Was wurde eigentlich aus...
... Felix Finkbeiner, dem Jungen, der mit neun Jahren startete, Bäume zu pflanzen und mit Plant-for-the-Planet eine weltweite Bewegung anstieß?
Felix Finkbeiner saß vor fast zwanzig Jahren als Kind auf einem Podium, das ich für die Unicredit moderieren durfte. Später traf ich ihn auf dem Vision Summit, auf meinem Podium bei Primavera oder beim Act Now Jugend Award von Auma Obama. Immer wieder war ich beeindruckt von seinem starken Willen und seiner Botschaft „Stop Talking. Start Planting.". Es folgten ein fast kometenhafter, internationaler Aufstieg seiner Stiftung Plant-for-the-Planet, aber auch bittere Rückschläge. Grund genug, zu schauen, was aus dem jungen Kämpfer geworden ist.
Felix ist so ein Mensch, bei dem man sich fragt, ob sein Tag mehr als 24 Stunden hat. Und er beweist, dass es kein Mindestalter gibt, um Großes zu erreichen. Dabei hat der heutige Doktorand der Umweltwissenschaften nicht immer den einfachsten Weg gewählt. Statt in einem bequemen Hörsaal zu sitzen, lebt der mittlerweile 26-jährige die Hälfte des Jahres in einem abgelegenen Dorf im mexikanischen Regenwald. Dort erforscht er für seine Doktorarbeit unter oft triefend nassen Bedingungen Mikroorganismen in Waldböden. In der restlichen Zeit baut er die von ihm und seiner Familie gegründete Stiftung weiter aus, gibt Interviews, hält Vorträge und arbeitet an einer internationalen Vernetzung - immer mit dem Ziel, Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise zu finden.
Damals: die große Vision eines Kindes
Doch zurück zu den Anfängen: Wer ist dieser junge Mann, der durch seine Stiftung Plant-for-the-Planet bekannt wurde und manchmal als Vorgänger von Greta Thunberg bezeichnet wird? Bereits als 9-jähriger entwarf Felix in einem Schulreferat seine Vision: „Lasst uns in jedem Land der Erde eine Million Bäume pflanzen!" Vor seiner Schule in Starnberg bei München fing er gleich selbst damit an, woraufhin Lokaljournalist*innen auf ihn aufmerksam wurden. Später gründete Finkbeiner Plant-for-the-Planet und sprach bald darauf mit nur 13 Jahren vor der UN. Dort rief er dazu auf, weltweit 1.000 Milliarden Bäume zu pflanzen – eine Vision, die mittlerweile verschiedene Studien in ihrer Machbarkeit bestätigen. 2009 erhielt er die Bayerische Staatsmedaille, nach drei Jahren pflanzte Plant-for-the-Planet bereits den millionsten Baum. 2011 war Finkbeiner laut Guardian einer der 20 „Green Giants", laut Focus einer der hundert einflussreichsten Deutschen, und 2018 überreichte ihm Bundespräsident Steinmeier das Bundesverdienstkreuz.
Heute: ein weltweites Netzwerk
Mittlerweile wurden über 100.000 Kinder und Jugendliche aus 76 Ländern von Plant-for-the-Planet als Botschafter*innen für Klimagerechtigkeit ausgebildet. Sie fordern die Regierungen ihrer Länder und Unternehmen dieser Welt auf, ihre CO2 Emissionen zu reduzieren, Wälder zu schützen und wiederherzustellen. Finkbeiners Antrieb ist die Vision einer wiederbewaldeten Welt, in der ein Teil der CO2 Emissionen durch Bäume natürlich gebunden werden. Doch gibt es einen entscheidenden Unterschied: Als Kind dachte er, Bäume pflanzen sei einfach. Heute weiß er, dass es weniger um einzelne Bäume geht, als darum, ganze Wälder wiederherzustellen. Das ist hochkomplex und so hat er bereits einige Krisen erleben und durchstehen müssen. 2020 etwa wurde das Renaturierungsprojekt der Stiftung auf der Yucatán-Halbinsel in Mexiko von mehreren Wirbelstürmen heimgesucht. Starkregen setzte die jungen Bäume wochenlang unter Wasser und quasi über Nacht waren 5 Prozent der bis dahin gepflanzten Bäume vernichtet. Analysen des Geländes ergaben später, dass die gewählten Flächen zwar besser als andere gegen Austrocknung geschützt, bei Starkregen aber nicht geeignet waren.
Krise: die Stiftung im Kreuzfeuer der Medien
Medien berichteten damals kritisch über den Verlust der Bäume und stellten diesen als fragwürdigen Umgang mit Spendengeldern dar. Die Strukturen der Stiftung und ihrer Kontrollgremien wurden kritisiert, der Familie Finkbeiner eine zu dominante Rolle in der Stiftung vorgeworfen. Die damals personell noch recht schmal aufgestellte Stiftung sah sich mit dem Medienecho überfordert und musste sich dem Vorwurf mangelnder Transparenz stellen. Jahrelang hatte die Maxime gegolten, so wenig wie möglich in Strukturen zu investieren und so viel wie möglich in die Stiftungsziele. Rückblickend eine Fehleinschätzung, die Konsequenzen spürt die Stiftung bis heute.
Ein herber Rückschlag, den auch Felix Finkbeiner erst einmal verarbeiten musste. Gerade die Vorwürfe bezüglich des Umgangs mit Spendengeldern haben ihn persönlich sehr getroffen. Die Stiftung beauftragte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PKF mit der Untersuchung. Diese stellte fest, dass alle Bäume wie angegeben gepflanzt worden waren. Die im Dauerregen ertrunkenen Setzlinge wurden in den folgenden Jahren an anderer Stelle nachgepflanzt. Finkbeiner setzt seither alles daran, die Renaturierungsarbeit der Stiftung auf ein solides wissenschaftliches Fundament zu stellen. Mittlerweile hat die Stiftung Kooperationen mit verschiedenen Universitäten aufgebaut und Ökolog*innen eingestellt. Sie wird von Fachleuten beraten und von einem externen Beirat kritisch begleitet.
Auch die internen Strukturen der Stiftung wurden professionalisiert. Die Familie Finkbeiner hat ihre Posten an einen externen Stiftungsrat und ebenfalls externe Vorstände abgegeben, die seit 2022 die Geschäfte der Stiftung führen. Auch die Kommunikationsabteilung wurde aufgestockt und seit 2021 veröffentlicht Plant-for-the-Planet jährlich einen Transparenzbericht, in dem die Aktivitäten sowie alle Einnahmen und Ausgaben der Stiftung für jedermann einsehbar sind. Im September 2021 wurde Plant-for-the-Planet schließlich in die Initiative Transparente Zivilgesellschaft aufgenommen. Die Stiftung ist also gemeinsam mit Finkbeiner erwachsen geworden.
Erkenntnis: Es braucht mehr als Bäume pflanzen!
Was bleibt ist der kämpferische Geist und die Suche nach immer neuen Wegen und Methoden um der Klimakrise doch noch etwas entgegenzusetzen. Zu einem wichtigen Ansatz der Stiftung hat sich dabei der Waldschutz entwickelt. In den Biosphärenreservaten Balam-Kin und Balam-Kú auf der Yucatán-Halbinsel etwa schützt Plant-for-the-Planet eine Fläche doppelt so groß wie Luxemburg. Diese Arbeit soll weiter ausgebaut werden, denn intakte Ökosysteme speichern deutlich mehr Kohlenstoff als degradierte Wälder, die renaturiert werden. Deshalb steht auch im größten Wiederherstellungsprojekt in Mexiko die Biodiversität im Vordergrund - hier werden bereits 40 verschiedene heimische Baumarten herangezogen und gepflanzt.
Um noch mehr Wirkung erzielen zu können, werden auf der Plant-for-the-Planet Restoration Plattform Spenden für 270 Partnerprojekte weltweit eingeworben, die vollständig an die Partner weitergegeben werden. Mehr als 70 Millionen Bäume wurden seit 2019 weltweit über die Plattform gespendet. Auf die Plattform kommt dabei nur, wer sich an die ökologischen und sozialen Renaturierungsstandards hält, die die Organisation mit ihren Ökolog*innen und externen Expert*innen entwickelt hat. Wer diese noch nicht erfüllt oder seine Arbeit verbessern möchte, kann sich von den Expert*innen der Stiftung kostenlos beraten lassen.
Chance: mit moderner Technologie den Wald retten
Finkbeiners Mission ist jedoch bedroht: Von der rasanten Entwicklung der Klimakrise, von zunehmenden Waldbränden und nicht zuletzt auch von einer zu langsam handelnden Politik. Die Stiftung verfolgt deshalb einen neuen, ganzheitlichen Ansatz: Von Digital Natives gegründet, ist Plant-for-the-Planet unter der Regie von Felix Finkbeiner und Sagar Aryal, der aus Nepal stammt und einer der ersten Botschafter für Klimagerechtigkeit war, in den letzten Jahren auch zu einem Tech-Hub geworden. So meldet etwa die FireAlert App kostenfrei und in Echtzeit Waldbrände auf Basis von NASA-Satellitendaten direkt aufs Smartphone. Ein halbes Jahr nach ihrer Einführung überwachen Nutzer*innen der App in 70 Ländern bereits eine Gesamtfläche größer als Brasilien - denn jeder Waldbrand ist ein Rückschlag für den Klima-, Umwelt- und Tierschutz.
Politisch zeigt die EU-Regulierung für entwaldungsfreie Lieferketten, dass ambitionierter Waldschutz möglich ist. Allerdings dürfen dabei nicht die Existenznöte der Menschen vor Ort vergessen werden. Um auch kleinbäuerlichen Betrieben im globalen Süden bei der Umsetzung des Gesetzes zu helfen, hat Plant-for-the-Planet die kostenlose Tracer App auf den Markt gebracht. Damit können Farmer*innen eine entwaldungsfreie Produktion nachweisen.
Finkbeiner untersucht also nicht nur tief im Regenwald die Funktionsweise der Mikroorganismen im Waldboden. Die von ihm gegründete Organisation und vor allem die Menschen, die sich ihm angeschlossen haben, setzen sich für eine lebenswerte Zukunft für alle ein. Dennoch sind seine gegenwärtigen Forschungsarbeiten Sinnbild seiner Mission: Die Mikroorganismen, so winzig und unscheinbar sie auch zu sein scheinen, spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem des Waldes. Und das zeigt: Der kleinste Beitrag oder die kleinste Idee zu einer grüneren Welt kann entscheidend sein, andere motivieren und, wie in Finkbeiners Fall, der Beginn einer weltweiten Veränderung werden.
Ein Beitrag von Fritz Lietsch
Umwelt | Klima, 01.09.2024
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