Sport als Vorbild für den Wandel
Handballverein Füchse Berlin versucht Sportbegeisterung auch für das Thema Nachhaltigkeit zu nutzen.
Waren Sie schon einmal live bei einer großen Sportveranstaltung? Die Stimmung ist unvergleichlich. Was, wenn man diese Begeisterung auch für das Thema Nachhaltigkeit nutzen könnte? Der Handballverein Füchse Berlin versucht genau das. Ein Bericht direkt aus dem Vereinsalltag.
Immer mehr Profi-Sportvereine haben ihre Verantwortung erkannt und machen sich auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Alle in unterschiedlichem Tempo, doch die Richtung ist klar: Ziel ist, Champion der Sustainability zu werden. Das Schöne für die Clubs – auf diesem Siegertreppchen ist Platz für alle.
Das Schöne für die Welt ist, dass sie dabei ihre Millionen von Fans mitnehmen. Denn kaum ein Bereich hat so viel Zugkraft, weckt so viel Begeisterung und bringt so viele Menschen in Bewegung wie der Profisport. Wenn diese Branche nun ernsthafte Schritte in Richtung Umwelt- und Klimaschutz unternimmt, sich sozial engagiert und das auch noch entsprechend kommuniziert, kann sie eine Wirkung erzielen, die weit über ihre eigenen Aktivitäten hinausgeht.
Die Füchse machen sich auf den Weg – der Fußball gibt den Takt vor
Das habe ich selbst gesehen, als ich den Posten als Nachhaltigkeitsvorstand beim Handballclub Füchse Berlin übernommen habe. Unser erster Schritt war selbstverständlich herauszufinden, wie groß der Impact des Vereins überhaupt ist und an welchen Stellen besonders viele Emissionen entstehen. Die Ergebnisse waren ernüchternd: In der Saison 2021/2022 haben wir insgesamt rund 650 Tonnen CO?-Äquivalente verursacht. Quellen waren vor allem die drei Bereiche Reisen, Gebäudeenergie in Trainingseinrichtungen und Geschäftsstellen sowie Abfall. Ich nehme an, dass das bei anderen Clubs ähnlich aussieht, auch wenn sich die Größenordnungen je nach Club und Sportart unterscheiden.
Doch wer die Probleme kennt, kann Lösungen entwickeln. Deshalb werbe ich immer wieder dafür, dass alle Sportclubs ihre Emissionen messen und transparent machen. Da geht zum Beispiel die Deutsche Fußball-Liga (DFL) voran: Marika Bernhard, Leitung Nachhaltigkeit der DFL, hat es geschafft, alle 36 Erst- und Zweitligaclubs zur ESG-Berichterstattung zu verpflichten. Sie müssen nun regelmäßig ihre Emissionen messen und konkrete Maßnahmen zur Minderung umsetzen.
Auf los geht´s los
Was für Maßnahmen können das sein? Wieder am Beispiel der Füchse fällt mir dazu einiges ein: Der Energieverbrauch in unseren Gebäuden lässt sich mit denselben Maßnahmen reduzieren, die auch andernorts funktionieren: Dämmung, energiesparende Geräte, moderne Haustechnik...
Unsere Heimat-Spielstätte, die Max-Schmeling-Halle, hat sich folgerichtig zum Ziel gesetzt, die grünste Arena Deutschlands zu werden – mit einer Photovoltaikanlage auf dem Hallendach, die den kompletten Stromverbrauch deckt, einer Dachbegrünung, die Heiz- und Kühlenergie spart und CO? bindet, und einem Biotop für Insekten. Natürlich wird das Wasser für die Duschen zukünftig von der Sonne erwärmt und die Heizung auf minimalen Verbrauch getrimmt.
Beim Abfall setzen wir auf Vermeidung, Wiederbenutzung und Recycling – in dieser Reihenfolge. Dank einem neuen Wasserfiltersystem in der Halle und im Vereinszentrum sparen wir zum Beispiel 30.000 Einweg-Plastikflaschen pro Saison ein.
Wer ein begeistertes Publikum hat, kann viel in Sachen Nachhaltigkeit bewegen.
Soviel Mobilität von Fans und Spielern
Im Bereich Reisen können wir natürlich nicht einfach zu Hause bleiben – wir wollen ja gegen Mannschaften aus anderen Städten und Ländern spielen, und das geht nicht per Videokonferenz. Da müssen wir bei jeder Reise abwägen: Wie können wir so klimafreundlich wie möglich reisen, ohne dabei die Fitness und Spielfähigkeit unserer Mannschaft zu beeinträchtigen? Innerhalb Deutschlands verzichten wir so gut es geht auf Flüge und die eigene Fahrzeugflotte stellen wir sukzessive auf Hybrid- und E-Mobilität um. Das kann jeder Club nachmachen (forum berichtete über die E-Flotten in den Bundesligaclubs in der Ausgabe 2-23). Ebenso achten wir nun bei der Auswahl von Trainingscamps auf eine kurze Anreise. Außerdem arbeiten wir daran, die Füchse-Fans bei der umweltfreundlichen Mobilität zu unterstützen, mit integrierten ÖPNV-Fahrscheinen in den Tickets und E-Ladestationen an der Halle. Denn die Außenwirkung ist ja, wie gesagt, das große Pfund des Profisports. Deshalb finde ich es auch super, dass die DFL sich so stark einsetzt, dass die Handball-Liga nun auch ein Nachhaltigkeitskonzept aufgesetzt hat und dass sogar die European Handball Federation (EHF) erste Schritte macht. So gewinnt die Thematik an Rückenwind.
Jemand muss vorangehen
In allen Sportarten gibt es Clubs und Vereine, die echte Vorreiter und Vorbilder in Sachen Nachhaltigkeit sind. Früher oder später werden die anderen Clubs nachziehen. Zum einen aus Reputationsgründen – wer will schon der emissionsstärkste Club in seiner Liga sein? Zum anderen, weil Sponsoren, dank zunehmend strenger Berichtspflichten, über kurz oder lang auch nach dem ESG-Profil der von ihnen unterstützten Clubs fragen werden. Oder ganz einfach, weil es klüger und langfristig auch viel preiswerter ist, verantwortungsbewusst zu handeln. Deshalb gilt es, den Sport als Botschafter des Wandels zu nutzen. Denn: Wer kann bei so vielen Menschen eine so große Begeisterung hervorrufen, wie der Sport es vermag? Sportvereine tun schon heute viel für die Gesellschaft, von der Nachwuchsförderung über Community Building bis hin zu sozialen Programmen. Dasselbe können sie auch für die Umwelt tun. Dabei können sie nur gewinnen – und wir alle mit ihnen.
Initiativen im Profisport
- Sustainability im Sport
Das Portal fasst die Nachhaltigkeitsbemühungen des internationalen Sports auf einer Plattform zusammen und bietet eine breite Palette an Ressourcen: zum Beispiel Verlinkungen zu Experten, Organisationen und Anbietern, die bei der Organisation und Durchführung von nachhaltigen Sportevents unterstützen, von We Play Green über Fly Green Alliance bis zu The Toolbox für Nachhaltigkeit.
sustainability.sport - UN-Initiative für Verantwortung
Die Initiative setzt sich auf internationaler Ebene ein für nachhaltige Praktiken im Sport. Ihre Ziele lauten: CO?-Neutralität und Zero Waste im Sportsektor bis 2030 sowie Verringerung der körperlichen Inaktivität um 15 Prozent.
www.sportsustainability.org - Die Green Sports Alliance
Nach eigenen Angaben ist sie die weltweit einflussreichste Organisation, die Interessenvertreter aus der ganzen Sportwelt – Teams, Ligen, Konferenzen, Veranstaltungsorte, Unternehmenspartner, Behörden, Sportler und Fans – zusammenbringt, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was in Sport, Wirtschaft und Gesellschaft ökologisch möglich ist.
greensportsalliance.org - Bewegung in Österreich
Die österreichische Initiative Move 4 Sustainability versucht dem Sport neue, nachhaltige Perspektiven aufzuzeigen und bietet interessierten Sportclubs, Schulen und anderen sportlichen Organisationen Vorträge, Workshops und mehr.
www.move4sustainability.com - Deutscher Olympischer Sportbund (DOS)
Der DOS hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln und dem Öko-Institut Darmstadt das Internetportal Green Champions 2.0 für nachhaltige Sportveranstaltungen entwickelt. Bemerkenswert hier: Nach Vorgabe eigener Veranstaltungsparameter wie z.B. Sommer/Winter, Indoor/Outdoor, Städtisches oder ländliches Umfeld etc. spuckt das Portal konkrete Handlungsempfehlungen aus.
www.green-champions.de/index.php?id=26&L=0 - sustainClub
Das erste Label für Nachhaltigkeit im Profisport. Gemeinsam mit der schweizerischen Organisation sustainable///sports hat die DEKRA einen Kriterienkatalog entwickelt, mit dessen Hilfe Profisportvereine in den Themenfeldern Umwelt, Emissionen und Energie, Management und Strategie sowie Stakeholder und Soziales auf Nachhaltigkeit überprüft werden. Clubs und Vereine, die mit sustainClub ausgezeichnet sind, engagieren sich nachweislich für einen niedrigeren ökologischen Fußabdruck, für wirtschaftliche Nachhaltigkeit und Transparenz sowie für eine positive Weiterentwicklung der Gesellschaft.
sustainclub.org - Vom Feld bis zum Fanshop
Solaranlagen auf dem Stadiondach, Mehrweggeschirr in den Stadien, die Bratwurst vom Bio-Bauern aus der Region – das Engagement des deutschen Profisports für mehr Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Auch die nachhaltige Beschaffung von Sporttextilien steht nun verstärkt im Fokus. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nutzt die gesellschaftliche Popularität des Fußballs, um wichtige Nachhaltigkeitsthemen noch stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) hat das BMZ im Frühjahr 2022 eine Partnerschaftsvereinbarung unterzeichnet. Bereits im Dezember 2021 hatten die Clubs der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga entschieden, dass Nachhaltigkeit künftig auch im Lizenzierungsverfahren der DFL eine stärkere Rolle spielen soll.
www.bmz.de/de/themen/sport/nachhaltigkeit-im-profisport-136322
Dr. Christopher Jahns ist Wissenschaftler, Unternehmer sowie Gründer und CEO von XU sustainable, einer Learning-Experience-Plattform für Nachhaltigkeit. Im Ehrenamt ist er Vorstand für Nachhaltigkeit & Entwicklung der Profihandballer Füchse Berlin.
Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 17.11.2023
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2023 mit dem Schwerpunkt Innovationen & Lösungen - Innovationen und Lösungen für Klima und Umwelt erschienen.
Pioniere der Hoffnung
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