Aufstehen und sich Einmischen

Seit fast 40 Jahren dreht Bertram Verhaag mit seiner Produktionsfirma DENKmal-Film Dokumentarfilme.

140 Dokumentarfilme über Menschlichkeit und Respekt vor der Natur, für Nachhaltigkeit und über den Mut, sich einzumischen, sind das Vermächtnis von Bertram Verhaag. Der Regisseur und Produzent feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag. Grund genug für ein forum-Porträt.
 
Dem König beim Heckenschneiden zuschauen: Bertram Verhaag (rechts neben dem damaligen Prinz Charles) und Bernward Geier (links) haben mit ''Der Bauer und sein Prinz'' einen einmaligen Dokumentarfilm geschaffen. © DENKmal FilmDem König beim Heckenschneiden zuschauen: Bertram Verhaag (rechts neben dem damaligen Prinz Charles) und Bernward Geier (links) haben mit ''Der Bauer und sein Prinz'' einen einmaligen Dokumentarfilm geschaffen. © DENKmal Film
Seit fast 40 Jahren dreht Bertram Verhaag mit seiner Produktionsfirma DENKmal-Film Dokumentarfilme. Der Name ist Programm und steht symbolträchtig für seine kritischen Themen. In den vier Jahrzehnten seines Schaffens entstanden über 140 Filme, da­runter neun abendfüllende Kinoproduktionen. Verhaag ist ein „Sturschädel": Konsequent, beharrlich und nachhaltig fühlt er sich als Produzent, Autor und Regisseur aus­schließlich politischen, umweltpolitischen und sozialen Themen verpflichtet und fördert dabei demokratische Kultur und Bildung im weitesten Sinne. Er stellt dazu Menschen in den Mit­telpunkt seiner Filme, die sich bei gesellschaftlichen Fragen einmischen. Sein Credo: Nie­mand sollte sich ohnmächtig dem Dogma „Da kann man sowieso nichts machen!" fügen.

Ein Mann schwimmt gegen den Strom
Entgegen dem Angebot der Massenmedien beschloss Verhaag, sich nicht den Produktionsbedingungen des Fernsehens anzupassen. Er hatte nur gesellschaftlich relevante Themen im Blick und erzählte sie offen, spürbar subjektiv und verkündete dies auch im Vorspann mancher seiner frei produzierten Filme: „Dies ist kein objektiver Dokumentarfilm – weil es das nicht gibt!"

So entstanden in den letzten vier Dekaden aufrüttelnde Filme zu den wichtigen Themen unserer Zeit: In den 1980er Jahren kämpfte Verhaag mit fünf Filmen gegen die Nutzung der Atomkraft – Thema war der Bau der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Wackersdorf. Der bekannteste wurde der Film mit dem Titel „Spaltprozesse", wobei dieser Titel nicht nur auf die Spaltung des Atomkerns hinweist, sondern vielmehr auf die Spaltung der Bevölkerung in Befürworter und Gegner dieser Atomanlage.

Einer seiner berühmtesten Filme „Blue Eyed" (1996, 80 Min.) über die US-amerikanische Lehrerin und Antirassismus-Aktivistin Jane Elliott, brachte ihm neben 14 internationalen Preisen auch eine Nominierung bei der Oscar-Academy in Los Angeles ein: „One Of The Most Outstanding Documentaries Of The Year". Mit dieser Produktion zeigt sich deutlich, wie langlebig Dokumentarfilme von Bertram Ver­haag sein können. Es sind fast 30 Jahre ver­gangen, in denen der Film nichts an Präsenz und Aktualität eingebüßt hat und immer noch in der Arbeit gegen Rassismus weltweit einge­setzt und in 30 Ländern verkauft wird.

Im Kampf gegen die Gentechnik
Verhaags Film „Leben außer Kontrolle" (2004, 95 Min.) wurde in wenigen Monaten zum Stan­dardwerk über Gentechnik. In einer Reise rund um den Erdball wird dem Zuschauer vor Au­gen geführt, dass es sich bei der Einführung der Gentechnik in die Landwirtschaft nicht um eine Weiterentwicklung der konventionel­len Züchtungsforschung, sondern um ein hochriskantes Unterfan­gen ohne demokratische Legitimation handelt.

Sein wichtigster Film „Gekaufte Wahrheit – Gentechnik im Magnetfeld des Geldes" (2010, 88 Min.) ist ein dokumentarischer Thriller über die Freiheit der Wissenschaft. Er zeigt exempla­risch das Schicksal von Wissenschaftlern, die im Bereich Gentechnik forschten und nach Veröffentlichung gentechnisch kritischer Artikel mit Rufmord und Entzug ihrer For­schungsmittel hart bestraft wurden. Aus­sagen von Wissenschaftlern belegen, dass 95 Prozent der Forscher im Bereich Gentechnik von der Industrie bezahlt werden. Nur 5 Prozent sind unabhängig. Die große Gefahr für Mei­nungsfreiheit und Demokratie ist offensicht­lich. Damit stellt der Filmemacher die Frage in den Raum: „Kann die Öffentlichkeit – können wir alle – den Wissenschaftlern noch trauen?"

Vom Problem zur Lösung
Schon seit den Anfängen versucht Verhaag, im­mer mehrere Filme zu einem Themenbereich zu realisieren, z.B. Atomenergie und Demokratie (5 Filme), Rassismus (2 Filme), Gentechnik (9 Filme), nachhaltige Landwirtschaft (12 Filme). Seine Werke trugen dazu bei, dass Wackersdorf geschlossen und ein Ende der Nutzung der Atomkraft greifbar wurde. Die Filme zum Thema Gentechnik ermutigten viele Menschen, in der Politik oder im Widerstand aktiv zu werden. Da die lange Arbeit am dunklen Gentechnik-Thema für ihn schwer erträglich war, legte er einen zweiten Schwerpunkt darauf, dem Zuschauer Menschen nahezubringen, die sehr bewusst, ökologisch, ganzheitlich und nachhaltig Lebens-Mittel erzeugen, mit ihrem Tun Menschen zum Nachdenken an­regen und zum eigenen Handeln ermuntern. Zufall oder nicht – Verhaag hat oft Menschen filmisch porträtiert, bevor sie Träger des alternativen Nobelpreises wurden, wie Percy Schmeiser in „Percy Schmeiser – David gegen Monsanto", Hans Peter Dürr in „Der Grenzgänger", Vandana Shiva in „Saatgut und Saatgutmultis", oder Ibrahim Abouleish in „Sekem – Aus der Kraft der Sonne".

„Der Bauer, der das Gras wachsen hört" wurde mit neun Preisen, u.a. als „bester ökologischer Film 2010", ausgezeichnet. Aber auch Filme wie „Der Agrar-Rebell", „Der Bauer mit den Regenwürmern" oder „Das liebe Rindvieh" haben ebenso wie „Der Bauer und sein Prinz" (über die Bio­-Farm von Prinz Charles, dem jetzigen König von Großbritannien) Kultstatus erreicht (forum berichtete). Diese Dokumentarfilme werden als gute Beispiele ökologischer Landwirtschaft immer wieder gezeigt. Als Krönung seiner filmischen Begleitung der ökologischen Landwirtschaft stellte Verhaag 2023 mit „Und es geht doch … Agrarwende JETZT!" die erfolgreiche Agrarwende in Hohenlohe (Baden-Württemberg) vor. Die große Anerkennung für seine Filme zeigt sich nicht nur in über 80 Preisen und Auszeichnungen. In all seinen kommentarlosen, durch die Bilder und Menschen sich selbst erzählenden Filmen erlebt man auf beeindruckende Weise leidenschaftliche Menschen, deren Einsatz für eine bessere Welt bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat. 2024 erhielt Verhaag schließlich einen Ehrenpreis für sein Lebenswerk vom Bundesumweltministerium und dem Land Baden-Württemberg. forum Nachhaltig Wirtschaften gratuliert dem Filmemacher und Sozialunternehmer zu seinem beeindruckenden Lebenswerk.

Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 01.09.2024
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