Energie- und Klimaplan: Deutschland droht, EU-Ziele im Verkehrs- und Gebäudesektor zu verfehlen
Verbändebündnis fordert in offenem Brief: Deutschland muss mehr tun, um verbindliche EU-Klimaziele zu erreichen
In einem offenen Brief fordern acht Umwelt- und
Entwicklungsorganisationen Bundeskanzler Scholz, Verkehrsminister
Wissing, Bauministerin Geywitz und Wirtschaftsminister Habeck auf, die
EU-Klimaziele auf sozial gerechte Weise zu erreichen und das EU-Recht
einzuhalten. Zurzeit erzielt Deutschland zwar große Erfolge im
Strombereich, verfehlt aber deutlich die verbindlichen Jahresziele der
Klimaschutz-Verordnung ("Effort-Sharing") und zwar insbesondere wegen
fehlender Maßnahmen in den Sektoren Verkehr und Gebäude. "Bleibt die
Ziellücke im Bereich Verkehr und Gebäude bestehen, wird die
Bundesregierung Zertifikate in Milliardenhöhe von anderen
EU-Mitgliedstaaten einkaufen müssen, statt das Geld für die notwendigen
Investitionen in Deutschland zu nutzen", sagt Lutz Weischer, Leiter des
Berliner Büros von Germanwatch.
Deutschland berichtet über seine Anstrengungen zur Erreichung der EU-Ziele in seinem Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP). Acht Umweltorganisationen haben den Entwurf dieses Plans bewertet. Ihr Fazit: Deutschland hinkt trotz großer Fortschritte in einigen Bereichen bei mehreren EU-Klimazielen und verbindlichen EU-Anforderungen hinterher.
"Weil Deutschland in einigen Sektoren verbindliche EU-Klimaziele verfehlt, gefährdet das Land als größter EU-Emittent die gemeinsame Erreichung der EU-Ziele für 2030. Damit machen wir uns auf EU-Ebene im Bereich der Verkehrs- und der Gebäudepolitik unglaubwürdig", sagt Florian Schöne, Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings (DNR).
Auch im Bereich Energieeffizienz gibt es Nachbesserungsbedarf. Dr. Leonard Burtscher, Referent für Energie- und Klimapolitik beim Umweltinstitut München: "Die Bundesregierung muss die Ziellücke für Energieeffizienz schließen und Maßnahmen ergreifen, mit denen das EU-Ziel realistisch erreicht werden kann. Um der Bedeutung der Energieeffizienz für die Energiewende gerecht zu werden, muss außerdem unbedingt das "Energy Efficiency First"-Prinzip gesetzlich verankert werden."
Besonders besorgniserregend ist der Mangel an Informationen über die notwendige Finanzierung der erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der EU-Ziele. Insgesamt werden die kumulierten zusätzlichen Investitionen, die für die Energiewende bis 2030 erforderlich sind, nicht berechnet, was die Vertrauenswürdigkeit des gesamten Plans belastet. Auch ein Zeitplan für das Auslaufen aller Subventionen für fossile Brennstoffe fehlt. Sebastian Bock, Geschäftsführer von Transport & Environment Deutschland dazu: "Die privilegierte Besteuerung von Diesel oder Dienstwagen wird im NEKP gar nicht erst berücksichtigt. Die Ampel kürzt die Klimapolitik zusammen, weil es angeblich an Geld mangele. Gleichzeitig traut sie sich nicht mal, die wirklich teuren und klimaschädlichen fossilen Subventionen als solche anzuerkennen."
Organisationen fordern mehr Transparenz und Beteiligung
Schließlich enthält der Entwurf des deutschen NEKP zu wenig Informationen über die geschätzten sozialen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen und weist auch keine Ausgleichsmaßnahmen aus. "Im Bereich Energiearmut sollte der NEKP konkrete Maßnahmen benennen, wie diese verhindert werden kann. Grundlage dafür ist die bislang fehlende Abschätzung, wie viele Haushalte von Energiearmut betroffen sind. An einem nationalen Richtziel sollte sich die Verringerung der Energiearmut ablesen lassen", sagt Andreas Wolter, Vorsitzender des Klima-Bündnis und Bürgermeister der Stadt Köln.
Die Öffentlichkeit hat mit der Governance-Verordnung und der Aarhus
Konvention ein Recht auf eine frühzeitige und inklusive Partizipation im
NEKP-Prozess. Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung keine
öffentliche Beteiligung ermöglicht. Wenn das so bleibt, drohen der
Bundesregierung rechtliche Konsequenzen, warnen die acht Umwelt- und
Entwicklungsorganisationen. In ihrem Brief fordern sie, dass in diesem
Jahr eine umfassende öffentliche Konsultation zur sozial gerechten
Erfüllung der EU-Klimaziele durchgeführt wird.
Der Offene Brief wurde unterzeichnet von:
- Deutsche Umwelthilfe
- DNR
- Germanwatch
- Klima-Bündnis
- Misereor
- Transport & Environment
- Umweltinstitut München e.V.
- WWF Deutschland
Kontakt: Germanwatch e.V., Katarina Heidrich | heidrich@germanwatch.org | www.germanwatch.org
Technik | Energie, 18.01.2024
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