Hydrogen Dialogue 2024

Investitionen in Naturerhalt technologiegestützt bilanzieren und dokumentieren

Investitionen in Natur als immaterieller Vermögenswert

In einer Welt mit scheinbar unendlichen Ressourcen und einer kleinen Menschheit haben wir der Natur nur so viel Wert beigemessen, wie wir aus dem Boden ziehen konnten. Doch Natur ist kritische Infrastruktur. Erhaltungsinvestitionen in Boden, Wasser oder Biodiversität müssen bilanzierungsfähig und ihre Wirkung messbar sein.

'Ground truthing' ergänzt die digital unterstütze Fernerkundung. So lässt sich der Erfolg von Investitionen in die Natur dokumentieren. © The Land Banking GroupDer herkömmlichen Logik folgend, ergeben Investitionen in Naturverbesserung und -erhalt betriebswirtschaftlich keinen Sinn. In der heutigen vollen Welt erkennen wir aber, dass Natur als kritische Infrastruktur investitionsbedürftig ist. Sie muss erhalten und ausgeweitet werden. Nachdem die Auswirkungen von Fehlentscheidungen beim Thema Naturerhalt vor der eigenen Haustür angelangt sind, hat auch der Finanzmarkt gemerkt, dass die Degradierung natürlicher Ressourcen wie Biodiversität, Boden und Wasser eine akute Gefahr für die Betriebsfähigkeit vieler Unternehmen darstellt. Damit wird ein Engagement zur Verbesserung und zum Erhalt von Bodenfruchtbarkeit, Wasserhaltekapazität oder Artenvielfalt essenziell. Parallel erkennen Wirtschaftsprüfer:innen, dass wir dringend neue Werkzeuge benötigen, die Investitionen in Naturerhalt und -verbesserung nach anerkannten Rechnungslegungsstandards als den Unternehmenswert steigernde Investitionen ausweisen.

Investitionen in Natur als immaterieller Vermögenswert
Die heutigen Ansätze für das Monitoring von Nachhaltigkeitsaktivitäten erfüllen diese Anforderungen nicht. Sie dienen einem anderen Zweck – der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese adressiert aber nicht das strukturelle Problem, mit dem Unternehmen und Gesellschaft im Angesicht kollabierender Ökosysteme kämpfen: die Nicht-Anerkennung von naturerhaltenden Maßnahmen in Produkt- und Kapitalmärkten. Unternehmen, die sich für Naturerhalt und -verbesserung engagieren, erleiden letztendlich einen Wettbewerbsnachteil.

Wir brauchen einen neuen Ansatz: Erhaltungsinvestitionen in Boden, Wasser oder Biodiversität müssen bilanzierungsfähig werden, da sie Investitionen in die zukünftige Betriebsfähigkeit sind – kurz-, mittel- und langfristig. Eine Möglichkeit, um unter geltenden Rechnungslegungsstandards die ökonomische Wertigkeit von Investitionen in Natur bilanziell wirksam zu machen, ist, diese als immateriellen Vermögenswert darzustellen.

Um als Investition anerkannt zu werden, müssen Naturerhaltungskontrakte mit Landwirtinnen, Förstern oder Landschaftspflegerinnen dafür mehrere Kriterien erfüllen: Die Leistungen müssen identifizierbar, kontrollierbar, messbar und wirtschaftlich nutzstiftend sein. Dies erfordert vor allem eine unabhängige, replizierbare Erfolgsmessung, beispielsweise eine Messung der absoluten oder relativen Verbesserung der Wasserhaltekapazität. Dabei sollte die „relative" Verbesserung eine wichtige Rolle spielen, da auch der Erhalt einer Ökosystemleistung auf einem bereits erreichten hohen Niveau honoriert werden muss.

Dokumentation durch digital unterstütze Fernerkundung
Die Kombination von Fernerkundung, digitalen Bild-, Geräusch- und Generkennungsverfahren, „ground truthing" und maschinellem Lernen eröffnet hier ganz neue Möglichkeiten. Allein durch eine Vervielfachung der Datenquellen (multiple Sensoren auf einer steigenden Zahl von Satelliten mit höherer Überflugfrequenz) und die exponentiell gestiegene Rechenleistung haben Qualität und Umfang der verfügbaren Daten in den letzten Jahren signifikant zugenommen; die Kosten für ihre Nutzung sind zugleich massiv gesunken. So lassen sich bereits heute Messungen und Auswertungen zu Biodiversität, Bodenqualität, Kohlenstoff und Wasser in einer zeitlichen und räumlichen Auflösung durchführen, die ergebnisbasierte Leistungskontrakte zwischen Landwirtschaft und Unternehmen erlauben, die den Anforderungen einer Wirtschaftsprüfung genügen.

Als The Landbanking Group haben wir auf diesem Hintergrund in Rücksprache mit Banken, Unternehmen und Wirtschaftsprüfer:innen eine fernerkundungsgestützte und durch Bodendaten abgesicherte Lösung entwickelt, die die Wirkung von Zahlungen in Naturerhalt und -verbesserung bezüglich Biodiversität, Boden, Klima und Wasser so dokumentiert, dass diese Zahlungen nach internationalem Rechnungslegungsstandard IAS nicht mehr als Kosten in der Gewinn und Verlustrechnung, sondern als immaterieller Vermögenswert in der Unternehmensbilanz gebucht werden. Unternehmen sind somit verstärkt motiviert, in Natur zu investieren. Naturerhaltende Zahlungen werden zu einem Vermögenswert, der auf der Landbanking-Platform biophysikalisch bewertet, beobachtet, kontrahiert, an Käufer:innen übereignet und von diesen in einem Natur-Kapital-Management-System verwaltet werden kann.

Ein Beispiel: Wenn eine Mühle einen Getreidelieferanten finanziell bei der Einführung von Zwischenfrüchten unterstützt und eine Verbesserung z.B. der Wasserhaltekapazität nachgewiesen wird, kann die Mühle diese zusätzlichen Ausgaben als Vermögenswert buchen, da sie dadurch ihr Beschaffungsrisiko in Folge zunehmender Trockenperioden reduziert hat. Dieser Vermögenswert stärkt die Unternehmensbilanz, was sich u.a. positiv auf die Kreditwürdigkeit auswirkt. Genau das evaluieren wir auch mit für den Lebensmittel- und Agrarsektor relevanten Banken. Das Ziel ist, dass Unternehmen und Landwirt:innen, die in Naturvitalität und -resilienz investieren, bessere Kreditbedingungen bekommen.

Wir planen, bis Ende des Jahres mit einer Reihe mitwirkender Banken, Unternehmen und Wirtschaftsprüfer:innen den Produktprototypen so umzusetzen, dass wir bei den Jahresabschlüssen 2023 erste Präzedenzfälle aufweisen können, bei denen Zahlungen zu Naturerhalt und -verbesserung bilanziell wirksam als Vermögenswert gebucht werden.

Paradigmenwechsel: von der Spende zur Investition
Die gleiche Logik kommt auch für Unternehmen oder Investoren zur Anwendung, die sich außerhalb ihrer Lieferketten regional für die ökologische Inwertsetzung von Land engagieren. Auch hier ist ein Paradigmenwechsel zu beobachten: Zum einen steigen die Erwartungen und Anreize für die Investition in Naturlandverbesserung im Rahmen der EU-Taxonomie, nationaler Biodiversitätsmärkte (UK, Australien, Neuseeland) oder internationaler Nature-positive Commitments. Zum anderen werden naturerhaltende Maßnahmen zunehmend ergebnisorientiert auf Basis eines transparenten Monitorings getätigt: von der Spende zur Investition in verifizierbare Erhaltungs- oder Verbesserungsäquivalente, vom regionalen Projekt zum Nationalpark mit Millionen von Hektar. Landwirte oder Landmanagerinnen bekommen adäquate finanzielle Unterstützung zur Umsetzung regenerativer Landnutzung, „Investoren" können kontinuierlich und transparent über ihr Naturkapital-Investment berichten und sich gegenüber Regulatoren, Kundinnen, Investoren und vielleicht schon bald Steuerbehörden ausweisen. Hiermit eröffnet sich ein völlig neuer Weg für Gebietskörperschaften, Finanzmittel für die effektive Prävention, z.B. den Hoch- und Trinkwasserschutz, zu mobilisieren statt Reparaturkosten zu zahlen.

Tobias Bandel ist Head of Biome bei The Landbanking Group, einem jungen Unternehmen für „regenerative" Technologie mit Sitz in München. Das Unternehmen wurde mit dem Ziel gegründet, den Verlust der Natur bis 2030 zu stoppen und umzukehren und damit die Ziele des Global Biodiversity Framework zu erreichen.

Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Umwelt | Klima, 27.08.2023
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2023 mit dem Schwerpunkt: Transport & Logistik - Logistik und Transport - Herausforderung für Klima und Umwelt erschienen.
     
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