Italien verbietet den Verkauf von Laborfleisch
Christoph Quarch unterstützt die Entscheidung und möchte auf das Leben mit Nutztieren nicht verzichten
In Italien wurde vor wenigen Tagen ein Gesetz erlassen, das die Herstellung und den Verkauf von sogenanntem Laborfleisch verbietet: also von Fleischwaren, die nicht tierischer Herkunft sind, sondern im Labor erzeugt werden. Zwar sind solche Produkte in Europa bislang noch nicht erhältlich, doch will die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni offenbar einer möglichen Zulassung durch die EU vorbeugen. Die Begründung: Das Gesetz diene dem Schutz sowohl der italienischen Viehzüchter als auch der Konsumenten, da man noch zu wenig über mögliche gesundheitsschädigende Effekte des Laborfleisches wisse. Die Opposition kritisiert das Verbot als "anti-wissenschaftlich und anti-europäisch". Zurecht? Darüber sprechen wir mit unserem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, ist es klug, Verbote gegen Produkte auszusprechen, die es noch gar nicht gibt?
Naja, es gibt diese Produkte durchaus schon, nur noch nicht in Europa. Aber in den USA und in Singapur ist das Laborfleisch bereits im Handel. Und man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Hersteller darauf drängen werden, ihre Produkte innerhalb der EU vertreiben zu dürfen. So gesehen ist es jedenfalls nicht dumm, jetzt schon Pflöcke einzuschlagen, die Verbrauchern und Herstellern klar machen: So etwas wird es bei uns nicht geben. Der Vorwurf der Wissenschaftsfeindlichkeit ist für mich hier deplatziert. Es geht nicht um Wissenschaft, sondern um Technik. Und es dürfte sich von selbst verstehen, dass es Menschen freisteht, bestimmte Technologien aus moralischen Gründen abzulehnen.
Frau Meloni geht es aber nicht um moralische Gründe, sondern um den Schutz der heimischen Fleischindustrie. Haben die italienischen Tierschutzverbände nicht Recht, wenn sie kritisieren, das Gesetz sei ein rein „ideologisches Verbot".
Mag sein, aber vor allem ist doch die Frage: Welche Ideologie hat bei dieser Entscheidung Pate gestanden? Klar, bei Frau Meloni ist es ein italienischer Patriotismus, der gerne die „echte italienische Küche" oder Lebensmittel „Made in Italy" propagiert. Da sich die italienische Identität zu einem guten Teil über Nahrungsmittel definiert, ist Melonis Ansinnen nicht völlig abwegig, zumal die entsprechende Branche für die italienische Wirtschaft sehr wichtig ist. Und natürlich müssen sich die Tierschutzverbände fragen lassen, ob ihre Befürwortung von Laborfleisch nicht ebenso ideologisch motiviert ist – nur eben anders.
Tierschützer erhoffen sich vom Laborfleisch ein Ende der Massentierhaltung mit all ihren ethischen und ökologischen Implikationen. Das mag ideologisch sein, aber es ist doch ein sinnvolles Anliegen.
Absolut, zumal dann, wenn man in der ARD den Bericht über die Schweine-Hochhäuser in China gesehen hat – einem Land, das mehr als 50 Prozent des globalen Schweinefleischs konsumiert. Wenn man weiß, wie dort Tiere gehalten werden, kann man versucht sein zu sagen: dann lieber Labor-Fleisch. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, was geschähe, wenn wir eines Tages wirklich den Fleisch-Hunger der Welt durch Laborfleisch stillen? Vermutlich würde es Kühen und Schweinen ähnlich gehen, wie den Pferden im 20. Jahrhundert: Sie würden verschwinden. Vielleicht gäbe es hier und da noch ein paar Farmen, wo tierisches Fleisch im Luxussegment produziert wird. Vielleicht ist es Frau Melonis Vision, dass genau das in Italien geschehen soll.
Das heißt: Sie finden Melonis Laborfleisch-Verbot vertretbar, sind aber nicht grundsätzlich gegen Laborfleisch?
Als jemand der viel in Italien unterwegs ist, kann ich nachvollziehen, dass die dortige Regierung dieses Verbot erlässt. Was die Grundsatzfrage betrifft: Ich bin damit noch nicht fertig. Denn auch ich lehne Massentierhaltung ab; aber ich möchte nicht, dass es irgendwann keine Nutztiere mehr gibt, weil sämtliche tierischen Produkte synthetisch hergestellt werden. Das Leben mit Nutztieren ist ebenso wie das Essen von Tieren – sofern es in Maßen geschieht – im Einklang mit der Ordnung der Natur. Die künstliche Produktion von Fleisch hingegen ist es nicht. Wir wissen heute, dass es uns nicht guttut, die natürliche Ordnung zu ignorieren und uns die Natur untertan machen zu vollen. Genau diesen gefährlichen Mindset sehe ich hinter dem Laborfleisch – und tendiere eher zu einer grundsätzlichen Ablehnung.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
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Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".
Lifestyle | Essen & Trinken, 24.11.2023
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