Apfelzüchtung und Gentechnik
Falsche Versprechen ohne Lösung
Der Apfelanbau leidet. Nur unter dem massiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln können die meisten Sorten vermarktungsfähig angebaut werden. Nun preisen manche Forscher das „Einbauen" einzelner Resistenz-Gene als Lösungsansatz. Sie sehen in der „neuen Gentechnik" (CRISPR/Cas und ähnliche) generell eine Wunderwaffe gegen alle möglichen ökologischen Probleme, seien es Klimawandel, Artenschwund, Pestizideinsatz oder Welternährung. Schon liebäugeln manche Obstbauern in Südtirol mit der Freigabe solcher Techniken. Und Kampagnen haben die Europäische Kommission in Brüssel zu einer Deregulierung des bisherigen Gentechnik-Rechts gedrängt. Doch ein Blick in die Geschichte der Apfelzüchtung macht deutlich, dass der reduzierte Blick auf einzelne Gene die Probleme gerade NICHT lösen wird.
Der ehemalige Leiters des Schweizer Forschungsinstituts für den Biologischen Landbau, Prof. Urs Niggli, hatte die Debatte angeheizt und auch in Öko-Kreise getragen. Niggli hatte – als Beispiel für einen möglichen Nutzen der neuen CRISPR/Cas-Technik – die Apfelzüchtung genannt: „Nehmen Sie die Schorfresistenz bei Äpfeln. Man kann diese Eigenschaft durch Einkreuzen des japanischen Holzapfels erzielen, der ein Resistenz-Gen gegen den Apfelschorf enthält. [...] Mit Crispr kann man das betreffende Gen aus dem Holzapfel gezielt und schnell in den Kulturapfel einfügen – und das Ergebnis ist viel besser" (Lebensmittelzeitung 6/2018).
Warum sind denn die heutigen gängigen Apfelsorten (Jonagold, Elstar, Braeburn, Gala, Rubinette, Fuji, Pink Lady u.a.) so derart anfällig für Krankheiten wie Apfelschorf, Mehltau, Obstbaumkrebs und andere Pilzkrankheiten, dass sie ohne regelmäßige Fungizid-Spritzungen überhaupt nicht anbaubar sind beziehungsweise keine vermarktungsfähigen Früchte liefern würden?
Das war nämlich keineswegs immer so. Chemische Pflanzenschutzmittel kamen in Deutschland im Obstbau erst in den 1930er Jahren zum Einsatz; flächendeckend im Erwerbsobstbau erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Und dass Kupfer und Schwefel – heute im biologischen Anbau verwendet – Pilzinfektionen auf Blättern und Früchten vermeiden helfen, wurde erst in den 1880er Jahren entdeckt. Das heißt: Die meisten der Apfelsorten, die zuvor im Anbau waren, mussten von vornherein robust gegen Pilzkrankheiten sein. Und sie waren es auch, wie wir heute wissen – vom „Edelborsdorfer" aus dem 13. Jahrhundert über die „Orleans Renette" aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, die „Rote Sternrenette" aus dem 18. Jahrhundert bis hin zu den vielen im 19. Jahrhundert in Deutschland und den Nachbarländern ringsum entstandenen Apfelsorten (zum Beispiel „Luxemburger Triumph", „Finkenwerder Prinz", „Martens Sämling" u.v.m.).
Auch die im 19. Jahrhundert beginnende gezielte Kreuzungszüchtung musste dem fehlenden Fungizideinsatz im Apfelanbau Rechnung tragen: Um für die Versorgung der wachsenden Städte verstärkt aromatische Tafeläpfel zu züchten, verfolgte man daher meist die Strategie, eine hoch aromatische (aber empfindliche) Sorte wie „Cox Orange" mit einem robusten Massenträger zu kreuzen. So entstanden Sorten wie „Strauwalds Parmäne" (circa 1890) oder die heute noch bekannten Sorten „Holsteiner Cox" (1903), „Alkmene" (circa 1930) oder „Discovery" (1940). Diese Sorten erfreuen sich nicht nur eines sehr guten Geschmacks, sondern sind bis heute hoch tolerant gegen Apfelschorf und zudem auch für einen extensiven Anbau ohne Fungizide geeignet.
Der Weg ins Chemie-Zeitalter
Die „Wende" im Apfelanbau erfolgte in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Nun begannen die Apfelbauern, die hoch pilz-anfälligen amerikanischen Apfelsorten „Golden Delicious" und „Jonathan" in den Anbau zu nehmen. Möglich geworden war das dadurch, dass die chemische Industrie in den 1930er und 1940er Jahren neue hochwirksame (allerdings auch hochgiftige) chemische Pflanzenschutzmittel auf den Markt brachte. Die genannten Sorten hatten die vorteilhafte Eigenschaft, dass sie in jedem Jahr blühen (was nicht alle Apfelsorten tun); und mit den neuen chemischen Mitteln konnte man nun dafür sorgen, dass aus dem hohen Blütenansatz auch ein hoher Fruchtertrag ohne Schorfflecken hervorging. Hoher Fruchtansatz plus regelmäßiger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln = mehr Geld in der Kasse der Obstbauern. Das war die Formel des modernen Obstbaus und ist es bis heute geblieben.
So gaben auch die Züchter dieser Zeit ihre bis dahin verfolgte Strategie (Gutschmecker x robuster Massenträger) auf und kreuzten stattdessen nur noch mit den Sorten weiter, die jetzt als das neue wirtschaftliche Erfolgsmodell galten. Aus „Jonathan" x „Golden Delicious" entstand „Jonagold" (USA 1943) und die Züchter in aller Welt kreuzten fortan nur noch mit fünf Apfelsorten (und ihren Nachkommen) weiter – neben den genannten waren das noch die ebenfalls hoch anfälligen „Cox Orange" sowie die amerikanischen Sorten „Red Delicious" und „Mc Intosh".
Die Folge dieser weltweiten Entwicklung war eine zuvor nie dagewesene genetische Verarmung, um nicht zu sagen Inzucht, und gleichzeitig die Abhängigkeit des gesamten modernen Apfelanbaus von der Chemieindustrie.
Der Blick auf die Gene: Gescheiterte Problemlösungen
Der Ruf, dass wir wieder robustere Apfelsorten brauchen, begann schon in den 1970er Jahren. Damals stellten die ersten Betriebe auf Ökolandbau um und drohten an den Problemen mit „Golden Delicious" und co. zu scheitern. Statt sich auf robuste alte Massenträgersorten zu besinnen, verfolgten die Züchter nunmehr aber eine andere Strategie: Sie kreuzten ihre hoch anfälligen Sorten mit dem japanischen Wildapfel „Malus floribunda", bei dem man entdeckt hatte, dass er ein bestimmtes Gen für Schorfresistenz besitzt (monogene Resistenz). Dieser Wildapfel wurde nun, zunächst in den USA, später dann weltweit, nacheinander mit „Golden Delicious", „Jonathan" sowie Nachkommen von „Cox Orange", „Mc Intosh" oder „Red Delicious" gekreuzt. So entstand zum Beispiel in Tschechien die heute beliebte Bio-Sorte „Topaz".
Man war der Überzeugung, dass dieses eine Gen – eingebracht in eine ansonsten hoch anfällige und inzestuös überzüchtete Genetik – die Probleme schon lösen würde. Und so sind sie nun alle auf dem Markt, diese meist gut schmeckenden „Schorfresistenz-Sorten" – neben „Topaz" auch „Santana", „Rubinola", „Sansa", „Natyra" und andere.
Doch nun, nach nur wenigen Jahren Anbau, erleben wir den Zusammenbruch der erhofften Schorfresistenz (siehe Fotos). Die monogenetisch basierte Schorfresistenz-Züchtung hat sich als nicht nachhaltig erwiesen! Vor diesem Hintergrund ist es mehr als erstaunlich, wenn ein Wissenschaftler wie Professor Niggli 2018 ausgerechnet das Resistenz-Gen des japanischen Holzapfels anpreist, das man künftig per CRISPR/Cas (statt über Kreuzungszüchtung) einbauen könne. Denn dass die monogene Resistenz dieses Wildapfels inzwischen weltweit zusammengebrochen ist, kann der Wissenschaft kaum entgangen sein.
Inzwischen wird daher auch neu argumentiert: Zusammenbrechende Resistenzen seien nun mal in der Züchtung ganz normal. Beide Narrative sind jedoch, was die Historie der Apfelsorten betrifft, definitiv falsch: Ein derartiger Zusammenbruch von Resistenzen, wie wir ihn heute bei den modernen „Resistenzsorten" erleben, ist in der Historie der Apfelsorten beispiellos.
Apfelzüchtung – ganzheitlich oder Genom-fixiert?
Plötzliche Resistenz-Zusammenbrüche erleben wir also in dem Moment, da Wissenschaftler und Züchter mit dem „Tunnelblick aufs Genom" nicht mehr die Vitalität der Pflanze als Ganzes im Blick haben (deren Resistenzeigenschaften man erst in ungespritzten Obstanlagen erkennen kann!), sondern nur noch auf einzelne Resistenz-Gene fixiert sind.
Wohin uns eine Deregulierung der Gentechnik führen wird, zeigt sich mit Blick auf die USA, wo die neuen Techniken ohne Sicherheitsprüfung bereits freigegeben sind. Dort sind unter dem Markennamen „Arctic apples" inzwischen die ersten CRISPR-Apfelsorten im Anbau. Der gentechnische Eingriff verhindert das Braunwerden der Früchte, damit sie nach dem Anschnitt länger frisch aussehen. Auf diese Weise werden die Konsumenten über die tatsächliche Frische des Apfels getäuscht, im Extremfall sogar über eine eventuell vorhandene Verkeimung – sozusagen Verbrauchertäuschung auf höchstem wissenschaftlichen Niveau. Und man kann davon ausgehen, dass die neue Gentechnik auch hier für derartige „Designerpflanzen" benutzt werden wird, sobald die EU-Kommission die Erlaubnis erteilt.
Eine nachhaltige und ökologische Apfelzüchtung muss im Prinzip da weitermachen, wo man vor achtzig Jahren aufgehört hat. Sie muss wieder die ganze Pflanze und ihre Vitalität in den Blick nehmen, muss die polygenen Resistenzen alter Sorten nutzen und dringend die genetische Diversität erhöhen statt die Resistenzzüchtung auf einzelne Gene zu reduzieren. Eine solche Züchtung braucht zwar einen längeren Atem, bringt aber – wie die Geschichte gezeigt hat – auch nachhaltigere Ergebnisse und ist daher ökologisch dringend geboten.
Hans-Joachim Bannier betreibt in Bielefeld einen kleinen Obsthof mit alten tradtionellen Sorten. Er ist Mitglied im Pomologen-Verein e.V. sowie Gründungsmitglied der ökologischen Züchtungsinitiative apfel:gut e.V.
Der ehemalige Leiters des Schweizer Forschungsinstituts für den Biologischen Landbau, Prof. Urs Niggli, hatte die Debatte angeheizt und auch in Öko-Kreise getragen. Niggli hatte – als Beispiel für einen möglichen Nutzen der neuen CRISPR/Cas-Technik – die Apfelzüchtung genannt: „Nehmen Sie die Schorfresistenz bei Äpfeln. Man kann diese Eigenschaft durch Einkreuzen des japanischen Holzapfels erzielen, der ein Resistenz-Gen gegen den Apfelschorf enthält. [...] Mit Crispr kann man das betreffende Gen aus dem Holzapfel gezielt und schnell in den Kulturapfel einfügen – und das Ergebnis ist viel besser" (Lebensmittelzeitung 6/2018).
Ein Blick zurück
Die Methode, mittels CRISPR nur erwünschte Gene in eine ansonsten bekannte Sorte einzubauen, erscheint zwar auf den ersten Blick plausibel und zielführend. Bei der klassischen Kreuzungszüchtung können immerhin auch unerwünschte Eigenschaften mit eingekreuzt werden, und bis zur Entwicklung und Marktreife einer neuen Apfelsorte vergehen hierbei in der Regel mindestens 15 Jahre. Aber um beurteilen zu können, ob der Einbau einzelner Gene die grundlegenden Pflanzenschutzprobleme des heutigen Apfelanbaus auch nur ansatzweise lösen kann, ist ein Rückblick in die Historie der Apfelzüchtung erforderlich – und darauf, wie die heutigen Probleme überhaupt entstanden sind.
Warum sind denn die heutigen gängigen Apfelsorten (Jonagold, Elstar, Braeburn, Gala, Rubinette, Fuji, Pink Lady u.a.) so derart anfällig für Krankheiten wie Apfelschorf, Mehltau, Obstbaumkrebs und andere Pilzkrankheiten, dass sie ohne regelmäßige Fungizid-Spritzungen überhaupt nicht anbaubar sind beziehungsweise keine vermarktungsfähigen Früchte liefern würden?
Das war nämlich keineswegs immer so. Chemische Pflanzenschutzmittel kamen in Deutschland im Obstbau erst in den 1930er Jahren zum Einsatz; flächendeckend im Erwerbsobstbau erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Und dass Kupfer und Schwefel – heute im biologischen Anbau verwendet – Pilzinfektionen auf Blättern und Früchten vermeiden helfen, wurde erst in den 1880er Jahren entdeckt. Das heißt: Die meisten der Apfelsorten, die zuvor im Anbau waren, mussten von vornherein robust gegen Pilzkrankheiten sein. Und sie waren es auch, wie wir heute wissen – vom „Edelborsdorfer" aus dem 13. Jahrhundert über die „Orleans Renette" aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, die „Rote Sternrenette" aus dem 18. Jahrhundert bis hin zu den vielen im 19. Jahrhundert in Deutschland und den Nachbarländern ringsum entstandenen Apfelsorten (zum Beispiel „Luxemburger Triumph", „Finkenwerder Prinz", „Martens Sämling" u.v.m.).
Bewährte Züchtungen mit nachhaltigen Ergebnissen
Dass wir das heute so genau wissen, verdanken wir dem Umstand, dass Obstbäume langlebig sind und die uralten Sorten in den Streuobstbeständen noch erhalten sind. Zwar gab es auch damals schon (teils sehr gut schmeckende) Sorten wie zum Beispiel „Cox Orange". Diese waren jedoch anfällig für Apfelschorf oder Obstbaumkrebs, und so galten sie angesichts fehlender aktiver Bekämpfungsmaßnahmen eher als Liebhabersorten für die Eigenversorgung, die nur an besten Standorten gedeihen konnten.
Auch die im 19. Jahrhundert beginnende gezielte Kreuzungszüchtung musste dem fehlenden Fungizideinsatz im Apfelanbau Rechnung tragen: Um für die Versorgung der wachsenden Städte verstärkt aromatische Tafeläpfel zu züchten, verfolgte man daher meist die Strategie, eine hoch aromatische (aber empfindliche) Sorte wie „Cox Orange" mit einem robusten Massenträger zu kreuzen. So entstanden Sorten wie „Strauwalds Parmäne" (circa 1890) oder die heute noch bekannten Sorten „Holsteiner Cox" (1903), „Alkmene" (circa 1930) oder „Discovery" (1940). Diese Sorten erfreuen sich nicht nur eines sehr guten Geschmacks, sondern sind bis heute hoch tolerant gegen Apfelschorf und zudem auch für einen extensiven Anbau ohne Fungizide geeignet.
Der Weg ins Chemie-Zeitalter
Die „Wende" im Apfelanbau erfolgte in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Nun begannen die Apfelbauern, die hoch pilz-anfälligen amerikanischen Apfelsorten „Golden Delicious" und „Jonathan" in den Anbau zu nehmen. Möglich geworden war das dadurch, dass die chemische Industrie in den 1930er und 1940er Jahren neue hochwirksame (allerdings auch hochgiftige) chemische Pflanzenschutzmittel auf den Markt brachte. Die genannten Sorten hatten die vorteilhafte Eigenschaft, dass sie in jedem Jahr blühen (was nicht alle Apfelsorten tun); und mit den neuen chemischen Mitteln konnte man nun dafür sorgen, dass aus dem hohen Blütenansatz auch ein hoher Fruchtertrag ohne Schorfflecken hervorging. Hoher Fruchtansatz plus regelmäßiger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln = mehr Geld in der Kasse der Obstbauern. Das war die Formel des modernen Obstbaus und ist es bis heute geblieben.
So gaben auch die Züchter dieser Zeit ihre bis dahin verfolgte Strategie (Gutschmecker x robuster Massenträger) auf und kreuzten stattdessen nur noch mit den Sorten weiter, die jetzt als das neue wirtschaftliche Erfolgsmodell galten. Aus „Jonathan" x „Golden Delicious" entstand „Jonagold" (USA 1943) und die Züchter in aller Welt kreuzten fortan nur noch mit fünf Apfelsorten (und ihren Nachkommen) weiter – neben den genannten waren das noch die ebenfalls hoch anfälligen „Cox Orange" sowie die amerikanischen Sorten „Red Delicious" und „Mc Intosh".
Die Folge dieser weltweiten Entwicklung war eine zuvor nie dagewesene genetische Verarmung, um nicht zu sagen Inzucht, und gleichzeitig die Abhängigkeit des gesamten modernen Apfelanbaus von der Chemieindustrie.
Der Blick auf die Gene: Gescheiterte Problemlösungen
Der Ruf, dass wir wieder robustere Apfelsorten brauchen, begann schon in den 1970er Jahren. Damals stellten die ersten Betriebe auf Ökolandbau um und drohten an den Problemen mit „Golden Delicious" und co. zu scheitern. Statt sich auf robuste alte Massenträgersorten zu besinnen, verfolgten die Züchter nunmehr aber eine andere Strategie: Sie kreuzten ihre hoch anfälligen Sorten mit dem japanischen Wildapfel „Malus floribunda", bei dem man entdeckt hatte, dass er ein bestimmtes Gen für Schorfresistenz besitzt (monogene Resistenz). Dieser Wildapfel wurde nun, zunächst in den USA, später dann weltweit, nacheinander mit „Golden Delicious", „Jonathan" sowie Nachkommen von „Cox Orange", „Mc Intosh" oder „Red Delicious" gekreuzt. So entstand zum Beispiel in Tschechien die heute beliebte Bio-Sorte „Topaz".
Man war der Überzeugung, dass dieses eine Gen – eingebracht in eine ansonsten hoch anfällige und inzestuös überzüchtete Genetik – die Probleme schon lösen würde. Und so sind sie nun alle auf dem Markt, diese meist gut schmeckenden „Schorfresistenz-Sorten" – neben „Topaz" auch „Santana", „Rubinola", „Sansa", „Natyra" und andere.
Doch nun, nach nur wenigen Jahren Anbau, erleben wir den Zusammenbruch der erhofften Schorfresistenz (siehe Fotos). Die monogenetisch basierte Schorfresistenz-Züchtung hat sich als nicht nachhaltig erwiesen! Vor diesem Hintergrund ist es mehr als erstaunlich, wenn ein Wissenschaftler wie Professor Niggli 2018 ausgerechnet das Resistenz-Gen des japanischen Holzapfels anpreist, das man künftig per CRISPR/Cas (statt über Kreuzungszüchtung) einbauen könne. Denn dass die monogene Resistenz dieses Wildapfels inzwischen weltweit zusammengebrochen ist, kann der Wissenschaft kaum entgangen sein.
Inzwischen wird daher auch neu argumentiert: Zusammenbrechende Resistenzen seien nun mal in der Züchtung ganz normal. Beide Narrative sind jedoch, was die Historie der Apfelsorten betrifft, definitiv falsch: Ein derartiger Zusammenbruch von Resistenzen, wie wir ihn heute bei den modernen „Resistenzsorten" erleben, ist in der Historie der Apfelsorten beispiellos.
Apfelzüchtung – ganzheitlich oder Genom-fixiert?
Plötzliche Resistenz-Zusammenbrüche erleben wir also in dem Moment, da Wissenschaftler und Züchter mit dem „Tunnelblick aufs Genom" nicht mehr die Vitalität der Pflanze als Ganzes im Blick haben (deren Resistenzeigenschaften man erst in ungespritzten Obstanlagen erkennen kann!), sondern nur noch auf einzelne Resistenz-Gene fixiert sind.
Wenn jetzt argumentiert wird, dass man gerade deshalb die Gentechnik bräuchte, weil man mit ihr auf die zusammenbrechenden Resistenzen schneller reagieren könne, schafft man keine nachhaltigen Problemlösungen, sondern führt die Obstbetriebe allenfalls in die Abhängigkeit von Patent-Inhabern.
Wohin uns eine Deregulierung der Gentechnik führen wird, zeigt sich mit Blick auf die USA, wo die neuen Techniken ohne Sicherheitsprüfung bereits freigegeben sind. Dort sind unter dem Markennamen „Arctic apples" inzwischen die ersten CRISPR-Apfelsorten im Anbau. Der gentechnische Eingriff verhindert das Braunwerden der Früchte, damit sie nach dem Anschnitt länger frisch aussehen. Auf diese Weise werden die Konsumenten über die tatsächliche Frische des Apfels getäuscht, im Extremfall sogar über eine eventuell vorhandene Verkeimung – sozusagen Verbrauchertäuschung auf höchstem wissenschaftlichen Niveau. Und man kann davon ausgehen, dass die neue Gentechnik auch hier für derartige „Designerpflanzen" benutzt werden wird, sobald die EU-Kommission die Erlaubnis erteilt.
Eine nachhaltige und ökologische Apfelzüchtung muss im Prinzip da weitermachen, wo man vor achtzig Jahren aufgehört hat. Sie muss wieder die ganze Pflanze und ihre Vitalität in den Blick nehmen, muss die polygenen Resistenzen alter Sorten nutzen und dringend die genetische Diversität erhöhen statt die Resistenzzüchtung auf einzelne Gene zu reduzieren. Eine solche Züchtung braucht zwar einen längeren Atem, bringt aber – wie die Geschichte gezeigt hat – auch nachhaltigere Ergebnisse und ist daher ökologisch dringend geboten.
Hans-Joachim Bannier betreibt in Bielefeld einen kleinen Obsthof mit alten tradtionellen Sorten. Er ist Mitglied im Pomologen-Verein e.V. sowie Gründungsmitglied der ökologischen Züchtungsinitiative apfel:gut e.V.
Technik | Wissenschaft & Forschung, 05.10.2023
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