War Bitcoin der Urknall der Dezentralisierung?

Der aktuelle Kommentar von Ralph Striewski

Menschen experimentieren seit Jahrtausenden mit zentralen Machtstrukturen. Ich behaupte, dass wir unsere globalen Probleme nur mit komplett neuen politischen, ökonomischen und sozialen Systemen lösen können, Systemen die aufgebaut sind wie neuronale Netze, nämlich dezentral. Sie werden entstehen und niemand wird sie verhindern können.

Bitcoin ist nicht nur eine neue Währung, sie wirbelt auch althergebrachte, zentralistische Machtstrukturen auf. © geralt, pixabay.comWer schon einmal den Inhalt unserer Köpfe angeschaut hat, der kann sich nur wundern, wie diese graue Zellmasse so viel Intelligenz produzieren kann. Mit Abstufungen natürlich, wie wir jeden Tag erleben. Keine Konzern- oder Parteizentralen findet sich dort, keine Präsidenten und Vorstände, die aus ihrer Sicht alles in Weisheit und Wohlwollen für den Körper entscheiden. Wenn wir genau hineinschauen in die Zellebene, dann finden wir nur Knoten und Verbindungen. Das war’s.
 
Billionen neuronaler Verbindungen produzieren Gedanken, Gewohnheiten, Ideen und Überlebensstrategien. Wir wissen inzwischen, wie es funktioniert, auch wenn wir nicht wissen, warum es funktioniert. Eines ist jedenfalls sicher: Bewusstsein entsteht durch dezentrale Netzwerke.
 
Was hat jetzt unser Hirn mit der Organisation unserer Gesellschaft zu tun?

Systeme kämpfen immer um Machterhalt
Seit Tausenden von Jahren ersinnen sich Philosophen und Politiker, Denker und Spinner immer neue Modelle, wie die Menschheit organisiert werden könnte. Keines dieser Modelle hat in der Vergangenheit auf Dauer funktioniert. Pharaonen waren Götter und hatten damit das Recht, über Menschen zu verfügen. Sie konnten Pyramiden bauen lassen und Sklaven dafür einsetzen. Zweifel an der Gottgestalt und damit der Macht wurden meistens durch Enthauptung beseitigt.
 
Heute regieren die Parteipharaonen der Demokratien, legitimiert durch Wahlen. Sie würden immer noch gerne alle Zweifel an ihrer Unfehlbarkeit schnell und dauerhaft beseitigen, denn Macht korrumpiert immer, ohne Ausnahmen. Alle gesellschaftlichen Modelle, ob Monarchie oder Kaiserreich, ob Kommunismus oder Sozialismus, alle sind an ähnlichen Symptomen gescheitert. Die Eliten haben immer Macht missbraucht und mussten die Bürger, die sich dagegen wehren wollten, unterdrücken.
 
Jetzt sind die Demokratien dieses Planeten an der Reihe. Die Mächtigen haben es übertrieben und die Politik korrumpiert. Unser demokratisches System ist am Ende, es braucht Kriege, um zu überleben, und die Reichen plündern den Staat und der Staat plündert die Ersparnisse der Bürger. Das System der Ausbeutung durch Wachstumszwang und Inflation hat sich an den Abgrund manövriert. Immer häufiger nutzt die Politik Krisen, auch solche wie die Corona- oder Klimakrise, um „besondere Maßnahmen" durchzusetzen, Zensur wird einfach "Vermeidung von Desinformation" genannt. Ein System, das vor dem Einsturz steht, neigt zur Absurdität.

Finden Eliten Lösungen?
Eine elitäre Gruppen wie das World Economic Forum in Davos hat sich, unaufgefordert von den Bürgern, den sogenannten Great Reset als neue Regierungsform ausgedacht. Die Analyse, dass Nationen überfordert sein könnten mit der Lösung globaler Probleme, war nicht ganz falsch. Ganz falsch aber war, dass die Lösung von ein paar klugen Köpfen des WEF kommen könnte. Der Ansatz, nationale, zentralistische Organisationen durch globale zentralistische Organisationen zu ersetzen, ist wie Feuerlöschen mit Benzin.  Der Mensch überschätzt sich seit jeher kolossal. Jede Organisation, die regiert, macht Fehler und zerstört sich damit selbst. Je mehr Macht sie besitzt, desto gravierender werden die Fehler, desto rigoroser die Unterdrückung. Zentrale Organisationen zur Lösung globaler Probleme sind ein Widerspruch in sich und werden per Definition scheitern und mutieren immer notwendigerweise zu grausamen Diktaturen. Meine zentralen Thesen lauten daher:
  • Das Zeitalter der zentralistischen Lösungsansätze ist vorbei.
  • Dezentrale Netzwerke werden lokale und globale Lösungen schaffen
Die Entscheidungen über das Schicksal von Individuen und ganzer Völker darf und kann nicht von einzelnen Personen, Parteien oder Institutionen abhängen. Weder können einzelne Personen dieser Verantwortung gerecht werden, noch können Präsidenten oder Alleinherrscher dem Druck dieser Aufgabe standhalten. Am wenigsten können sie zentral für alle Gruppen und Individuen entscheiden, was am besten für sie wäre. Jede nationale Entscheidung hat heute globale Auswirkungen, die viel zu komplex sind, um sie vorherzusehen. Man nehme nur den Bedarf an seltenen Erden für die Energiewende.
 
Heute, im Jahre 2023, zeigen alle Vektoren in Richtung großer globaler Veränderungen. Alte Rezepte wirken nicht mehr, alte Ismen haben ausgedient. Demokratische Organisationen, zusammen mit Zentralbanken, können soziale Ungerechtigkeit und Klimaproblematik nicht lösen. Macht ist von den gewählten Institutionen auf multinationale Konzerne mit unbeschränkten Mitteln übergegangen. Das System ist das Problem; Lösungen werden nicht aus dem System kommen können. Per Definition. Die politischen Akteure, die heute die Welt retten wollen, sind selbst die Verursacher als Akteure eines von innen unveränderbaren Systems. Welche Hybris dem Menschen an sich innewohnt, sieht man an Entwicklungen wie Elon Musk´s X-Projekt und dem Worldcoin von AI Guru Sam Altman. Sie glauben wirklich, sie könnten die Menschheit mit den Ideen ihres Unternehmens in eine glückliche Zukunft führen.
 
Auch diese Ansätze sind PER DEFINITION zum Scheitern verurteilt. Zentralistische Organisationen können immer korrumpiert, erpresst, ausgenutzt werden und die Daten der Bürger werden mit absoluter Sicherheit missbraucht. Es gibt keine Möglichkeit es zu verhindern – und was möglich ist, das wird gemacht.

Die Alternative?

Seit Bitcoin und Nostr haben wir Werkzeuge, um die wichtigsten Elemente der Herrschaft und des Zusammenlebens dezentralisiert zu organisieren – Geld und Kommunikation.
 
Mit dezentralen Netzwerken, die mittels Protokollen und Millionen von Knoten und Relays arbeiten, haben wir zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Möglichkeit, globale Intelligenz zu schaffen, an der alle Menschen teilhaben können. Wir können die Strukturen unseres Hirns nachbilden, ohne zentrale Diktatoren oder Möchtegern-Weltherrscher, die alles aus der Parteizentrale steuern. Wir könnten wahrscheinlich sogar das Parteiensystem ersetzen, wenn Lösungen von Problemen durch dezentrale Netzwerke erarbeitet werden können. Wer weiß…
 
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit kann sich jeder Mensch auf der Ebene der finanziellen Unterdrückung entziehen. Jeder Mensch kann mit Bitcoin und Nostr mit jedem Menschen auf diesem Planeten handeln und kommunizieren – ohne Mittelsmänner der Regierung, der Medienkonzerne oder der Banken. Mit Bitcoin und Nostr ist der einzelne Bürger nicht mehr auf zentrale Organisationen angewiesen. FIAT-Geld als Werkzeug der Unterdrückung hat ausgedient. Medienkonzerne und Propagandamaschinen können Nachrichten auf Nostr nicht manipulieren. Wo kein Chef, da kann auch niemand erpresst werden. Dezentrale Netzwerke ermächtigen Bürger, sich der Macht zu entziehen. Künstliche Grenzen, die zentrale Organisationen aufbauen müssen, um Bürger in ihrem Aquarium einzusperren, existieren nicht mehr.

Wie könnte es weiter gehen?
Die Folgen von dezentralem Geld und Kommunikation sind nicht abzusehen. Wie Pilze werden an den unterschiedlichsten Orten die unterschiedlichsten neuen Pflanzen entstehen, die alle miteinander mittels eines dezentralen Netzwerkes kommunizieren. Überall auf dem Planeten arbeiten die intelligentesten Köpfe an konkreten Lösungen für alle Probleme dieser brandneuen Technologie. Bitcoin und Nostr sind nur die Flaggschiffe der dezentralen Bewegung, es werden Hunderte oder Tausende neuer Anwendungen entstehen. Open Source ermöglicht Entwicklern auf der ganzen Welt, Ideen in Anwendungen umzusetzen. Ein afrikanischer Händler, der Saatgut im Nachbarland kaufen will, braucht andere Anwendungen als die afghanische Frau, die der Unterdrückung durch ihre Sippe entkommen will. Länder, die diese neue Technologie willkommen heißen, werden prosperieren, weil sich Unternehmer und Entwickler dort ansiedeln. Länder, die sich der Entwicklung verweigern, werden auf die intelligenten Entwickler verzichten müssen.
 
Wir befinden uns in den ersten Minuten nach dem Urknall der dezentralen Entwicklung. Unsere Nachkommen in 100 oder 200 Jahren werden natürlich grinsen über die ersten Gehversuche mit dezentralen Technologien, so wie wir heute milde lächeln, wenn wir einen Ferrari mit den ersten Autos vergleichen.

Die Blockchain und auch Satoshi Nakamotos Entwicklung von Bitcoin war der Urknall für ein neues Zeitalter. Wir können und müssen dieses Zeitalter gestalten. Der Geist ist aus der Flasche und wird nie mehr dorthin zurückkehren. Nicht die Philosophen und Theoretiker sind jetzt gefragt. Programmierer und Digitalpiraten werden die Zukunft gestalten. Den Mächtigen wird es nicht gefallen, dass sie die Macht über die Bürger verlieren. Wer aber könnte den Urknall rückgängig machen?
 
Ralph Striewski. © Ralph StriewskiWie immer, wenn ein altes System zerfällt, wird es Verwerfungen geben, aber auch unendlich viele Chancen. Wer festhält an alten Strukturen, der wird vom Tsunami des Wandels mitgerissen. Ideen zur richtigen Zeit lassen sich nicht unterdrücken. Auf den Bitcoin-Konferenzen habe ich so viele brillante Menschen kennengelernt, die alle für Freiheit, Unabhängigkeit und Gerechtigkeit kämpfen und programmieren. Ihre neuen, dezentralen Strukturen bedeuten das Ende der machtbesessenen Egomanen.
 
Dezentrale Strukturen sind für mich die Hoffnung auf ein neues goldenes Zeitalter der Menschheit. Lasst uns die dezentrale Zukunft gestalten!
 
Ralph Striewski war Airbus-Kapitän bei der Lufthansa, zusätzlich 17 Jahre in der Flugsicherheitsabteilung als Flugunfalluntersucher tätig. Er ist Autor von Publikationen zu Themen wie Crew Resource Mangement, Human Factor, Incident und Accident Investigation. Seit 2020 Beschäftigung mit Bitcoin, dezentralen Systemen, Finanzsystemen und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft, anknüpfend an sein Politikstudium an der HfP in München.

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