitere Informationen zum Fachbereich Wirtschaft und Recht unter: www.frankfurt-university.de/fb3
Quelle: Frankfurt University of Applied Sciences
Wirtschaft | Führung & Personal, 03.04.2023
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