Die deutsche Landwirtschaft und unsere Gesundheit
Der aktuelle Kommentar von Christian Kreiß
Die heutige
konventionelle Landwirtschaft ist in hohem Ausmaß ineffizient, teuer und
schädigt unsere Gesundheit, insbesondere die Gesundheit unserer Kinder.
Dabei wären politische
Gegenmaßnahmen denkbar einfach: Eine stufenweise Preiserhöhung der
gesundheitsgefährdenden Landwirtschaftsgifte und des Kunstdüngers.
Dadurch könnte die biologische Landwirtschaft dramatisch zunehmen, die
Herstellung unserer Lebensmittel würde sehr viel billiger und
unsere Gesundheit besser.
Pestizideinsatz
Laut dem jüngsten Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zum Absatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland für das Jahr 2021 sind derzeit 281 verschiedene Wirkstoffe zugelassen. Von ihnen wurden 2021 48.765 Tonnen abgesetzt. Das ist ein neuer Höchststand. So viele Ackergifte wurden noch nie in Deutschland eingesetzt. 1994 waren es noch 29.768 Tonnen gewesen.
In den letzten knapp dreißig Jahren hat sich der Gifteinsatz in der deutschen Landwirtschaft damit um etwa 64 Prozent erhöht. Die Umweltgifte gelangen nicht nur ins Grundwasser, sondern auch in unsere Lebensmittel, in unsere Lungen, in unser Blut und richten dort Schäden an. In einer Studie von 2013 wurden Stadtbewohner aus 18 europäischen Ländern auf Glyphosat getestet. 44 Prozent der untersuchten Personen hatten Glyphosat im Urin. In Deutschland waren es 70 Prozent. Was hat ein Gift wie Glyphosat in unserem Urin zu suchen? Was hat es zuvor in unserem Körper bewirkt? Auch in Brot, Blut, Regen, Flüssen und Muttermilch ist Glyphosat nachweisbar. Was hat ein Gift überhaupt überall dort zu suchen?
Nicht nur die in der Landwirtschaft massiv eingesetzten Giftstoffe richten hohe gesamtwirtschaftliche Schäden an, sondern auch der hohe Einsatz von Kunstdünger. Ein großer Teil dieser Kosten wird nicht von den Verursachern, den Landwirten und Chemiekonzernen getragen, sondern von der Allgemeinheit. Man spricht hier in der Volkswirtschaftslehre von „externen Kosten". 2020 wurde von der Bundesregierung eine hochrangig besetzte „Zukunftskommission Landwirtschaft" eingesetzt, die die externen Kosten der deutschen Landwirtschaft abschätzen und Gegenmaßnahmen empfehlen sollte. Die umfangreiche Studie wurde im August 2021 vorgelegt.
Externe Kosten der industriellen Landwirtschaft
Demnach belaufen sich derzeit die externen Kosten der deutschen Landwirtschaft in Form von Luftschadstoffemissionen, Wasserbelastungen, Bodendegradation und Verlust von Biodiversität auf 90 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht beinahe einem Fünftel des gesamten für 2023 geplanten Bundeshaushalts. Würde man diese äußerst hohen externen Kosten verursachergerecht auf die Produktpreise umlegen, müssten „für ein Kilogramm Rindfleisch die Erzeugerpreise etwa fünf- bis sechsmal so hoch ausfallen" wie momentan. „Für andere tierische Produkte müssten die Preise um das Zwei- bis Vierfache ansteigen". Bei pflanzlichen Produkten würden die Preisaufschläge geringer ausfallen.
In diesen 90 Milliarden sind ausdrücklich nicht enthalten „Kosten im Sozial- und Gesundheitssystem, die unter anderem durch Fehl- und Mangelernährung und deren gesundheitliche Folgen (zum Beispiel Adipositas) verursacht werden". Weitere nicht enthaltene Kosten wären die Schäden durch Allergien oder Antibiotikaresistenzen usw. Also die tatsächlich verursachten externen Kosten der deutschen Intensivlandwirtschaft, die Kosten, die wir in Form von erhöhten Wasserrechnungen, Arztrechnungen usw. bekommen, sind laut diesem offiziellen Bericht für die deutsche Bundesregierung sogar noch weit höher als 90 Milliarden Euro pro Jahr. Solange diese Art von industrieller Intensivlandwirtschaft anhält, werden wir sicher nicht gesünder werden.
Einfache Gegenmaßnahmen
Ein erster Schritt zur Lösung dieser hochgradig ineffizienten Verwendung von Pestiziden, Kunstdünger usw. wäre denkbar einfach. Man bräuchte beispielsweise nur Pestizide und Kunstdünger mit einer jährlich steigenden Abgabe belegen. Im ersten Jahr 10 Prozent auf den Verkaufspreis, dann 20 Prozent usw., bis sich beispielsweise nach 20 Jahren der Preis für diese Umweltvergifter und -belaster verdreifacht hat. Die Einnahmen daraus könnte man zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft einsetzen und für die Flurpflege durch Landwirte.
Dadurch müssten die wahren Verursacher dieser krankmachenden Landwirtschaft, die Chemieindustrie und diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe, die diese Gifte ausbringen, zunehmend für die derzeit real verursachten Kosten aufkommen. Im Laufe von vielleicht einer Generation würde der Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger weitgehend verschwinden und wir hätten statt einer sehr ineffizienten und gesundheitsschädigenden Landwirtschaft eine nachhaltige, effiziente und gesundheitsfördernde Lebensmittelherstellung.
Ende August hatte die Tagesschau unter dem Titel „Grenzwerte häufig überschritten – Pestizide in Bächen gefährden Artenvielfalt" dargestellt, dass in 80 Prozent der Bäche in Deutschland der Grenzwert für Pestizide laut einer Studie des Umweltbundesamtes überschritten sei. Die „Studie mit erschreckenden Ergebnissen" zeige, dass das Spritzen mit Giftstoffen durch konventionelle Landwirte die Artenvielfalt an den Rändern der Bäche dezimiere. Zur Lösung fragt die Tagesschau bereits in der Überschrift: „Helfen breitere Gewässerrandstreifen?". Damit lenkt die Tagesschau den Fokus etwaiger Gegenmaßnahmen ab von der eigentlichen Ursache der Misere: dem starken Spritzen der giftigen Pestizide durch konventionelle Landwirte. Statt an die eigentliche Ursache zu gehen, empfiehlt die Tagesschau kosmetische Randmaßnahmen. Werfen wir einen Blick auf die Hintergründe.
Pestizideinsatz
Laut dem jüngsten Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zum Absatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland für das Jahr 2021 sind derzeit 281 verschiedene Wirkstoffe zugelassen. Von ihnen wurden 2021 48.765 Tonnen abgesetzt. Das ist ein neuer Höchststand. So viele Ackergifte wurden noch nie in Deutschland eingesetzt. 1994 waren es noch 29.768 Tonnen gewesen.
In den letzten knapp dreißig Jahren hat sich der Gifteinsatz in der deutschen Landwirtschaft damit um etwa 64 Prozent erhöht. Die Umweltgifte gelangen nicht nur ins Grundwasser, sondern auch in unsere Lebensmittel, in unsere Lungen, in unser Blut und richten dort Schäden an. In einer Studie von 2013 wurden Stadtbewohner aus 18 europäischen Ländern auf Glyphosat getestet. 44 Prozent der untersuchten Personen hatten Glyphosat im Urin. In Deutschland waren es 70 Prozent. Was hat ein Gift wie Glyphosat in unserem Urin zu suchen? Was hat es zuvor in unserem Körper bewirkt? Auch in Brot, Blut, Regen, Flüssen und Muttermilch ist Glyphosat nachweisbar. Was hat ein Gift überhaupt überall dort zu suchen?
Nicht nur die in der Landwirtschaft massiv eingesetzten Giftstoffe richten hohe gesamtwirtschaftliche Schäden an, sondern auch der hohe Einsatz von Kunstdünger. Ein großer Teil dieser Kosten wird nicht von den Verursachern, den Landwirten und Chemiekonzernen getragen, sondern von der Allgemeinheit. Man spricht hier in der Volkswirtschaftslehre von „externen Kosten". 2020 wurde von der Bundesregierung eine hochrangig besetzte „Zukunftskommission Landwirtschaft" eingesetzt, die die externen Kosten der deutschen Landwirtschaft abschätzen und Gegenmaßnahmen empfehlen sollte. Die umfangreiche Studie wurde im August 2021 vorgelegt.
Externe Kosten der industriellen Landwirtschaft
Demnach belaufen sich derzeit die externen Kosten der deutschen Landwirtschaft in Form von Luftschadstoffemissionen, Wasserbelastungen, Bodendegradation und Verlust von Biodiversität auf 90 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht beinahe einem Fünftel des gesamten für 2023 geplanten Bundeshaushalts. Würde man diese äußerst hohen externen Kosten verursachergerecht auf die Produktpreise umlegen, müssten „für ein Kilogramm Rindfleisch die Erzeugerpreise etwa fünf- bis sechsmal so hoch ausfallen" wie momentan. „Für andere tierische Produkte müssten die Preise um das Zwei- bis Vierfache ansteigen". Bei pflanzlichen Produkten würden die Preisaufschläge geringer ausfallen.
In diesen 90 Milliarden sind ausdrücklich nicht enthalten „Kosten im Sozial- und Gesundheitssystem, die unter anderem durch Fehl- und Mangelernährung und deren gesundheitliche Folgen (zum Beispiel Adipositas) verursacht werden". Weitere nicht enthaltene Kosten wären die Schäden durch Allergien oder Antibiotikaresistenzen usw. Also die tatsächlich verursachten externen Kosten der deutschen Intensivlandwirtschaft, die Kosten, die wir in Form von erhöhten Wasserrechnungen, Arztrechnungen usw. bekommen, sind laut diesem offiziellen Bericht für die deutsche Bundesregierung sogar noch weit höher als 90 Milliarden Euro pro Jahr. Solange diese Art von industrieller Intensivlandwirtschaft anhält, werden wir sicher nicht gesünder werden.
Einfache Gegenmaßnahmen
Ein erster Schritt zur Lösung dieser hochgradig ineffizienten Verwendung von Pestiziden, Kunstdünger usw. wäre denkbar einfach. Man bräuchte beispielsweise nur Pestizide und Kunstdünger mit einer jährlich steigenden Abgabe belegen. Im ersten Jahr 10 Prozent auf den Verkaufspreis, dann 20 Prozent usw., bis sich beispielsweise nach 20 Jahren der Preis für diese Umweltvergifter und -belaster verdreifacht hat. Die Einnahmen daraus könnte man zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft einsetzen und für die Flurpflege durch Landwirte.
Dadurch müssten die wahren Verursacher dieser krankmachenden Landwirtschaft, die Chemieindustrie und diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe, die diese Gifte ausbringen, zunehmend für die derzeit real verursachten Kosten aufkommen. Im Laufe von vielleicht einer Generation würde der Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger weitgehend verschwinden und wir hätten statt einer sehr ineffizienten und gesundheitsschädigenden Landwirtschaft eine nachhaltige, effiziente und gesundheitsfördernde Lebensmittelherstellung.
Warum seit Jahrzehnten keine gesundheitsfördernde, umwelt-, tier- und menschengerechte Landwirtschaftspolitik auf nationaler und insbesondere auf europäischer Ebene verfolgt wird, liegt an der massiven Lobbytätigkeit in den politischen Entscheidungszentren durch Agro-, Lebensmittel- und Chemiekonzerne. Diese stellen sicher, dass Konzerninteressen, sprich Gewinninteressen der Aktionäre, durchgesetzt werden. Wie stark der Filz zwischen den Agro-Konzernen, Politikern und scheinbar unabhängigen Wissenschaftlern in Kontrollbehörden ist, zeigt recht anschaulich die Dokumentation von Global 2000 aus dem Jahr 2017: Glyphosat und Krebs: Systematischer Regelbruch durch die Behörden - Die Tricks von Monsanto und der Beitrag der Behörden, um Glyphosat vor einem Verbot zu retten.
Siehe auch: Deutsche Umwelthilfe klagt für sauberes Wasser und die Einhaltung der vorgeschriebenen Nitrat-Grenzwerte - teilweise schon mit Erfolg.
Christian Kreiß: Früher
Investmentbanker, seit 2002 Professor für Finanzierung an der
Hochschule Aalen und Autor zahlreicher Bücher, darunter das Buch "Werbung nein danke" (2016). Als Mitglied des Kuratoriums von forum Nachhaltig Wirtschaften skizziert
er Wege in eine menschlichere Wirtschaft. Sein 1919 erschienenes Buch
„Das Mephisto-Prinzip" kann auf dieser Website heruntergeladen werden: www.menschengerechtewirtschaft.de
Unter "Der aktuelle Kommentar" stellen wir die Meinung engagierter Zeitgenossen vor und möchten damit unserer Rolle als forum zur gewaltfreien Begegnung unterschiedlicher Meinungen gerecht werden. Die Kommentare spiegeln deshalb nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider, sondern laden ein zur Diskussion, Meinungsbildung und persönlichem
Engagement. Wenn auch Sie einen Kommentar einbringen oder erwidern
wollen, schreiben Sie an Alrun Vogt: a.vogt@forum-csr.net
Wirtschaft | Ethisches Wirtschaften, 04.02.2024
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