Warum Frauen keine Angst vor Männerdomänen haben sollten

Frauen sind in führenden Positionen in Industrie und Ingenieurswesen unterrepräsentiert – doch das ändert sich glücklicherweise!

Laut statistischem Bundesamt sind Frauen in technischen Fachrichtungen wie dem Ingenieurswesen nach wie vor mit nur 27 % unterrepräsentiert. Dennoch zeichnet sich mit Blick auf die Vorjahre ein Trend ab, der zeigt, dass immer mehr Frauen in solchen Berufen arbeiten möchten. Das folgende Interview mit Anna-Lena Belm und Martina Waldmann, beide Mitarbeiterinnen aus dem Industrial Engineering bei einem Hersteller für Werkzeugmaschinen und Automationssysteme, sowie Anna-Karina Dawkins, Team Lead Marketing bei der Connected Worker Plattform Operations1 bietet Einblick in aktuelle Karrierepfade in einem sonst männerdominierten Berufsfeld. Das Gespräch liefert jede Menge guter Argumente, warum mehr Frauen einen Beruf in der Industrie ergreifen sollten. 

Anna-Lena Belm (r.) und Martina Waldmann (l.) © Operations1. ©

Die wichtigste Frage zuerst: Warum hat es euch als Frauen überhaupt in einen stark männerdominierten Beruf verschlagen? 
Martina Waldmann: Die ersten Berührungspunkte mit technischen Berufen hatten Anna-Lena und ich bei dem MUT-Projekt („MuT – Mädchen und Technik") in der Mädchenrealschule. Das war eine wirklich spannende Erfahrung, bei der wir Einblicke in verschiedene technische Ausbildungsberufe, darunter Industriemechaniker, Elektroniker für Betriebstechnik und technischer Produktdesigner erhielten. 

Anna-Lena Belm: Die Produkte des Familienunternehmens Liebherr im Bereich Verzahnungstechnik und Automation sind äußerst faszinierend und vielfältig. Die Anwendung neuester Technologien wie Robotik und das hochpräzise Arbeiten mit Verzahnungsmaschinen im Mikrometerbereich stellen eine besonders spannende Kombination dar.  Durch Martinas Weiterbildung zur Maschinenbautechnikerin und meinem Master-Studium zur Wirtschaftsingenieurin bewahrheitete sich der positive Eindruck, dass Frauen in einem von Männern dominierten Berufsfeld ebenfalls erfolgreich sein können.

Anna-Karina Dawkins: Nach meinem BWL-Studium absolvierte ich verschiedene Jobs in traditionellen Unternehmen. Als ich dann die Ausschreibung von Operations1 sah, wusste ich sofort, das ist es. Industrie und IT zu verbinden, finde ich sehr zukunftsgewandt, und die agilen Arbeitsweisen eines Start-ups kommen meiner Art zu arbeiten sehr entgegen. Hier gibt es tagtäglich jede Menge Gründeresprit, vermengt mit innovativen Ideen, die schnell umgesetzt werden. So ist kein Tag wie der andere – das macht bis heute den Reiz an meinem Job bei Operations1 aus. 

Wo seht ihr Schwierigkeiten oder Herausforderungen für Frauen beim Einstieg in einen technischen Beruf?
Anna-Lena Belm: Interesse an technischen Themen und innovativen Lösungen sowie der Wunsch, Prozesse zu entwickeln und Produktionsabläufe zu optimieren, haben mich damals letztendlich dazu inspiriert, eine Karriere im Projektingenieurswesen einzuschlagen. Bereits in der Schule können technische Projekte in Fächern wie IT, Physik oder Chemie den Jugendlichen den Weg in die Welt der Technik weisen. Eine intrinsische Leidenschaft tut dann ihren Teil dazu.

Martina Waldmann: Es ist völlig normal, dass man zu Beginn der Berufslaufbahn vor Schwierigkeiten und Herausforderungen steht. Schließlich kann niemand von Anfang an alles wissen. Der Schlüssel liegt darin, sich nicht entmutigen zu lassen und weiterzumachen. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Erfahrung für alle, unabhängig vom Geschlecht, gleich ist. Es geht darum, sich den Herausforderungen zu stellen und aus ihnen zu lernen, um sich weiterzuentwickeln und erfolgreich zu sein.

Digitalisierung der Industrie – warum braucht es sie, und wie seht ihr euren Beitrag daran? 
Martina Waldmann: Wir müssen mit der Zeit gehen und sicherstellen, dass unser Unternehmen stets auf dem neuesten Stand bleibt. Durch die Digitalisierung können Prozesse effizienter gestaltet und vereinfacht werden, aber wir müssen uns auch stetig an die Veränderungen, die damit einhergehen, anpassen. Auch wenn das nicht immer einfach ist. 

Anna-Lena Belm: Es ist von wesentlicher Bedeutung, die Mitarbeitenden in diesem Prozess mitzunehmen, was allerdings oft Überzeugungsarbeit erfordert. Ich habe im Zuge meiner Bachelorarbeit ein Konzept zur papierlosen Produktion erarbeitet, welches wir auf die gesamte Fertigung ausgerollt haben. Sobald die Mitarbeitenden den Nutzen der Digitalisierung erkennen, läuft vieles von selbst. Unsere Aufgabe besteht darin, gemeinsam mit den Mitarbeitenden die beste Lösung zu finden und sie dabei zu unterstützen, sich in dieser neuen digitalen Umgebung zurechtzufinden.

Anna-Karina Dawkins: Bei allen Digitalisierungsbestrebungen ist diese Unterstützung der Mitarbeitenden von entscheidender Bedeutung, da sie die eigentlichen Träger der Veränderungen sind. Nur mit dem richtigen Change-Management können wir Mitarbeitende auf die Reise der Digitalisierung mitnehmen und aktiv in den Transformationsprozess einbeziehen. Daher betrachte ich die Digitalisierung nicht nur als technologisches Upgrade, sondern als ganzheitlichen Ansatz, der Mitarbeitende befähigt, das Unternehmen und die Gesellschaft positiv zu verändern.

Was macht euren persönlichen Führungsstil beziehungsweise einen guten Führungsstil aus?
Anna-Lena Belm: Es ist entscheidend, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren und einander vertrauen können, nur so wird jeder sein Bestes für die gemeinsame Sache geben. Auf diese Weise gewährleisten wir den Erfolg unserer Arbeit. Für mich verkörpert eine gute Führungskraft eine ausgewogene Mischung aus Vorbildfunktion, Zielstrebigkeit, Freude an der Arbeit und Menschlichkeit. Dabei ist es unerlässlich, stets die Menschlichkeit im Blick zu behalten.
 
Anna-Karina Dawkins: Ich lege großen Wert darauf, meinen Kolleginnen und Kollegen Freiraum für eigene Ideen und Eigenverantwortung zu bieten – Micromanagement ist für mich ein No-Go. Mein Führungsstil zielt darauf ab, ein Umfeld zu schaffen, in dem Vertrauen, Eigenverantwortung, Lernen aus Fehlern und der gemeinsame Spaß an der Arbeit im Vordergrund stehen. Insgesamt ist für uns bei Operations1 das Mitarbeitenden-Feedback aus den unterschiedlichen Abteilungen sehr wichtig. Aus dem Grund haben wir eine Open-Door Politik und veranstalten wöchentliche Townhall Meetings. Das gesamte Team soll möglichst von Punkt null an in Entscheidungsprozesse miteingebunden werden, denn nur so können wir garantieren, dass alle hinter einer Idee steht und an einem Strang ziehen. 

Unternehmen werden immer diverser, vor allem aber treffen mehrere Generationen aufeinander. Wie handhabt ihr den Wissenstransfer zwischen Berufseinsteigenden und altgedienten „alten Hasen", die in den kommenden Jahren in den Ruhestand treten?
Martina Waldmann:  In unserem Unternehmen legen viele Mitarbeitende großen Wert darauf, ihr Wissen weiterzugeben. Unser Chef bringt viel Führungserfahrung mit und steht uns immer zur Seite, wenn wir einen guten Rat benötigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Mischung aus „alten Hasen" und den „jungen Wilden" stets eine faszinierende Dynamik erzeugt. Aus diesem Grund streben wir in all unseren Projekten danach, das Beste aus den Erfahrungen der älteren Kolleginnen und Kollegen und den frischen Perspektiven der jüngeren Mitarbeitenden zu kombinieren, um jeweils das beste Ergebnis zu erreichen.

Anna-Karina Dawkins: Immer mehr Unternehmen, besonders in der Fertigung, kämpfen damit, dass die „alten Hasen" bald in Rente gehen werden. Es sind enorme Wissensschätze, die mit ihnen das Unternehmen verlassen würden. Mit unserer Connected Worker Plattform Operations1 helfen wir, Arbeitsschritte genauestens in Checklisten oder elektronischen Protokollen für alle nachfolgenden Mitarbeitenden digital festzuhalten und so Wissen für nachfolgende Generationen zu sichern. Das führt im ersten Schritt zu einer Entlastung der Vorarbeitenden, die sonst viel Zeit mit der Einweisung neuer Mitarbeitenden verbringen würden, hat aber auch den langfristigen Effekt, dass das gesamte Unternehmenswissen digitalisiert und so quasi für die Ewigkeit aufbewahrt ist. 

Die zukünftige Veränderung der Produktion wird maßgeblich durch die fortschreitende Digitalisierung und die Integration neuer Technologien geprägt sein. Unsere Connected Worker-Studie zeigt aber auch, dass eine vollständig automatisierte, bedienerlose Fertigung, auch bekannt als Lights Out Manufacturing, in den nächsten Dekaden nicht als realistisches Zukunftsbild angesehen wird. Dennoch wird sich das Berufsbild selbst, auch weil wir künftig viel mehr digitale Tools und Künstliche Intelligenz in den Prozessen wiederfinden, entsprechend um neue Kompetenzen erweitern. Das setzt ein entsprechendes Skill-Set bei den Nachwuchskräften voraus bzw. muss in Ausbildungsleitfäden verankert sein.
 
Abschließende Frage: Welchen Rat würdet ihr Frauen geben, die eine Karriere in technischen Bereichen anstreben oder bereits in diesen Bereichen tätig sind?
Martina Waldmann: Mein Rat ist, mit Freude und Hingabe an die Arbeit heranzugehen. So kommt man am weitesten. Seid offen und dann kommt der Rest von allein.  Ich bin mir sicher, dass viele Frauen fachlich und menschlich bestens für eine Karriere in einem technischen Bereich geeignet sind. Traut euch – ihr könnt das! 

Anna-Lena Belm: Absolut, ich stimme dir vollkommen zu. Mir ist auch aufgefallen, dass gerade jungen Mädels nicht bewusst ist, wie viel sie erreichen können. Dabei spielt vor allem Begeisterung und Leidenschaft eine entscheidende Rolle, um die notwendige Ausdauer mitzubringen, welche für einen erfolgreichen Projektabschluss notwendig ist – und die bringen viele junge Mädchen mit! 

Anna-Karina Dawkins: Der Trend zu mehr Frauen in der Industrie zeichnet sich bereits ab. Das wird auch in den kommenden Jahren meiner Meinung nach weiter zunehmen, so dass sich die „Männerdomäne" Industrie immer mehr zu einem diversen Arbeitsplatz wandelt. 

Kontakt: PR13, Frederike Dörseln | fd@pr13.de | www.pr13.de


Gesellschaft | Megatrends, 03.03.2024

     
        
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