Dankbarkeit und Verpflichtung

Deutscher Hochschulverband erinnert an 75 Jahre Grundgesetz

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz in einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rats in Bonn verkündet. Es gilt seit dem 3. Oktober für das wiedervereinigte Deutschland. Zum bevorstehenden Verfassungstag erklärt der Präsident des Deutschen Hochschulverbands (DHV), Professor Dr. Dr. h.c. Lambert T. Koch:

Professor Dr. Dr. h.c. Lambert T. Koch © DHVNach den unendlich leidvollen Erfahrungen des Nationalsozialismus bietet das Grundgesetz der Bundesrepublik seit nunmehr 75 Jahren einen verlässlichen Rahmen, der Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit garantiert. Zugleich gewährleisten Grundrechte, dass sich Wissenschaft hierzulande frei entfalten kann. Der umfassende Grundrechtsschutz, welcher Wissenschaftsfreiheit in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes eingeräumt wird, ermöglicht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbstbestimmt zu lehren und zu forschen. Was wissenschaftlich trägt und überzeugt, beurteilt ausschließlich die Scientific Community entlang methodisch-fachlicher Maßstäbe. Politisch-taktische Disposition und staatliche Verfügungsgewalt finden hier ihre Grenzen. Dank des so gewährten Freiraums werden neue Erkenntnisse beflügelt, unerwartete Ideen befördert. Es wird zu kritischem Denken ermutigt und so gesellschaftlicher Fortschritt möglich.

Gerade deshalb sollten wir uns an diesem Jubiläum bewusst machen, dass Wissenschaftsfreiheit alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist – im Gegenteil. Laut aktuellem „Academic Freedom Index" lebt derzeit nur noch jede dritte Person in einem Land, in dem die Wissenschaftsfreiheit gut bis sehr gut geschützt ist. Deutschland, das in der Geschichte des 20. Jahrhunderts zwei Diktaturen erleben musste, gehört dank des Grundgesetzes dazu. Deshalb ist dessen 75-jähriges Jubiläum ohne Zweifel ein Grund zu feiern und dankbar zu sein.

Doch auch hierzulande und in anderen westlichen Demokratien beobachten wir in wachsendem Maße Anfeindungen gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dem eigenen Weltbild zuwiderlaufende Forschungsaktivitäten und -ergebnisse werden diffamiert. Populistische Kräfte unterminieren den gesellschaftlichen Diskurs mit „Fake News" bzw. „alternativen Fakten". Vermehrt wird nationale Abschottung propagiert, wo man sich vor anderen Einflüssen fürchtet, statt auf die für den grenz- und kulturübergreifenden Austausch von Ideen unabdingbare Weltoffenheit von Wissenschaft zu setzen. Daher sind alle Bürgerinnen und Bürger zu Wachsamkeit aufgerufen. Demokratie und Wissenschaftsfreiheit müssen auch in der alltäglichen Verfassungswirklichkeit immer neu verteidigt werden.

Aufeinander bezogen und miteinander verwoben, leben Demokratie und eine freiheitliche Wissenschaft von konstruktivem Streit und der Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Wenn die Debattenkultur zusehends verroht und an die Stelle argumentativer Auseinandersetzungen Verunglimpfung, Hetze oder gar Gewalt treten, ist dies wichtiger denn je. Gerade Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer tragen zur Demokratiebildung maßgeblich bei, indem sie ihre Studierenden zum eigenständigen Denken motivieren und ihnen dabei einen gleichermaßen respektvollen wie kritischen Umgang mit konträren Positionen vorleben und vermitteln. Seit 75 Jahren ist dies ein Auftrag, dem wir uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verpflichtet fühlen. Mit seiner dialogorientierten Kommunikation möchte der DHV gemeinsamen Anstrengungen in diese Richtung Vorschub leisten, nicht zuletzt um unsere Demokratie angesichts aktueller Herausforderungen noch resilienter zu machen.

Kontakt: Deutscher Hochschulverband | presse@hochschulverband.de | www.hochschulverband.de/


Gesellschaft | Bildung, 19.05.2024

     
        
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