NaturVision als Schaufenster des Natur- und Umweltfilms
Emotionale Preisverleihung in Ludwigsburg
Mit drei herausragenden Programmpunkten – darunter die Verleihung des NaturVision Ehrenpreises an Filmemacher Bertram Verhaag – wurde das 22. NaturVision Filmfestival im Central Filmtheater eröffnet. 14 Filmpreise und eine Special Mention in insgesamt 12 Kategorien wurden bei der Preisverleihung des NaturVision Filmfestivals am Samstagabend vergeben. Auf den scheidenden Festivalleiter Ralph Thoms warteten emotionale Überraschungen. „Tiere, die mit ihren Reizen geizen" gewinnt NaturVision Publikumspreis.
„Das NaturVision Filmfestival gilt es zu fördern, um Bildung und Information gerade zum Thema Klimawandel in die breite Öffentlichkeit zu bringen", sagte die Ludwigsburger Bürgermeisterin Andrea Schwarz zum Auftakt der Eröffnungsfeier des Festivals.
Auch Staatssekretär Christian Kühn (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbrauchschutz) sieht in der Arbeit von NaturVision einen großen Mehrwert für die Gesellschaft: „Natur- und Umweltfilme bergen die Chancen, Menschen auf einer tieferen, emotionaleren Ebene zu erreichen als mit politischen Botschaften. Bilder berühren einen, Geschichten, die erzählt werden, machen Ideen greifbar, sie hinterlassen eine tiefere Spur und zeigen Perspektivwechsel. Ich glaube der Film, gerade der Dokumentarfilm, kann etwas verändern und kann auch die Welt verändern. Und so ein Festival ist ein Schaufenster für dieses Genre." Als besondere Überraschung überreichte er dem Gründer von NaturVision Ralph Thoms, der sich mit diesem Festival als Leiter verabschiedet, eine Urkunde von Bundesumweltministerin Steffi Lemke für sein außerordentliches Engagement: Mit Umweltbildungsarbeit und neuen, innovativen Formaten gelänge es NaturVision, ein Umdenken in unserer Gesellschaft hin zu einer Kultur der Nachhaltigkeit mitanzustoßen.
Ehrenpreis für sein Lebenswerk an Filmemacher Bertram Verhaag
„Ein Pionier des Umweltfilmschaffens" ist für Festivalleiter Ralph Thoms Filmemacher Bertram Verhaag, der mit dem 9. NaturVision Ehrenpreis ausgezeichnet wurde. Mit seinen Filmen über Wackersdorf, Rassismus oder Gentechnik, hat er den Finger in Wunden gelegt. Gleichzeitig ist es ihm gelungen, Filme zu machen, bei denen er Menschen mit der Kamera sehr nahegekommen ist, um subtil und sensibel ihre Botschaften zu vermitteln. In seiner bewegenden Laudatio formulierte es Verhaags langjähriger Kameramann Waldemar Hauschild so: „Mit deinen Filmen teilst du dein Wissen und deine Gedanken. Du rüttelst auf und machst den Menschen Mut, selbst etwas zu bewegen. Immer hast du es mit deiner unnachahmlichen Art geschafft, die Menschen vor der Kamera zu öffnen, ihnen die Scheu vor ihr zu nehmen."
Bestes Beispiel für Verhaags Erzählweise ist sein neuester Film Und es geht doch – Agrarwende JETZT über den Gründer der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall Rudolf Bühler, der nach der Preisverleihung mit seiner Frau Cristina Bühler auf die Bühne kam, um Bertam Verhaag zu gratulieren. Seit 35 Jahren macht er sich für ländliche Regionalentwicklung in seiner Heimat stark und gründete die Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall. Mit acht Bauernhöfen fing alles an, heute sind in der Erzeugergemeinschaft 1.500 Bauern und Bäuerinnen vereint. Verhaags Film ist Bühler und seiner Frau wichtig, um Mut zu machen „zur Agrarwende – zu einer Land- und Ernährungswirtschaft, die zukunftsfähig ist."
Hat die Natur Rechte?
Als Eröffnungsfilm wählte Ralph Thoms die Folge Können Robben vor Gericht ziehen aus der ARTE-Wissensreihe 42 – Die Antwort fast alles. Wir Menschen verursachen gerade ein Massensterben von Arten. Der Film fragt nach, ob es sinnvoll sein kann, Tieren, Pflanzen, Flüssen und Ökosysteme subjektive Rechte zu verleihen, die sie vor Gericht einklagen können. Die Drehbuchautorin Tanja Busse – bekannt auch durch ihr Buch Das Sterben der anderen. Wie wir die biologische Vielfalt noch retten können (Blessing Verlag) – betonte, dass es bei einem Rechtedialog nicht um Verzicht oder ein Gegeneinander geht. „Es geht um das gute Leben, um eine gute Zukunft für uns alle."
Emotionale Preisverleihung
Von NaturVision gehen „Impulse für unsere tägliche Arbeit, für unsere Handlungsfelder im Bereich Umwelt- und Nachhaltigkeit aus", betonte Oberbürgermeister Dr. Matthias Knecht beim Interview mit Moderatorin Dana Hoffmann. Dies ist einer der Gründe, warum die Stadt Ludwigsburg zukünftig als Gesellschafter beim Festival engagiert wird. Für Festivalgründer Ralph Thoms war die diesjährige Preisverleihung seine letzte als Festivalleiter. Die Nachfolge steht fest, wird aber erst im Herbst bekannt gegeben.
Die Filmschaffenden im Saal durften sich über insgesamt 14 Filmpreise in 12 – zum Teil hoch dotierten – Kategorien freuen. So steht die HAHN+KOLB Werkzeuge GmbH, die ihr Firmengelände in innovativer Weise zum Biotop gemacht hat, Pate für den Deutschen Filmpreis Biodiversität. Siegmar Klein, Mitglied der Geschäftsführung, überreichte den Preis an Produzentin Uta von Borries für Eisige Welten. Schon 2011 produzierte die BBC eine aufwändige Serie, die sich auf die Polarregion fokussierte, nun – nur ein Jahrzehnt später – wird deutlich, wie sehr sich diese Welt verändert. „Wir sehen eine Welt, die dabei ist zu verschwinden, während wir sie im Film gerade erst neu entdecken", heißt es in der Begründung der Jury.
Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg dotiert den Deutschen Umwelt- und Nachhaltigkeitsfilmpreis ebenfalls mit 10.000 Euro. Darüber freuen dürfen sich Tom Costello und Benedict Wermter, die mit ihrer investigativen Doku Die Recyclinglüge, die in erschütternder Weise über gängige Mythen des Recyclings aufklären.
Den dritten Hauptpreis des Festivals – den Deutschen Wildlife Filmpreis – statten die Stadt Ludwigsburg und das Central Filmtheater mit insgesamt 10.000 Euro aus. Gewonnen haben ihn Rosie Koch und Roland Gockel für ihren Film Nashörner – mit Herz und Horn, der mit einer unglaublich intimen und zugleich sensiblen Kameraführung in die nur scheinbar heile Welt einer Nashorn-Familie eintaucht.
Den NaturVision Kurzfilmpreis teilen sich in diesem Jahr zwei bildästhetisch starke Filme: Sirens von Ilaria di Carlo und Wrought von Anna Sigrithur und Joel Penner. Dr. Matthias Rossmann von der Audi Stiftung für Umwelt, die den Preis mit 5.000.- Euro dotiert, betonte, dass gerade Kurzfilme für die Arbeit der Stiftung einen großen Mehrwert haben, da sie auf Veranstaltungen immer wieder als Impulsgeber für weiterführende Diskussionen eingesetzt werden können.
Leider ohne Dotierung aber in seiner inhaltlichen Bedeutung auf jeden Fall zu den Hauptpreisen des Festivals gehörig ist der NaturVision Filmpreis Umdenken. Hier werden Filme ausgezeichnet, die von positiven Beispielen gesellschaftlicher Transformation erzählen, von Menschen und Projekten, die Mut machen, sich zu engagieren und Verantwortung für einen gesellschaftlichen Wandel zu übernehmen. Über den Preis freuen darf sich 2023 der Regisseur Nic Balthazar für seine Doku Duty of Care, die eine ungewöhnliche Möglichkeit vorstellt, wie Menschen in Sachen Klimaschutz ihr Gefühl der Machtlosigkeit überwinden können – nämlich den Rechtsweg.
Große Emotionen löste bei der diesjährigen Preisverleihung nicht nur die Bekanntgabe der Preisträger*innen aus, sondern auch die Überraschungen, die auf den scheidenden Festivalleiter Ralph Thoms warteten. Kinobesitzer Claus Wollenschläger, der Ralph Thoms eine Oscar-Figur überreichte, blickte auf 10 Jahre erfolgreiche und auch glückliche Zusammenarbeit mit dem Festival zurück: Alle seine Mitarbeiter*innen seien jedes Jahr hochmotiviert und mit dem Herzen dabei, wenn sie das Festival begleiten. Er selbst bedankte sich, dass er „auf der Reise NaturVision als Kinobetreiber und später Mitveranstalter mitfahren durfte." Das Festival habe ihm immer wieder neue Impulse gegeben, den Betrieb umzugestalten und anders Kino zu machen. Ein Bild des Künstlers Heinz Theuerjahr, das zwei Adler kreisend in den Lüften zeigt, überreichten schließlich Mitarbeiter*innen und Freunde des Festivals an Ralph Thoms mit den Worten: „Wir alle wünschen dir, dass du im Ruhestand die endlose Freiheit genießen kannst."
"Tiere, die mit ihren Reizen geizen" gewinnt NaturVision Publikumspreis
Grottenolme, Waldrappe, Hufeisennasen: Es gibt Tiere, die weder possierlich noch besonders schön sind. Die Folge Allem Anschein zum Trotz aus der zweiteiligen Serie Tiere, die mit ihren Reizen geizen von Jean-Baptiste Erreca rückt gerade diese Sonderlinge der Natur in den Fokus und erzählt liebenswert, unterhaltsam und wissenschaftlich fundiert, welche Überlebensvorteile ihnen ihre vermeintliche „Hässlichkeit" im Laufe der Evolution verschafft hat. Damit überzeugte der Film das Ludwigsburger Publikum mit ganz geringem Vorsprung vor einer anderen Dokumentation, die bereits von der Fachjury mit dem Deutschen Wildlife-Filmpreis ausgezeichnet wurde: Nashörner – Mit Herz und Horn von Rosie Koch und Roland Gockel.
Einen sehr guten dritten Platz in der Gunst der Zuschauer*innen erreichte die Doku Holy Shit – Entscheidend ist was hinten raus kommt von Rubén Abruña. Der spannend erzählte Film macht klar, dass unsere Fäkalien zwar vielleicht noch immer ein Tabu sind – in jedem Fall aber auch eine wertvolle Ressource.
„Mich freut dieses Ergebnis wirklich sehr", erläutert Festivalleiter Ralph Thoms. „Es zeigt, dass wir mit der Vielfalt unserer Programmgestaltung – vom großen Wildlife-Film bis zum Umweltfilm, der zum Umdenken motiviert – unser Publikum abholen."
Umwelt | Naturschutz, 23.07.2023
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