Pflanzliche Ernährung

Ein Plus für die Welt

Was haben Profi-Sportler wie der Fußballer Timo Hildebrand, der siebenmalige Mr Olympia Arnold Schwarzenegger, Tennisspieler Novak Djokovic und viele andere Spitzensportler gemeinsam? Einen veganen Lifestyle. Egal ob man dickere Muskeln, eine höhere Ausdauer oder einfach nur gesünder leben möchte – eine pflanzliche Ernährung hilft. Dabei kann diese ganz nebenbei auch das Klima, sowie Tier- und Menschenleben retten. Durch Vegetarismus auf etwas verzichten, muss heute keiner mehr. Dennoch halten viele Menschen an ihrer fleischhaltigen Ernährung fest – Zeit, mit ein paar Mythen aufzuräumen und ein paar Fakten zu bringen.

Frisches Gemüse aus dem forum Gemeinschaftsgarten. Pflanzliche Ernährung spart im Vergleich zu tierischen Lebensmitteln ein Vielfaches an Ressourcen und ist in der Lage, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. © Fritz LietschWeltweit essen Menschen Fleisch. Viel Fleisch. Pro Kopf und Jahr durchschnittlich 57 Kilogramm. Die Deutschen toppen das mit 88 Kilogramm pro Jahr mit Leichtigkeit. Auf ein Leben hochgerechnet essen sie im Durchschnitt circa 900 Hühner, 46 Schweine und vier ganze Rinder.

Die Folgen für die Umwelt
Die Fleischindustrie ist eine der Hauptursachen des Klimawandels. Fast ein Fünftel der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus der Viehhaltung. Angesichts dessen verblassen sogar die Verkehrsemissionen mit ihrem weltweiten Anteil von 14 Prozent.

Damit nicht genug: Täglich werden über 410 Millionen Quadratmeter Regenwald abgeholzt oder einfach verbrannt. In jeder Minute, in der Sie diesen Artikel lesen, verliert die Lunge der Erde über 30 Fußballfelder an Volumen. Ein Drittel dieser Fläche wird für die Nutztierhaltung oder deren Futtermittelanbau verwendet. Auch Deutschland bezieht fast 30 Prozent seines Tierfutters für Schweine und Geflügel aus jenen abgeholzten Gebieten.

Hinzu kommt ein entscheidender Punkt. Die Herstellung von Fleisch und anderen tierischen Produkten verbraucht unverhältnismäßig mehr Landmasse und Wasser als jedes pflanzliche Nahrungsmittel. Für ein Kilogramm Kartoffeln beispielsweise braucht man ungefähr 0,3 Quadratmeter Fläche und etwa 500 Liter Wasser. Für ein Kilogramm Rindfleisch benötigt man zwischen 27 und 49 Quadratmeter Fläche und etwa 15.000 Liter Wasser. Das benötigte Wasser lässt in der Folge das Grundwasser sinken und befördert so den Klimawandel. Diese Vergleiche könnte man mit beliebigen Fleisch- und Gemüsesorten durchrechnen – die Ergebnisse wären alle ähnlich dramatisch.

Die Welt leidet, das Tier auch – und der Mensch?
Nicht zu vergessen: Der Tierschutz. Wo sich Schweine eingepfercht auf wenige Quadratmeter gegenseitig Ohren und Schwänze abkauen oder Küken lebendig in einen Schredder geworfen werden, ereignen sich jeden Tag herzzerreißende Szenen. Allein in Deutschland werden jede Minute 112 Schweine und 1200 Hühner geschlachtet. Das bringt neben Profit und Nahrung eben auch ganz besonders eines: Leid – ein Leid, das auch die Milchkühe betrifft. Und: Nutztiere bekommen in vier Wochen durchschnittlich sechs Mal Antibiotika. Dieses nimmt der Mensch über das Fleisch auf und verliert dadurch zunehmend seine wichtige Immunabwehr gegenüber bakteriellen Krankheiten. Studien zeigen immer wieder, wozu der übermäßige Konsum von tierischen Produkten führen kann. Von Diabetes-Typ-2 über verschiedene Krebsarten bis hin zu Arteriosklerose – vor allem rotes Fleisch erhöht das Erkrankungsrisiko enorm. Es ist einer der häufigsten Auslöser von Herzkreislaufbeschwerden, weltweit die häufigste Todesursache beim Menschen. Dennoch schwören viele weiterhin auf ihr gutes Steak. „Ohne Fleisch haben wir einen Vitamin-B12-Mangel”, „der Mensch braucht die Proteine” oder „nur aus Fleisch bekommen wir das nötige Eisen” sind Sätze, bei denen viele Fleischkonsumenten zustimmend nicken würden.

Ernährungsmythen – schauen wir doch mal
In Punkto Vitamin B12 haben Fleischkonsumenten tatsächlich Recht, aber auch nur bedingt. Es stimmt, dass nur in tierischen Produkten Vitamin B12 vorhanden ist. Vitamin B12 wird nur von Mikroorganismen, also Bakterien und anderen Einzellern produziert. Diese werden in der Natur von den Tieren über die Nahrung aufgenommen und über ihr Fleisch an uns Menschen weitergegeben. Veganer sollten also ein Vitamin- B12-Präparat zu sich nehmen, um den Mangel auszugleichen.

Nur haben Masttiere aufgrund der überwiegend sterilen, bakterienarmen Nahrung im Mastbetrieb und dem übertriebenen Einsatz von Antibiotika oft ebenfalls einen Vitamin-B12-Mangel. Um diesem Mangel vorzubeugen, geben die Landwirte ihnen – ganz genau: Vitamin-B12-Präparate. Die Frage ist also nur, ob man die Präparate selbst einnimmt oder sie vorher seinem Essen eingeben lässt.

Immer mehr Spitzensportler, wie etwa der Tennisprofi Novak Djokovic setzen auf die geballte Power der Pflanzen. Bodybuilder-Legende Arnold Schwarzenegger erklärt, dass er sich mit vegetarischer Ernährung viel besser fühlt. © 123rf / filedimageIn Sachen Protein muss man das Argument der Fleischkonsumenten allerdings abweisen. Das proteinreichste Fleisch im Supermarkt ist das Hühnchen. Mit über 25 Gramm tierischem Eiweiß pro 100 Gramm ist dieses auch tatsächlich ein großer Eiweißlieferant. Aber es liefert eben nicht nur das. Es liefert auch Tierleid, Klima-, und Herzkreislaufschäden. Dann hätten wir da Seitan, ein aus Weizeneiweiß gewonnener Fleischersatz. Er ist zu hundert Prozent pflanzlich, enthält viele Vitamine, ist dazu sehr fettarm und hat bis zu 30 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm (und in Pulverform bis zu 75 Gramm) – genau das Richtige für jeden hart arbeitenden Bauarbeiter oder Bodybuilder. Und als kleiner Bonus ist es eben auch noch gesund, klima- und tierfreundlich. Daneben gibt es auch viele proteinreiche Gemüsesorten. Mais, Soja, Kidneybohnen, Spinat oder Brunnenkresse sind nur einige Beispiele.

Dass wir das Fleisch des Eisens wegen essen müssen, ist glücklicherweise ebenfalls ein Irrglaube. In vielen Hülsenfrüchten wie Linsen, Erbsen und Kichererbsen ist viel Eisen enthalten. Auch in Quinoa, Sesam, Mohn, Pistazien oder Sonnenblumenkernen ist es genügend vorhanden, um bei einer ausgewogenen pflanzlichen Ernährung den Bedarf eines Menschen zu decken. Die Pflanzenwelt bietet also auch in diesem Punkt mehr als genug Ausweichmöglichkeiten.

Wie sollte die Ernährung aussehen?
Wie aber sollte eine ausgewogene Ernährung aussehen? Grundsätzlich kann man sagen: Eben genau wie eine normale, ausgewogene Ernährung – nur eben ohne tierische Produkte. Zu Beginn reicht es völlig aus, sich langsam an die pflanzliche Ernährung heranzutasten, Rezepte auszuprobieren und sich auf Neues einzulassen. Wenn man die tierischen Produkte streicht, sollte man dafür sorgen, dass diese durch andere eiweißhaltige Produkte wie Soja, Tofu, Seitan oder Gemüse wie Spinat, Mais, Rosenkohl, Brokkoli, Pilze oder andere Proteinträger ersetzt werden. Wichtig ist, den Vitamin-B12-Mangel durch entsprechende Präparate auszugleichen. Hierbei zahlt es sich gegebenenfalls aus, einen Blutspiegel zu veranlassen, um festzustellen, wie stark der Mangel genau ausgeprägt ist.

Ansonsten empfiehlt sich das Tellerprinzip: 50 Prozent des Tellers mit Gemüse, 30 Prozent mit einem Eiweißlieferant wie Tofu, Seitan oder Hülsenfrüchten und 20 Prozent mit einem Kohlenhydratlieferant wie Kartoffeln oder Reis befüllen. Im Internet gibt es viele entsprechende Ratgeber, die bei einem geplanten Einstieg herangezogen werden können, wie zum Beispiel die „Vegan" der Albert Schweizer Stiftung.

Ein paar schöne Fakten
Neben der bereits beschriebenen massiven Entlastung unserer Umwelt, dem Plus für das Tierwohl und die Gesundheit kann die pflanzliche Ernährung noch etwas anderes: Sie kann die globale Lebensmittelsicherung positiv beeinflussen.

Wenn Menschen wegen Armut, Klimawandel, Krieg und Hunger ihre Heimat verlassen müssen, ist das ein Armutszeugnis für die globale Solidarität. © UNHCRDa die Tierhaltung und der Anbau von Futtermitteln so enorm viel Platz verschlingen, bleibt weniger Platz für den Anbau von pflanzlicher Nahrung. Würde man beispielsweise in den USA auf die Tierhaltung verzichten und nur Nahrung für den Menschen anbauen, könnte man 350 Millionen Menschen zusätzlich ernähren. Der durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Getreidenotstand wäre dann wohl kaum ein Problem gewesen. Auch in Deutschland sind über 50 Prozent der Anbauflächen für Tiernahrung vorbehalten. Wenn wir die weltweiten Futteranbauflächen halbieren würden, hätten wir Essen für mehr als zwei Milliarden zusätzliche Menschen.

Während durch Fleisch viele vaskuläre Krankheiten ausgelöst werden können, kann eine pflanzliche Ernährungsweise diese verhindern und sogar bereits herausgebildete Risiken wieder minimieren.

Eine Studie von Elsevier Inc belegt, dass eine vegane Diät dabei helfen kann, dass sich vorhandene Ablagerungen in den Arterien zurückbilden und sich der Blutfluss wieder verbessert. Eine andere Studie an weiblichen Sportlern hat gezeigt, dass Sportler, die sich vegan ernähren, über eine deutlich höhere Sauerstoffsättigung im Blut verfügen und eine höhere Leistungsfähigkeit zeigen. Auch Arnold Schwarzenegger sagt, dass er sich, seitdem er einen pflanzlichen Lifestyle pflegt, jünger und aktiver fühlt.

Ein Ausblick
Ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft könnte das „True- sein. Die „True Costs”, das sind neben dem Preis, den die Herstellung eines Produkts direkt kostet, auch die Schäden, die durch den Landverschleiß, den Wasserverbrauch und den Treibhausgasausstoß entstehen. Der Produktpreis sollte dementsprechend angehoben werden, damit die Hersteller in der Lage sind, die durch ihre Produktion angerichteten Umweltschäden wiedergutzumachen. Dieses Konzept findet seit einigen Jahren auch Anklang auf europäischer Ebene und könnte die Kundinnen und Kunden vorab informieren, worauf sie sich beim Kauf eines Produkts einlassen, und die Firmen zwingen, einen Teil ihrer Einkünfte in Regenerationsprojekte wie Aufforstung oder Wasseraufbereitung zu investieren.

Fest steht, wir müssen unsere Welt umdenken. Die Art, wie wir Energie erzeugen, die Art, wie wir uns Fortbewegen, die Art, wie wir unsere Konsumgüter produzieren und eben auch, wie wir essen. Die Nahrungszufuhr mit Fleisch hat viele Menschen Jahrtausende lang ernährt und es war ein wichtiger Teil der evolutionären Entwicklung. Doch nach dem heutigen Wissensstand und, noch wichtiger, angesichts der Herausforderungen, vor denen die heutige Welt steht, ist es an der Zeit, ein neues Zeitalter der Ernährung einzuläuten.

Ulli Kuhn ist angehender Journalist. Durch seine Arbeit möchte er vor allem die Demokratie fördern und zu einer positiven Entwicklung der Gesellschaft beitragen.

Lifestyle | Essen & Trinken, 01.06.2023
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2023 mit dem Schwerpunkt: Künstliche Intelligenz - Künstliche Intelligenz oder natürliche Dummheit? erschienen.
     
        
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