Levi's: Zulieferer verstößt gegen Arbeitsrechte
Aktuelle Studie des NGO Worker Rights Consortium recherchiert über Arbeitsrechtsverletzungen
Der Textil-Gigant Levi's muss sofort die Menschenrechtsverletzungen bei seinem türkischen Lieferanten abstellen. Das fordert die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, kurz CCC). Die Özak-Fabrik in Südost-Anatolien, dessen alleiniger Auftraggeber Levi Strauss ist, entließ Ende 2023 rund 400 Beschäftigte fristlos. Diese hatten zuvor demonstriert gegen Arbeitsrechtsverstöße sowie für ihr Recht, einer unabhängigen Gewerkschaft beizutreten. Levi's hat seine Zusage, beim Lieferanten auf die Beseitigung der Missstände zu dringen, bislang nicht erfüllt. Das zeigt eine aktuelle Studie des Worker Rights Consortium, einer NGO, die über Arbeitsrechtsverletzungen recherchiert.
Wer streikt und gegen Arbeitsrechtsverletzungen protestiert, fliegt – nach dieser Devise handelt der Levi's-Zulieferer, die Özak-Fabrik im türkischen Sanliurfa. Dort hatten am 27. November 2023 hunderte Beschäftigte einer Fabrik, die zur Özak Global-Gruppe gehört, ihre Arbeit niedergelegt. Der Anlass des Streiks: Der Betrieb hatte Seher Gülel entlassen, die in der Gewerkschaft BIRTEK-SEN aktiv ist. Auf Drängen von Özak verboten lokale Behörden die friedlichen Demonstrationen der Näher*innen. Sicherheitskräfte gingen mit Tränengas, Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Streikenden vor und verhafteten etliche von ihnen. Die Özak-Gruppe entließ 400 Streikende. „Die Botschaft war klar: Wenn ihr eure Rechte wahrnehmt, werden wir euch bestrafen", sagt Bettina Musiolek von der Kampagne für Saubere Kleidung.
BIRTEK-SEN, Worker Rights Consortium und CCC informierten Levi Strauss & Co. über die Verstöße gegen die Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, gegen das türkische Arbeitsgesetz sowie gegen Levi's eigenen Verhaltenskodex. Der US-Konzern versprach, den Fall vor Ort zu untersuchen. Ende 2023 erklärte der Jeans-Gigant, man unterstütze das Recht der Beschäftigten auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit. Man habe Özak aufgefordert, die entlassenen Streikenden wiedereinzustellen. Sollte das nicht passieren, werde man die Geschäftsbeziehungen mit dem türkischen Lieferanten überdenken, versicherte der US-Textilhändler.
Ein halbes Jahr später steht fest: Levi Strauss hat das Zugesagte nicht umgesetzt – und lässt weiterhin im türkischen Werk produzieren. Das belegt ein aktueller Bericht des Worker Rights Consortium (WRC).
„BIRTEK-Sen kämpft dafür, dass Vorarbeiter insbesondere junge Frauen nicht mehr willkürlich einschüchtern und belästigen, den Beschäftigten keine illegalen Überstunden aufbrummen oder sie unter Druck setzen, die Gewerkschaft zu verlassen", stellt Musiolek fest. Gemeinsam mit der Gewerkschaft BIRTEK-SEN fordert die Kampagne für Saubere Kleidung von Levi Strauss und der Özak-Global-Gruppe, alle Ende 2023 im Wer in Sanliurfa entlassenen Beschäftigten ohne Vorbedingungen wieder einzustellen und ihnen den durch die widerrechtliche Entlassung entgangenen Lohn nachzuzahlen. „Wer nicht zu Özak zurückkehren möchte, muss die volle Entschädigung nach türkischem Gesetz erhalten", so Musiolek. Außerdem müssten sowohl der Zulieferer als auch Levi's die Gewerkschaft als Verhandlungspartner anerkennen und für faire Arbeitsbedingungen sorgen.
Funda Bakis, eine der Aktivistinnen unter den Arbeitenden:
„Wir haben unser verfassungsmäßiges Recht wahrgenommen, einer Gewerkschaft unserer Wahl beizutreten, um bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Deshalb wurden wir BIRTEK-SEN-Mitglieder. Vierhundert Beschäftigte wurden entlassen, weil sie dieses Recht in Anspruch nahmen. Wir produzieren für Levi’s. Obwohl wir der Jeansmarke vom ersten Moment an das Problem anzeigten, hat Levi’s nichts unternommen. Wir laden alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die Levi's-Bekleidung tragen, ein, uns zu unterstützen und von der Modemarke die Einhaltung unserer Rechte zu fordern."
Mehmet Türkmen, Präsident von BIRTEK-SEN:
"Levi's ist global führend in der Jeans-Industrie. Levi's-Produkte werden in über 50.000 Geschäften in über 100 Ländern weltweit verkauft. Die Modemarke stellt sich selbst so dar, als wären alle ihre Bekleidungsstücke ausbeutungsfrei und als würde sie Arbeitsrechte bei allen ihren Lieferanten respektieren. Derselben Firma sind ihre Özak-Beschäftigten egal, die über Monate für ihre Gewerkschaftsrechte wie für humane und menschenwürdige Bedingungen kämpften."
Christie Miedema vom Internationalen Büro der CCC:
„Levi Strauss hat es nicht nur total versäumt, Menschenrechtsverstöße ernsthaft zu bekämpfen, sondern darüber hinaus seine eigenen Befunde und Erkenntnisse dazu ignoriert. Da Levi Strauss als Auftraggeber 100 Prozent des Produktionsvolumens der Fabrik in Anspruch nimmt, hat die Marke allen Einfluss, die Fabriksleitung dazu zu bewegen, Vereinigungsfreiheit zu garantieren. Die Vereinigungsfreiheit ist eine ILO-Kernarbeitsnorm und damit ein Grundrecht. Seiner Verantwortung für dessen Umsetzung ist Levi Strauss nicht gerecht geworden."
Auch Hugo Boss und Zara Auftraggeber der Özak Global-Gruppe
Zu den Auftraggebern verschiedener Fabriken in der Özak Global-Gruppe an anderen Orten in der Türkei gehören Hugo Boss und Inditex/Zara. Verschiedene Initiativen wie die CCC hatten auch diese beiden Modemarken mit den Vorfällen und Arbeitsrechtsverstößen konfrontiert. Der Internationale Gewerkschaftliche Arbeitskreis Köln, IGAKK, hat unter dem deutschen Lieferkettengesetz einen diesbezüglichen Hinweis eingereicht. „Beiden Konzernen liegen nun Beweise vor, dass und wie ihr Lieferant Özak Global Arbeitsrechte verletzt – und beide sind dafür mitverantwortlich, dass ihre Lieferanten die Gewerkschaftsfreiheit einhalten", so Musiolek.
Levi Strauss setzte 2022 weltweit rund 6 Milliarden US Dollar um bei einem Nettogewinn von etwa 600 Millionen US-Dollar. Der Konzern lässt hauptsächlich in China, Bangladesch, Indien, Mexiko, Pakistan, Sri Lanka, Vietnam und der Türkei produzieren. Die türkischen Näherinnen und Näher erhielten im Dezember 2023 etwa 360 Euro netto im Monat. Das entspricht dem staatlichen Mindestlohn in der Türkei.
Hintergrund:
Die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, kurz: CCC) ist ein Netzwerk, das sich für die Rechte der Arbeiter*innen in den Lieferketten der internationalen Modeindustrie stark macht.
Kontakt: Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland e.V., Bettina Musiolek | bettina.musiolek@einewelt-sachsen.de | www.saubere-kleidung.de
Wirtschaft | Recht & Normen, 27.08.2024
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