Beim Klimaschutz spalten Extrempositionen die Gesellschaft
Sustainability Studie des TÜV-Verbands
Eine Mehrheit fordert zusätzliche Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz von der Politik. Auf der anderen Seite glaubt jede:r Vierte nicht an den menschengemachten Klimawandel. Einigkeit beim Ausbau Erneuerbarer Energien.
Eine Mehrheit der Bevölkerung fordert von der Politik größere Anstrengungen für den Umwelt- und Klimaschutz: 56 Prozent der Bundesbürger:innen sind der Meinung, dass die Bundesregierung "viel zu wenig" für den Klimaschutz tut. 36 Prozent sind gegenteiliger Meinung und 6 Prozent unentschlossen. Das gleiche gilt für 61 Prozent der Befragten auch für die Politik auf EU-Ebene. Das hat eine repräsentative Ipsos-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.000 Personen ab 16 Jahren ergeben.
Demnach hält jede:r Fünfte sogar die Proteste der "Letzten Generation" für notwendig, damit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft endlich entschlossen handeln (20 Prozent). Auf der anderen Seite glaubt fast ein Viertel der Bundesbürger:innen nicht an den menschengemachten Klimawandel (24 Prozent). Und 23 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sie die negativen Auswirkungen des Klimawandels nicht betreffen. "Zwischen den Extrempositionen von Klimaleugnern und der 'Letzten Generation' muss die Politik die gesellschaftliche Mitte stärken und den Umwelt- und Klimaschutz auch gegen Widerstände voranbringen", sagte Dr. Johannes Bussmann, Präsident des TÜV-Verbands, bei der Vorstellung der Studienergebnisse.
Laut Umfrage ist der Umwelt- und Klimaschutz für 78 Prozent der Befragten wichtig oder sehr wichtig. Gut zwei von drei empfinden den Klimawandel als Bedrohung für ihr Leben heute und in Zukunft (68 Prozent). Und immerhin 56 Prozent geben an, dass sie wegen des Klimawandels ihr persönliches Konsum- und Mobilitätsverhalten verändern. "Klimaschutz ist Politik für die Mitte der Gesellschaft: Sie wünscht sich Einigkeit in der Regierung bei der Energie- und Wärmewende und handwerklich gut gemachte Gesetze, die klare Vorgaben machen und soziale Härten abfedern", sagte Bussmann. "In Brüssel sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Regelungen wie das Recht auf Reparatur, die Green Claims Richtlinie oder der digitale Produktpass noch vor den Europawahlen 2024 verabschiedet werden."
Schwerpunkte der "TÜV Sustainability Studie 2023" sind die Bereiche Energie, Wohnen und nachhaltiger Konsum. Laut der Umfrage sind beim Kauf von Produkten für 28 Prozent der Verbraucher:innen Nachhaltigkeitsaspekte ausschlaggebend. Die relative Mehrheit von 48 Prozent achtet zwar auf Nachhaltigkeit, aber Preis, Design und Qualität sind ihnen bei der Kaufentscheidung wichtiger. Für 17 Prozent spielt Nachhaltigkeit keine Rolle und 8 Prozent antworten mit "Weiß nicht". Größtes Hindernis für den Kauf nachhaltiger Produkte ist für 54 Prozent erwartungsgemäß der höhere Preis im Vergleich zu herkömmlichen Waren.
Für 30 Prozent der Befragten sind die Angaben zur Nachhaltigkeit eines Produkts schwer nachvollziehbar oder es fehlt ihnen insgesamt an Informationen (27 Prozent). Fast jede:r Dritte nennt fehlende nachhaltige Alternativen als Hindernis (29 Prozent). Bequemlichkeit spielt ebenfalls eine Rolle: Für jeweils 18 Prozent sprechen Gewohnheiten oder ein hoher Aufwand gegen einen Umstieg. "Verbrauchern wird es bei ihren Konsumentscheidungen nicht leicht gemacht", sagte Bussmann. "In Zukunft sollte jedes Produkt, das in der EU auf den Markt kommt, ein nachhaltiges Produkt sein."
Eine deutliche Mehrheit von 78 Prozent spricht sich dafür aus, dass die Hersteller dazu verpflichtet werden, bereits bei der Entwicklung eines Produkts auf Umweltfreundlichkeit, Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit zu achten. Und 72 Prozent sind dafür, dass die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben für den Umwelt- und Klimaschutz von externen Stellen überprüft werden sollten. Die meisten sehen die größte Kompetenz solcher Prüfungen bei unabhängigen Prüfunternehmen wie den TÜV (50 Prozent). Es folgen staatliche Institutionen (22 Prozent) und die Unternehmen selbst (11 Prozent).
Probleme bei der energetischen Sanierung von Gebäuden
Im viel diskutierten Gebäudesektor wird die energetische Sanierung des Bestandes von vielfältigen Problemen begleitet. Laut den Ergebnissen der Studie haben 31 Prozent der Immobilienbesitzer oder Vermieter in den vergangenen zwei Jahren Maßnahmen für eine verbesserte Energieeffizienz wie eine bessere Dämmung oder der Installation neuer Heizungs- oder Solaranlagen vorgenommen. Davon hatten 58 Prozent Probleme bei der Umsetzung. Neben hohen Kosten (41 Prozent) nennen die Eigentümer fehlende Förderungen (23 Prozent), ein Mangel an technischen Anlagen oder Geräten (22 Prozent) und einen hohen bürokratischen Aufwand (19 Prozent) als Hindernisse. Weitere 17 Prozent der Eigentümer und Vermieter planen derzeit eine Sanierung konkret.
In dieser Gruppe haben 86 Prozent Probleme bei der Umsetzung. Auch hier sind die Kosten das Hauptproblem (53 Prozent). Viele Planer klagen zudem über fehlende Informationen (30 Prozent) und eine mangelnde Verfügbarkeit technischer Dienstleister und Installateure (27 Prozent). "Das Heizungsgesetz hat viel Unruhe bei der Umsetzung der Wärmewende gebraucht", sagte Bussmann. "Die Eigentümer brauchen jetzt Planungssicherheit und gezielte Fördermaßnahmen, damit sie ihre energetischen Sanierungsmaßnahmen in Angriff nehmen können."
Für einen besseren Klimaschutz im Energiebereich befürworten 83 Prozent der Befragten den Ausbau von Erneuerbaren Energien. Zwei von drei halten den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur für sinnvoll (67 Prozent) und 63 Prozent gesetzliche Vorgaben für die Steigerung der Energieeffizienz. 59 Prozent befürworten eine Förderung von Wärmepumpen und 57 Prozent eine Austauschprämie für Öl- und Gasheizungen. "Wir müssen unsere Abhängigkeit von Kohle und Gas weiter reduzieren", sagte Bussmann. "Die Energiewende ist das wichtigste Projekt für den Klimaschutz. Und sie könnte ein Konjunkturprogramm für die unter den hohen Energiepreisen leidende Wirtschaft werden." Ein beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren, der Aufbau einer sicheren Infrastruktur für grünen Wasserstoff und der Ausbau der Netzinfrastruktur sind nur einige Beispiele.
Im Produktsektor sind in der EU mehrere Gesetzesvorhaben in Abstimmung. Mit dem Recht auf Reparatur müssen Produkte künftig langlebig, reparierbar, wiederverwendbar und recycelbar sein. "Eine Abkehr von der Wegwerfmentalität ist längst überfällig", sagte Bussmann. In Zukunft sollten Verbraucher:innen defekte Produkte in zertifizierten Werkstätten reparieren lassen können. Mit der Green-Claims-Richtlinie geht die EU gegen irreführende Werbebotschaften und das weit verbreitete Greenwashing vor. Und der digitale Produktpass kann ein Meilenstein für mehr Transparenz werden. "Wir müssen aber auch sicherstellen, dass gesetzliche Vorgaben auch eingehalten werden", sagte Bussmann. Mit unseren unabhängigen Prüfungen können die TÜV-Unternehmen hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Weitere Informationen und der komplette Studienbericht sind hier abrufbar.
Kontakt: TÜV-Verband e. V., Maurice Shahd | presse@tuev-verband.de | www.tuev-verband.de
Umwelt | Umweltschutz, 19.09.2023
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