Transformation zu nachhaltigen Produktions- und Konsumsystemen beschleunigen
Ressourcenkonsum vom Wohlstand und der Lebensqualität der Bevölkerung entkoppeln
Die globalen Produktions- und Konsumsysteme führen zu einer beschleunigt anwachsenden Ressourcennutzung, überproportional zum Bevölkerungswachstum. Wir brauchen eine Transformation hin zu nachhaltigen Produktions- und Konsumsystemen, welche den Trend umkehrt und den Ressourcenkonsum vom Wohlstand und der Lebensqualität der Bevölkerung entkoppelt.
In den letzten 50 Jahren ist die Weltbevölkerung mit einem durchschnittlichen jährlichen Faktor von 1,5 Prozent gewachsen, während der Ressourcenverbrauch im selben Zeitraum um 2,3 Prozent jährlich angestiegen ist (UNEP, 2024). Die Extraktion und Verarbeitung natürlicher Ressourcen ist für ca. 55 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen sowie 40 Prozent der gesundheitsrelevanten Auswirkungen von Feinstaub verantwortlich. Zudem verursacht sie über 90 Prozent des gesamten landnutzungsbedingten Verlusts an biologischer Vielfalt sowie Wassermangel.
Natürliche Ressourcen sind die Grundlage für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Die zentralen Bedürfnisfelder des Konsums, die für den hohen Verbrauch verantwortlich sind, sind Ernährung, Mobilität, Wohnen, die zudem viel Energie benötigen. Zusätzlich führen Aufwachsen der Wirtschaften und Anwachsen der Bevölkerungen in Asien und Afrika zu einer Verschiebung der Nachfrage und Märkte und haben Auswirkungen auf die künftige Nachfrage und Verteilung der Rohstoffentnahme aus der Natur mit all ihren Effekten.
Die genannten Auswirkungen zeigen sich u.a. in der Überschreitung der planetaren Grenzen. Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass bereits sechs der neun planetaren Grenzen überschritten wurden (Richardson et al., 2023). Dies bedeutet den Eintritt in einen Risikobereich, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Schäden an Mensch und Natur führt, z.B. zu Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen, die durch den Klimawandel verursacht werden.
Auch die aktuellen Berichte des Weltklimarats bestätigen die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Erde sowie der Menschen und unterstreichen noch einmal die Notwendigkeit einer drastischen Emissionsreduktion, um die weiteren Folgen weitestmöglich abzuschwächen. Trotz einiger Fortschritte bestehen Lücken in der Umsetzung notwendiger Maßnahmen, die u.a. auf begrenzte Ressourcen zurückzuführen sind. Dies macht deutlich: Wir brauchen eine Transformation hin zu nachhaltigen Produktions-und Konsumsystemen, welche den Trend umkehrt und den Ressourcenkonsum vom Wohlstand und der Lebensqualität der Bevölkerung entkoppelt.
Globale Nachhaltigkeitsziele als Orientierungsrahmen der Transformation auf dem Prüfstand
Laut des aktuellen Statusberichts zu den Sustainable Development Goals (SDGs; Sachs et al., 2024) können lediglich 16 Prozent der SDG-Ziele bis 2030 weltweit erreicht werden, während die restlichen 84 Prozent nur begrenzte Fortschritte oder sogar Rückschritte aufweisen. Bereits seit 2020 stagnieren die Fortschritte der SDGs auf globaler Ebene, insbesondere in den Bereichen Ernährung, biologische Vielfalt, nachhaltige Landnutzung, Frieden und starke Institutionen. Auch Länder wie Deutschland, die den SDG-Index anführen, stehen vor großen Herausforderungen, u.a. bei der Erreichung von SDG 12 (Nachhaltige/r Konsum und Produktion).
Lösungsansätze zur Beschleunigung der Transformation
Die Lösungsansätze zur Beschleunigung der Transformationsind vielfältig. Hier kann die Donut-Ökonomie von Kate Raworth als Orientierung für ein nachhaltig ausgerichtetes Wirtschaftsmodell dienen, bei dem die Bedürfnisse der Menschen innerhalb der planetaren Grenzen erfüllt werden können. Um ein solches Zielbild zu erreichen, sind sowohl Effizienzund Konsistenz-, als auch Suffizienz-Strategien notwendig. Gelingen kann dies nur international. Das Zielbild von global kooperativen Regionalwirtschaften kann hier als Orientierung dienen (Liedtke et al., 2020). Sie überführen globale Stoffströme in regionale Stoffkreisläufe und globalisieren gleichzeitig Kompetenzen und Innovationen. Dadurch reduzieren sie globale Ungleichheiten in der Wohlstandsentwicklung und ermöglichen Entwicklung innerhalb der planetaren Grenzen.
Um eine tatsächliche Reduzierung des Rohstoffkonsums zu erreichen, werden zudem klare Ziele und politische Instrumente benötigt, ausgerichtet an den ressourcenintensiven Produktionsbereichen und Bedürfnisfeldern des Konsums (KRU, 2023). Vor diesem Hintergrund sollte die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie so ausgerichtet werden, dass Geschäftsmodelle Unternehmen ressourcenleichte und klimafreundliche Produkt-Dienstleistungs-Systeme für nachhaltige Produktion und nachhaltigen Konsum ermöglichen. So können auch Finanzströme zielgerichtet in die Transformation fließen.
Unternehmen als Schlüsselakteure zur Beschleunigung der Transformation
Unternehmen spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, die Transformation durch nachhaltige Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu beschleunigen. Dabei sollten die zentralen Bedürfnisfelder des Konsums systemorientiert und integriert fokussiert werden: von nachhaltiger Ernährung über zirkuläres Metallmanagement zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Technologiemetallen für die Energiewende und andere Sektoren bis hin zu klimaresilienter Gesundheitsprävention.
Partizipative Innovationsformate können auf diesem Weg unterstützen und eine gesellschaftlich getragene Transformation beschleunigen. In Living Labs und Reallaboren können Geschäftsmodellinnovationen entwickelt und erprobt werden.Über Transition Design können die Produkte und Services auf eine maximal ausgerichtete Nutzenstiftung in zentralen Bedürfnisfeldern ausgerichtet und dadurch Umweltwirkungen entlang der Wertschöpfungskette reduziert werden. Zudem kann die von der EU verabschiedete CSRD-Nachhaltigkeitsberichtspflicht sowie das Lieferkettengesetz (CSDDD) als Chance für richtungssichere Innovationen von Produkt- und Geschäftsmodellen über Unternehmensgrenzen hinaus genutzt werden. Zusätzlich ist ein direkter Kompetenzaufbau in Unternehmen entscheidend, um nachhaltige Produktions- und Arbeitsweisen anzustoßen und voranzutreiben. Dies kann über spezifische Weiterbildungsprogramme erreicht werden. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt trafoagent, bei dem ein umfassendes Konzept zur Qualifizierung von sogenannten Transformationsagent:innen in kleinen und mittleren Unternehmen entwickelt und erprobt wird.
Um diese Innovationen letztendlich in die Breite zu tragen und global nachhaltige Produktion und nachhaltigen Konsum zu ermöglichen, ist das Lieferkettenmanagement ein zentraler Ansatzpunkt. Zwei Drittel des Welthandels laufen über globale Wertschöpfungsketten und Versorgungsnetze. Deutschland kann hier als viertgrößte Wirtschaftsnation und rohstoffärmeres Land eine zentrale Rolle im Aufbau nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen im Sinne global kooperativer Regionalwirtschaften übernehmen.
Prof. Dr. Christa Liedtke ist Leiterin der Abteilung „Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren" am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und Professorin für Nachhaltigkeit im Design, Fachbereich Industrial Design, an der Bergischen Universität Wuppertal. Darüber hinaus engagiert sie sich in zahlreichen Gremien; u.a. ist sie Co-Chair der Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 (wpn2030), Mitglied im Lenkungsausschuss des SDSN Germany und Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) am BMUV. Sie war Co-Vorsitzende der Ressourcenkommission am Umweltbundesamt. Seit 2021 ist sie Mitglied im Kuratorium Wissenschaft von BAUM e.V.
Markus Kühlert ist Co-Leiter des Forschungsbereichs „Produkt- und Konsumsysteme" in der Abteilung „Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren" am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Seine Arbeitsschwerpunkte sind unternehmerische Nachhaltigkeitsstrategien in globalen Wertschöpfungsketten, Nachhaltigkeitsbewertung, Innovations- und Changemanagement, integrierte Veränderungspotenziale von Produktions- und Konsumsystemen, Transition-Design. Er ist Mitglied des Nachhaltigkeitsbeirats des Genoverbands.
Johanna Fraling ist Researcherin im Forschungsbereich „Produkt- und Konsumsysteme" in der Abteilung „Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren" am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Mit einem Hintergrund in Betriebswirtschaftslehre und Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften (M.Sc.) liegt ihr Forschungsschwerpunkt im Bereich nachhaltige Unternehmenstransformation.
Literaturverzeichnis:
- Liedtke, C., Kühlert, M., Wiesen, K., Stinder, A. K., Brauer, J., Beckmann, J., Fedato, C., El Mourabit, X., Büttgen, A., & Speck, M. (2020). Nachhaltige Lieferketten (Zukunftsimpuls Nr. 11). Wuppertal Institut. epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/7635/file/ZI11_Lieferketten.pdf
- KRU (Ressourcenkommission am Umweltbundesamt) (2023). Für eine echte zirkuläre Wende aus der linearen Sackgasse. www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/11850/publikationen/kru_nkws_langfassung_bf.pdf
- Richardson et al. (2023). Earth beyond six of nine planetary boundaries. Science Advances. doi:10.1126/sciadv.adh2458
- Sachs, J.D., Lafortune, G., Fuller, G. (2024). The SDGs and the UN Summit of the Future. Sustainable Development Report 2024. Paris: SDSN, Dublin: Dublin University Press. doi:10.25546/108572
- UNEP (United Nations Environment Programme) (2024). Global Resources Outlook 2024: Bend the Trend – Pathways to a liveable planet as resource use spikes. International Resource Panel. Nairobi. wedocs.unep.org/20.500.11822/44901
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Umwelt | Ressourcen, 24.11.2024
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