ToGo-Mehrweg­verpackungen

Herausforderungen auf dem Weg zum nachhaltigen Genuss

Wie lang ist eigentlich die Nutzungsdauer eines Einwegbechers für einen Kaffee zum Außer-Haus-Verzehr? ...fünf Minuten, zehn Minuten oder vielleicht doch etwas länger? Die genaue Zeitdauer ist eigentlich unerheblich. Klar ist, dass die Zeit für Produktion, Transport und Entsorgung eines Einwegbechers um ein Vielfaches länger ist als die Zeit der zweckbezogenen Nutzung. Hinzu kommt, dass viele Einwegbecher am Ende nicht fachgerecht entsorgt werden, sondern als Müll in unserer Umwelt landen.

© Kühne Logistics University
Eine Studie des WWF zeigt, dass 2022 im deutschen Gastronomie-, Hotellerie- und Cateringsektor mehr als 13,5 Milliarden Einwegverpackungen für Speisen, Getränke und Süßwaren verkauft wurden. Zeit, dass sich was dreht.

Innovationen in Bezug auf Materialien und bessere Recyclingfähigkeit verbreiten sich seit einigen Jahren. Aber nicht erst seit der Einführung der Mehrwegangebotspflicht für Speisen und Getränke für den Außer-Haus- (ToGo-)Verzehr Anfang 2023 gibt es einen rasanten Anstieg von Anbietern von ToGo-Mehrwegverpackungen (z.B. die Poolanbieter Recup/Rebowl, Relevo oder Vytal). Auch im Konsumgüterbereich gibt es neue Konzepte für Mehrweglösungen, wie das Start-up dotch mit einer Mehrwegflasche für Speiseöle oder das Hamburger Unternehmen SEA ME, welches sich auf Mehrwegverpackungen in der Drogeriebranche fokussiert.

Problem Skalierung
Trotz ehrgeiziger Initiativen der Industrie und immer neuen Start-ups mit innovativen Mehrwegkonzepten, gestaltet sich die Skalierbarkeit und somit eine großflächige Implementierung von Mehrwegverpackungssystemen im ToGo-Bereich als schwierig. Neben einer mangelnden Akzeptanz beim Endkunden ist die fehlende beziehungsweise nicht standardisierte Infrastruktur ausschlaggebend für diese zögerliche Skalierung.

Endkunden beklagen oft die Komplexität von Mehrwegsystemen aufgrund der verschiedenen Anbieter von Mehrwegverpackungen mit unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten (Pfand oder App-basierte Zahlungen) und Rückgabestationen (oft nur bei den jeweiligen Ausgabestellen). Neben Kosten und Hygienefaktoren ist aus Kundensicht entscheidend, dass der Mehrwegbehälter nach der Nutzung schnell und bequem zurückgegeben werden kann. Um diesen Skalierungseffekt zu erreichen, benötigt es ein dichtes Netz an Rückgabestellen. Für ein solches Rückgabenetz mangelt es zurzeit allerdings noch an einer ausreichenden Reinigungs- und Logistikinfrastruktur.

Beispiel einer Closed-Loop Supply Chain für ToGo Mehrwegverpackungen. © Kühne Logistics University
Der überwiegende Teil zurückgegebener Mehrwegbehälter für ToGo-Speisen und -Getränke wird durch den Gastronomen beziehungsweise den Einzelhändler gereinigt. Andere Mehrwegsysteme investieren oft in Insellösungen für die Reinigung und Logistik ihrer Mehrwegverpackungen. Diese Strategie ist jedoch schwer skalierbar. Die hohen Investitionskosten für den Aufbau einer robusten und effizienten Infrastruktur sind mit nicht kalkulierbaren Risiken verbunden und somit eine enorme Hürde, um großflächig auf Mehrweg umzustellen. Um Mehrwegverpackungen in großen Mengen zügig zu reinigen, werden systemübergreifende Lösungen verschiedener Anbieter benötigt, welche nur durch enge Zusammenarbeit von Unternehmen entlang der Mehrweg Supply Chain erreicht werden können.

Dafür sind die wirtschaftlichen Anreize im Moment noch zu gering. Regierung und Regulierungsbehörden müssen deshalb durch staatliche Anreize beziehungsweise erhöhte Umweltauflagen das Wachstum und die Skalierung von Mehrwegsystemen fördern und Vermeidungs- und Wiederverwendungsziele oder Rücknahmeverpflichtungen einführen. Weiterhin können sie den Markt finanziell unterstützen, um Reverse-Logistik-Prozesse rentabler zu machen.

Von existierenden Systemen lernen
Mehrwegsysteme sind seit vielen Jahren ein integraler Bestandteil unserer Wirtschaft. So managen viele Unternehmen Logistiksysteme für Mehrweg-Transportverpackungen (z.B. Paletten, Container, Boxen). Im B2C-Segment gibt es Mehrwegsysteme für Getränkeflaschen (Mineralwasser, Biere etc.) und die MMP („Mach Mehrweg Pool") für Flaschen und Gläser. Neue Mehrwegsysteme können von den etablierten Playern lernen: Um ein flächendeckendes Netz von Rückgabe- und Reinigungsstationen aufzubauen und Kosten effizient zu managen, benötigt es Logistik- und Reinigungsprozesse, die nur durch einen gewissen Grad an Standards (z.B. Form, Material, Etikett, Pfandabrechnung, Reinigung etc.) gewährleistet werden können. Dies führt zu Kosteneinsparungen bei Einkauf, Lagerhaltung und Logistik.
„Es braucht einen grundlegenden Systemwechsel:
Weg von isolierten Einzellösungen, hin zu einer umfassenden, gemeinschaftlich getragenen Mehrwegstrategie.”
 
Da die Massenproduktion von standardisierten Verpackungen in der Regel günstiger ist als die Herstellung einer Vielzahl von individuellen Designs, können Beschaffungskosten gesenkt werden. Es ermöglicht zudem die Kompatibilität bei Reinigungs- und Logistikprozessen über verschiedene Lieferketten und Branchen hinweg. Diese Struktur erleichtert den Austausch zwischen verschiedenen Unternehmen. Dies führt insgesamt zu geringeren Lagerbeständen und weniger Transporten von Mehrwegverpackungen, was wiederum Kosten reduziert und sich positiv auf die Skalierung von Mehrwegsystemen auswirkt. Derart standardisierte Produkte und Prozesse tragen zu einer Reduktion von Verpackungsabfällen und einer Verringerung der Umweltbelastung bei. Eine höhere Effizienz von Logistiksystemen führt zu einer höheren Umlaufgeschwindigkeit von Mehrwegbehältern. Obwohl jede einzelne Mehrwegverpackung mehr Material und Energie bei der Produktion benötigt als eine Einwegverpackung, können Mehrwegsysteme so zu einer erheblichen Verringerung des Gesamtmaterialverbrauchs führen, wenn die Systeme funktionieren und die Verpackungen oft genug wiederverwendet werden.

Sandra Transchel ist Professorin für Supply Chain & Operations Management an der Kühne Logistics University und forscht u.a. in den Bereichen Lagerbestandsplanung und Lieferkettenmanagement geschlossener Logistikkreisläufe.

Sandra Luttermann ist Senior Scientist an der Kühne Logistics University und ihre Forschung konzentriert sich auf nachhaltige Logistik und Supply Chains.

Umwelt | Ressourcen, 01.03.2024
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2024 mit dem Schwerpunkt "Der Weg zum Mehrweg – Transport und Logistik" - Jede Menge gute Nachrichten erschienen.
     
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