Das Menschenrecht auf Nahrung muss endlich durchgesetzt werden
Der aktuelle Kommentar von FIAN Deutschland
Anlässlich des Welternährungsstages und des diesjährigen 20. Jubiläumsjahr der UN-Leitlinien für das Recht auf angemessene Nahrung hat die AG Landwirtschaft und Ernährung (AG L&E) des Forum Umwelt und Entwicklung ein Forderungspapier an die deutsche Bundesregierung erarbeitet.
Daneben fordern wir die Bundesregierung auf:
Das Positionspapier wurde an das BMEL, BMZ und relevante Gremien des deutschen Bundestages geschickt.
Mehr Informationen unter: www.forumue.de
FIAN ist eine Menschenrechtsorganisation, die sich für das Recht auf Nahrung und Ernährungssouveränität einsetzt.
Die AG Landwirtschaft und Ernährung ist eine beständige Arbeitsgruppe des Forum Umwelt und Entwicklung, in der sich Entwicklungs-, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen mit nationaler und internationaler Agrar- und Ernährungspolitik auseinandersetzen.
Denn die Lage ist desaströs: laut Welternährungsorganisation FAO leiden rund 733 Millionen Menschen und damit jeder elfte Mensch auf der Welt an chronischem Hunger. Über zwei Milliarden Menschen befinden sich in mittlerer bis schwerer Ernährungsunsicherheit – das heißt, diese Menschen haben keinen regelmäßigen Zugang zu ausreichend Nahrung oder müssen zeitweise über einen Tag oder länger gänzlich ohne Nahrungsmittel auskommen. Das sind fast 30 Prozent der Weltbevölkerung und 776 Millionen Menschen mehr als noch vor 10 Jahren! Zudem können sich rund drei Milliarden Personen keine gesunde Ernährung leisten. Gleichzeitig sind fast 900 Millionen Erwachsene weltweit stark adipös.
Nicht umgesetzte Ziele
Allen Zielsetzungen und politischen Zusagen zur Hungerbekämpfung zum Trotz nimmt also die Zahl der Menschen, deren Recht auf angemessene Nahrung verletzt ist, zu. Das in Artikel 11 des UN-Sozialpakts sowie Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerte Menschenrecht auf Nahrung wird täglich millionenfach verletzt.Ein relevanter Grund für diese besorgniserregende Entwicklung ist, dass der in UN-Gremien ausgehandelte erweiterte völkerrechtliche und normative Rahmen für das Recht auf Nahrung in der nationalen und internationalen Ernährungspolitik nicht umgesetzt wird. Zu den wichtigen rechtlichen Rahmenwerken gehören beispielsweise die Deklaration zum Schutz der Rechte von Kleinbäuerinnen und -bauern und anderen Menschen, die auf dem Land arbeiten (UNDROP), die Deklaration der Rechte Indigener Völker (UNDRIP) sowie über 15 im Welternährungsausschuss (CFS) erarbeitete freiwillige Leitlinien. Dazu zählen neben den Leitlinien zum Recht auf Nahrung beispielsweise auch die Leitlinien für eine verantwortungsvolle Landpolitik (VGGT) oder zur Geschlechtergerechtigkeit (GEWGE).
Ohne Einbindung der Betroffenen geht es nicht
Staaten wie Brasilien, Indien, Kenia und Nepal haben das Recht auf Nahrung in ihren Verfassungen verankert. Insbesondere Brasilien sind bei der Hungerbekämpfung unter der ersten Amtszeit von Lula da Silva historische Erfolge gelungen. Dies war möglich, da, ähnlich wie im CFS, die von Hunger und Mangelernährung besonders betroffenen Menschen durch den nationalen Ernährungsrat (CONSEA) an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligt wurden.Die Beteiligung der Betroffenen auf internationaler Ebene im CFS und auf nationaler Ebene wie im CONSEA ist entscheidend. So waren die vor genau 20 Jahren verabschiedeten UN-Leitlinien zur Umsetzung des Rechts auf angemessene Nahrung das erste zwischenstaatlich abgestimmte UN-Dokument, das unter aktiver Beteiligung der Zivilgesellschaft ausgehandelt wurde und konkrete Handlungsempfehlungen zur Umsetzung des zuvor im UN-Sozialpakt anerkannten Rechts auf Nahrung enthielt.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die Anwendung und Umsetzung dieses normativen, menschenrechtsbasierten Rahmens und die Beteiligung der Betroffenen an politischer Entscheidungsfindung der zentrale Hebel sind, um eine Welt ohne Hunger zu erreichen und das Recht auf Nahrung für alle Realität werden zu lassen.
Wo bleibt die Politikkohärenz?
Dafür müssen lokale, nationale, regionale und internationale Agrar- und Ernährungspolitiken im Sinne des Rechts auf Nahrung harmonisiert werden. Gerade an dieser Politikkohärenz hat es in den letzten 20 Jahren noch stark gemangelt. Sehr deutlich wird dies an den Politiken Deutschlands und der EU. Auf Ebene des CFS gehören sie zwar zu den Treibern des Rechts auf Nahrung, auf nationaler und regionaler Ebene ist dieses aber weder prominent verankert, noch ist eine Nutzung der Leitlinien und Politikempfehlungen des CFS als Basis der eigenen Politikentwicklung sichtbar. Die Folge ist ein Flickenteppich von verschiedenen Aktivitäten zur Verwirklichung des Rechts auf Nahrung, die dringend zu einem großen Ganzen verbunden werden müssen.Die Forderungen an die Bundesregierung
Die Hungerproblematik ist durch bloße Willensbekundungen nicht in den Griff zu bekommen. Regierungen und Unternehmen der Agrarindustrie müssen Verantwortung übernehmen und verantwortlich gemacht werden. Das Recht auf Nahrung muss in der nationalen und internationalen Ernährungspolitik tatsächlich Anwendung finden. Dabei besteht auch in Deutschland Nachholbedarf. Die Bundesregierung sollte ihre Ressorts, vor allem das BMZ und BMEL, stärker zusammenwirken lassen und ihre Ernährungspolitik kohärent zu den Empfehlungen des UN-Welternährungsschuss zum Recht auf Nahrung ausrichten.
Daneben fordern wir die Bundesregierung auf:
- der faktischen Straffreiheit bei Verletzung des RaN entgegenzuwirken, indem sie sich für verbesserte Justiziabilität durch bindende Rechtsdokumente einsetzt – beispielsweise in den Verhandlungen um das UN Treaty on Business and Human Rights.
- ihren Einfluss in den multilateralen Finanzorganisationen Internationaler Währungsfonds und Weltbank zu nutzen, um sich für die Streichung von souveränitätsgefährdenden und Hunger befeuernden Staatsschulden einzusetzen.
- den Vorschlag zur Organisation einer zweiten Internationalen Konferenz zu Agrarreformen und ländlicher Entwicklung (ICARRD+20) im Sinne einer progressiven Landpolitik zu unterstützen und zu bewerben.
- alle diplomatischen Anstrengungen zu unternehmen, um bewaffnete Konflikte zu lösen und Ursachen von Krisen zu begegnen. Zudem muss auf Konfliktparteien politischer Druck ausgeübt werden, um den Schutz der Zivilpersonen und deren Grundrecht auf angemessene Nahrung zu gewährleisten.
Das Positionspapier wurde an das BMEL, BMZ und relevante Gremien des deutschen Bundestages geschickt.
Mehr Informationen unter: www.forumue.de
FIAN ist eine Menschenrechtsorganisation, die sich für das Recht auf Nahrung und Ernährungssouveränität einsetzt.
Die AG Landwirtschaft und Ernährung ist eine beständige Arbeitsgruppe des Forum Umwelt und Entwicklung, in der sich Entwicklungs-, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen mit nationaler und internationaler Agrar- und Ernährungspolitik auseinandersetzen.
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