Magische 20 Prozent
Effizienzreserven schlummern überall
Die Finanzkrise weitet sich laut vieler Konjunkturauguren langsam auf die Realwirtschaft aus. Darum wird es aktuell besonders für produzierende Unternehmen existenziell wichtig, ihre Kosten auf den Prüfstand zu stellen. Gerade für Betriebe auf dem Weg zur Nachhaltigkeit ist es dabei von großer Bedeutung, nicht sofort die Personalkosten - und damit Arbeitsplätze - in einer Reflexhandlung zu kürzen, sondern die Material- und Energiekosten einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
In der Regel sind die Energiekosten des produzierenden Gewerbes nahezu doppelt so hoch wie die Personalkosten. Jeder Prozentpunkt, der dort durch optimierte Ressourcennutzung eingespart werden kann, hat also doppeltes Gewicht.
Mit einer klaren präventiven Vorgehensweise verschafft sich das Unternehmen die kreative Solidarität der Belegschaft und fördert so die soziale Wertfindung.
Effizienzreserven gemeinsam heben
Eine gelebte Kultur des Dialogs und der Offenheit fördert die Ideenfindung und damit den Erfolg des Prozesses. Nachhaltigkeit kann nicht von oben verordnet werden, sondern muss gemeinsam täglich gelebt werden. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Situation der gesamten Gesellschaft sich im Betrieb widerspiegelt: So mancher Unternehmer traut sich nicht, sich als "nachhaltig" zu outen, da er befürchtet, von Kundschaft und IHK-Kollegen als "grüner Spinner" abgestempelt zu werden. Zugleich sind auch innerhalb der Belegschaft die politischen Standpunkte heterogen. Es bietet sich also an, bei der Identifikation von Potenzialen die handfesten finanziellen mit den "nachhaltigen" Aspekten eng zu verknüpfen.
Dabei müssen alle verfügbaren Informationen auf den Tisch: Im Unternehmen muss zeitnah Kostentransparenz herrschen, sowohl hinsichtlich der "internen" ökonomischen als auch der "externen" ökologischen Kosten beispielsweise durchgerechnet anhand einer Folgeschädenabschätzung. Diese nötige Kostentransparenz stellt sowohl technisch als auch psychologisch für viele mittelständische Unternehmer eine ungewohnte Situation dar. Aber die Bereitschaft zur offenen internen Kommunikation ist der erste und wichtigste Schritt zum Einsparerfolg, da die Erfahrung zeigt, dass nachhaltige Optimierung Hand in Hand mit wirtschaftlichen Vorteilen geht.
Marschroute festlegen
In kreativen Prozessen wie einem motivationsstiftenden betrieblichen Vorschlagswesen, in Workshops oder Teamsitzungen entstehen Ideen, die zunächst sortiert werden müssen, um Umsetzungsprioritäten festzulegen. Alle Vorschläge gleichzeitig umzusetzen, würde jeden Betrieb völlig überfordern. Bei dieser Prioritätenbildung hat sich in der Praxis gezeigt, dass es in Unternehmen, die noch keine umfangreiche Erfahrung mit Transparenz und Teamarbeit gesammelt haben, zweckmäßig ist, sich nicht auf das Projekt mit dem größten Potenzial zu stürzen, dem oftmals auch die höchste Komplexität innewohnt. Besser ist es, sich kleinere, aber schneller und konfliktärmer umsetzbare Vorhaben als Startprojekte auszusuchen. Im Klartext: Die an Nachhaltigkeitszielen orientierte hoch profitable Änderung von Dienstwagenregeln, also der Einsatz kleinerer Fahrzeuge oder auch das Propagieren von Car-Sharing, setzt oftmals viele psychische Widerstände frei und zieht so auf längere Zeit ein sehr konfliktbeladenes Klima im Betrieb nach sich. Ein solches Projekt kann erst in erfahrenen Organisationen erfolgreich realisiert werden. Am Anfang sind unumstrittene "Erfolgsgeschichten" gefragt.
Schlüsselfaktor Unternehmenskultur
Erfolge sind nur in einer offenen und veränderungsbereiten Unternehmenskultur möglich. Das macht jedes Mitglied der Belegschaft zu Recht stolz auf das Erreichte und weckt - nach außen kommuniziert - die Neugier der Umwelt. Transportieren lässt sich substantiell Erreichtes an eine breite Öffentlichkeit durch Nachhaltigkeitsberichte oder Pressemitteilungen. Damit wird deutlich, dass Nachhaltigkeit keine Propaganda-Show ist, sondern dem Betrieb und der Umwelt hilft.
Best-Practice-Beispiele, die Mut machen Gerstensaft energieeffizient produziert Traditionell ist der Bedarf an Prozessenergie in Brauereien, insbesondere im Sudhaus, sehr hoch. Ein erheblicher Anteil der Wärme wird dazu benötigt, einen Teil der Malzwürze zu verdampfen, um den erwünschten Stammwürzegrad im Bier zu erzielen. Über eine neue Technologie und Verfahrensänderung beim Sudprozess wird die Verdunstung nicht mehr über eine hohe Temperaturführung, sondern über eine Vakuumverdampfung erreicht. Damit lassen sich im Sudhaus bis zu 20 Prozent Prozessenergie einsparen - mit entsprechend positiven Folgen für die CO²-Bilanz. Angesichts der hohen Energiepreise liegt die Amortisationszeit für derartige Anlagen unter fünf Jahren. Energieeinsparung beim Trocknen Erfolgreich verbesserte ein mittelständischer Hersteller bauchemischer Produkte seine Energiebilanz, indem er die Druckluftversorgung für die Materialförderung und Steuerung von Anlagen optimierte. In der weit zurückliegenden Investitionsphase hatte man sich für Druckluft mittels Adsorptionstrocknern entschieden. Mittlerweile waren die Stromkosten enorm gestiegen und das Projektteam fand heraus, dass diese Trockner große Energiemengen benötigten und zusätzlich ein bestimmtes Druckniveau außerhalb der Produktionszeiten aufgrund von falschen Ventilen vorzuhalten war. Mit relativ geringen Investitionen konnte eine zeit- und taupunktabhängige Steuerung installiert werden, welche die Energiekosten und damit die CO²-Belastung um 50 Prozent reduzierte. Die Amortisationszeit betrug dabei weniger als ein Jahr. Produktionsabfälle verwerten Bei einem Hersteller von Betonprodukten fielen bis zu fünf bis zehn Prozent der Produktion als Ausschuss-Beton an, der mit hohen Transport- und Entsorgungskosten verbunden war. Über eine Änderung von Rezepturen und Aufnahme neuer, technisch weniger anspruchsvoller Produkte konnten diese Abfälle vollständig in Fertigprodukten weiterverarbeitet werden. Der geringere Zementverbrauch verbessert erheblich die CO²-Bilanz und die verringerte Kiesmenge schont die natürlichen Ressourcen. Auch Deponieraum wurde so eingespart. |
Im Profil Gottfried Härle ist Inhaber und Geschäftsführer der Brauerei Clemens Härle, Leutkirch im Allgäu. Jan-Karsten Meier ist Geschäftsführer in der Baustoff-Industrie und Inhaber einer Unternehmensberatung in Essen. Beide sind im Bundesvorstand von UnternehmensGrün e.V. engagiert. UnternehmensGrün e.V. ist ein bundesweit arbeitender politisch unabhängiger Zusammenschluss von Unternehmen, Selbstständigen und leitend in der Wirtschaft Tätigen. Seit 1992 setzt sich der Bundesverband der Grünen Wirtschaft im Gesetzgebungsverfahren oder bei der Formulierung von Rahmenbedingungen vor allem für die Interessen kleiner und mittelständischer Unternehmen ein, die versuchen, im Einklang mit unseren Lebensgrundlagen ökologisch zu wirtschaften. www.unternehmensgruen.de |
Quelle:
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 12.12.2008
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