SAVE LAND - UNITED FOR LAND

Nachhaltigkeit geht durch den Magen

Praktische Umsetzung nachhaltiger Kochkunst in Gastronomie und Kantine

Was bedeutet eigentlich „nachhaltig kochen"? „Regional und saisonal" findet sich mittlerweile auf vielen Speisekarten, aber da gibt es noch mehr: Pestizide, Bodenfruchtbarkeit, Energie­verbräuche, Transportmittel, Tierwohl, Dünger, Biodiversität, Klima, Flächenbedarf … Die Liste der relevanten Faktoren ist nahezu endlos. forum bietet Rat und Best Practice.
 
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Für den Koch und die Köchin in der professionellen Gastronomie ist das Thema Nachhaltigkeit neben dem ohnehin schon belastenden Tagesgeschäft schwer zu überschauen. Allein der Zusammenhang von Treibhausgasen und Klimaschutz ist für die Gastronomie nicht leicht zu durchschauen. Messinstrumente- und Beurteilungskriterien sind daher dringend nötig.

CO2-Emissionen als Messgröße der Nachhaltigkeit
Der CO2-Fußabdruck ist als Kenngröße mittlerweile gängig und in bestimmten Branchen und ab definierten Betriebsgrößen bereits verpflichtend (siehe die Beiträge zu Reporting und CSRD in diesem Heft). Die Emissionsberechnung, -messung und -reduktion werden also in Zukunft auch in der Gastronomie zum Standard. Die CO2-Emissionen des Anbaus, der Transportwege und der Verpackung, aber auch der Energieverbrauch in der Küche sind somit vergleichbar. Zwar können die Ergebnisse immer nur Näherungswerte sein, aber sie geben ein Gefühl für Verhältnisse und zeigen, wo Einsparpotenziale liegen. Das Küchenmanagement erfährt damit, welche Produktgruppen schwierig sind und worauf es beim Einkauf zu achten gilt.

Die Speisenkarte macht Appetit auf das „richtige" Essen
Basierend auf vorhandenen Daten, ermitteln Software-Tools anhand der Rezeptur die CO2-Emissionen pro Gericht. Mit diesen Daten auf der Speisekarte kann der Gast eine klimabewusste Wahl treffen. Da Produkte mit hohen CO2-Emissionen oft auch in anderen umweltrelevanten Bereichen schlecht abschneiden, liegt hier ein möglicher Hebel zur langsamen Veränderung des Konsumverhaltens. Die grundlegenden Ansatzpunkte sind auch ohne umfangreiche Berechnungen klar:

    Zahlen: CO2-Emissionen und Ernährung

    Die CO2-Emissionen für Ernährung pro Kopf in Deutschland betragen laut Umweltbundesamt, Stand 2024: 1,6 Tonnen CO2. Das entspricht in Relation zu gefahrenen Autokilometern ca. 9.700 km bei einem Verbrauch von sieben Litern Benzin auf 100 Kilometer und einem CO2- Ausstoß von 165 Gramm pro Kilometer.
    Eine Doppelfritteuse mit 20 Liter Fassungsvermögen verbraucht laut einem Energie-Audit in einem Familienhotel bei einer ganzjährigen Nutzung von acht Stunden am Tag 35.040 Kilowattstunden im Jahr. Das verursacht etwa 17 Tonnen CO2 (deutscher Strommix 2022). Das entspricht in gefahrenen Kilometern mit dem Auto ca. 102.970 Kilometern.
    Laut der Eaternity App entstehen ca. folgende CO2-äquivalente Emissionen durch die Produktion von Lebensmitteln:
    • Rumpsteak 200 g : 1.977 g
    • Schweinekotelett 200 g: 571 g
    • Hähnchenbrust 200 g: 352 g
    • Tomate (Deutsch, Bio) 200 g: 22g
    • Kartoffel (Deutsch, konventionell) 200g: 7,1 g
    • Blumenkohl (Spanien, LKW, konventionell): 26 g
  • Tierische Produkte haben die höchsten Emissionen. Allen voran Kalb- und Rindfleisch aufgrund des Methanausstoßes.
  • Was mit dem Flugzeug transportiert wurde, sollte vermieden werden. Dagegen ist der Schiffstransport meist weniger belastend, als erwartet.
  • Gemüse aus beheizten Treibhäusern steht auch als regionales Produkt schlecht da.
  • Milchprodukte schneiden umso schlechter ab, je höher der Fettgehalt ist.
Die Bewertung lässt sich noch erweitern um den Energieverbrauch in der Küche und bei der Lagerung, die Menge der anfallenden Lebensmittelabfälle, den Wasserverbrauch, die Auswirkungen auf Biodiversität und vieles mehr. Und auch der gesundheitliche Aspekt ist ein Teil des nachhaltigen Wirtschaftens. Aber die wesentliche Herausforderung liegt nicht (nur) im Wissen um die Zusammenhänge, sondern in der praktischen Umsetzung der Konsequenzen für die Küche beziehungsweise im gesamten Betrieb. Denn die dafür nötigen Verhaltensveränderungen und die Einschränkungen im Warenkorb passen weder zu dem, wie ausgebildete Köche ihr Handwerk gelernt haben, noch in die Speisekartenkonzeption vieler Betriebe.

Nachhaltigkeit ist eine Frage der Unternehmenskultur
Ein aktuell laufendes LIFT-Projekt zeigt, wie schwierig die Anpassung und Ausrichtung im Einzelfall ist: Was passt ins Gesamtkonzept des Betriebes, welches Gastklientel ist vorhanden, wie gut ist das Personal ausgebildet, und fast am wichtigsten: Wie viel Rückhalt hat das Thema im Gesamtunternehmen? Nur was wirklich in die Betriebskultur übergeht, kann sich auch in der Speisekarte wiederfinden.
 
Gerade in den frühen Phasen einer Umstellung muss das Thema von der Geschäftsführung gesetzt, gelebt und vorangetrieben werden. Und es gibt eine weitere Herausforderung: Die „neuen" Gerichte sind manchmal nicht wirklich gut, weil sie Kompromisse sind und die Köche den Umgang mit gewissen Produkten und Techniken nicht gelernt haben. Die Konsequenz: Vegetarisch oder gar vegan will man lieber nicht kochen. Und auf die gewohnte Convenience zu verzichten, ist unbequem.
 

Das LIFT-Projekt

Im Rahmen des aktuell bis Ende 2024 laufenden, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten LIFT-Projekts „Nachhaltige(re) Menügestaltung, umwelt- und klimafreundlich kochen in der professionellen Gastronomie" berät die Beratungsagentur blueContec GmbH Tourismusakteure, Hotellerie und Gastronomie in allen Belangen nachhaltiger Entwicklung. Sie begleitet dabei acht Restaurants von der Theorie bis an den Herd, um die Hürden zwischen Theorie und Praxis abzubauen und Köchen und Service-Mitarbeitern das nötige Know-how zu vermitteln. Damit sollen die Betriebe unterstützt werden, nicht nur nachhaltig(er), sondern auch weiterhin gut und zukunftsgerichtet kochen zu können.
 
Mit der Fördermaßnahme LIFT Klima setzt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Anreize für mehr Klimaschutz im Tourismus und unterstützt mit rund einer Million Euro touristische Unternehmen, Verbände und Forschungseinrichtungen bei der Umsetzung von innovativen Projektideen. „Wir wollen die Tourismuswirtschaft in Deutschland nachhaltiger und resilienter aufstellen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Mit unserem Programm ‚LIFT Klima‘ fördern wir gezielt innovative und nachhaltige Projekte. Denn ohne Erhalt einer intakten Umwelt hat der Tourismus in Deutschland keine gute Perspektive." sagte Dieter Janecek, Koordinator der Bundesregierung für Tourismus. Ergebnisse, Erkenntnisse, Rezepturen und Erfahrungen des Projektes werden bei der Mitte November stattfindenden, öffentlichen Abschlussveranstaltung in Berlin geteilt.

kompetenzzentrum-tourismus.de
Tofu ist hier ein gutes Beispiel. Vieles spricht für dieses Produkt, wenn der Soja-Anbau und die Qualität stimmen. Da die meisten Erfahrungen hiermit aber negativ sind, hat Tofu einen schlechten Ruf. In den Workshops des LIFT-Projektes empfanden die Köche die getesteten Gerichte dann jedoch als überwiegend gut bis sehr gut.

Mut zur Veränderung
Nicht jedes Restaurant will gleich zu 100 Prozent pflanzlich oder gar klimaneutral arbeiten. Doch auch ein Steakhouse oder ein klassischer Gasthof können zumindest nachhaltig(er) arbeiten. Ob nun das Verhältnis von Gerichtkomponenten verändert und der Fleisch- und Buttereinsatz reduziert oder die Menge der pflanzlichen Speisekompositionen erhöht werden, Möglichkeiten sind immer da und manchmal bedarf es nur eines kleinen mutigen Schrittes, neue Wege zu gehen.

Der heutige Gast ist dafür viel aufgeschlossener, als gedacht. Mit einer klaren Positionierung und ausformulierten Haltung, die ein modernes Restaurant mittlerweile haben sollte, können Bemühungen in Richtung nachhaltiges Wirtschaften dann auch aktiv und selbstbewusst dem Gast kommuniziert werden.

Hilfreiche Links:
Harald Gratenau ist Koch, staatlich geprüfter Betriebswirt für Hotel- und Gastronomiemanagement und arbeitete in verschiedenen Spitzenrestaurants. Der Fokus seiner Arbeit bei der blueContec GmbH liegt auf der Umsetzung nachhaltiger Konzepte in die Praxis. Eine nachhaltige(re) Menügestaltung liegt ihm besonders am Herzen.

Lifestyle | Essen & Trinken, 01.09.2024
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