Deep Fake zersetzt das Fundament der Demokratie
Christoph Quarch verurteilt Aktion des "Zentrums für Politische Schönheit"
Eine Künstlergruppe möchte die AfD verbieten lassen. Sie platziert gefälschte Plakate vor dem Bundeskanzleramt und veröffentlicht zeitgleich ein Deep-Fake-Video, in dem Olaf Scholz ein AfD-Verbot zu begründen scheint. So täuschend echt die vermeintliche Ansprache daher kommt: nichts von alledem ist wahr, sondern das Produkt einer generativen Künstlichen Intelligenz. Die Urheber deklarieren ihre Aktion als Satire, die Bundesregierung ist verärgert. Sie lässt über Regierungssprecher Steffen Hebestreit verlauten, dass man den Vorgang „nicht auf die leichte Schulter" nehmen könne, da solche Fälschungen Verunsicherung schüren und manipulativ seien. Wie weit dürfen Kunst und Satire gehen? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, können Sie den Ärger der Bundesregierung nachvollziehen?
Absolut. Was diese Künstlergruppe ausgeheckt hat, ist schlicht perfide: Man bringt eine nach allen Regeln der digitalen Kunst gefälschte Rede des Bundeskanzlers in Umlauf und versteckt sich hinter der Kunst- bzw. Satirefreiheit. Und dann ist das Ganze auch nicht irgendeine Rede, sondern dem Kanzler werden hoch brisante Worte in den Mund gelegt, die politischen Sprengstoff in sich tragen. Wie soll man sich dazu verhalten? Wenn man gegen die Künstler vorgeht, wird einem vorgeworfen, keinen Spaß zu verstehen und die Kunstfreiheit anzugreifen. Tut man das nicht, öffnet man genau die Tore zu digitaler Desinformation und Manipulation, die man derzeit mit einem gigantischen Kraftakt zu schließen bemüht ist. Wenn man in eine solche Zwickmühle gebracht wird, kann man nur pissed sein.
Das Künstlerkollektiv nennt sich „Zentrum für politische Schönheit" und sieht sich im Kampf für Menschenrechte und gegen politische Teilnahmslosigkeit. Das sind doch ehrenwerte Ziele.
Ja, das sind ehrenwerte Ziele, aber es sind allem voran politische Ziele. Das heißt: Die Initiative verfolgt eine politische Mission und nutzt dafür Mittel und Formate aus der zeitgenössischen Kunst. Das kann sie, weil sie sich auf den „erweiterten Kunstbegriff" beruft, der seiner Zeit von Joseph Beuys propagiert wurde und der den Wirkungskreis der Kunst in die Politik hinein erweitert. Dagegen ist meines Erachtens auch nichts einzuwenden, solange die Kunst dabei Kunst bleibt und nicht politisch instrumentalisiert wird. Letzteres aber tut diese Gruppe, wenn sie klare politische Forderungen über ihre Aktion transportiert.
Aber wo verläuft hier die Grenze? Gibt es überhaupt eine irgendwie objektivierbare Grenze zwischen Politik und Kunst?
Die Aktivisten würde das vermutlich bestreiten. Ich sehe das aber anders. Kunst – so haben es viele Künstler und Philosophen beschrieben – ist nicht dafür da, fixe Positionen zu vertreten oder Antworten zu geben. Wo sie das tut, wird sie als Kunst langweilig; und als Beitrag zur Politik ist sie bestenfalls interessant. Gute Kunst stellt Fragen, öffnet Räume, erweitert Horizonte. Davon kann ich bei der Anti-AfD-Aktion nichts erkennen. Gute Politik provoziert nicht bloß, sondern argumentiert und begründet. Auch davon kann ich nichts erkennen. Das heißt: Die Aktion ist weder gute Kunst noch gute Politik. Das einzig Positive, das ich ihr abgewinnen kann, ist dass sie auf die enorme Gefahr von generativen KIs in der Politik aufmerksam macht. Aber das war wohl nicht das Anliegen ihrer Urheber.
Und wenn doch?
Dann bliebe die Aktion immer noch problematisch. Denn eines ist es, mit Hilfe einer generativen KI ein Deep-Fake-Video zu produzieren und als Kunst zu deklarieren; ein anderes ist es, so zu tun, als wäre es echt und in Umlauf zu bringen. Letzteres ist einfach nur ein Akt gezielter Manipulation, der – ganz gleich ob Kunst oder Nicht-Kunst – von einem demokratischen Gemeinwesen nicht geduldet werden kann. Egal, welchen hehren Zweck man damit verfolgt: das angewandte Mittel Deep-Fake ist für die Demokratie so toxisch, dass alle davon Abstand nehmen müssen, denen wirklich an Humanismus und Menschenrechten gelegen ist. So oder so zersetzt Deep Fake das Fundament der Demokratie: das Vertrauen. Das können wir nicht achselzuckend hinnehmen.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
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