Neue Publikation untersucht Ökozid-Konzept für die Meeresumwelt
Grundschleppnetzfischerei im Fokus
Neue wissenschaftliche Publikation untersucht, ob Ökozid als Rechtsinstrument zur Ahndung schwerster Verbrechen gegen die Ozeane dienen könnte.
- Grundschleppnetzfischerei verursacht schwere, weitreichende und langfristige Zerstörung mariner Ökosysteme.
- Wachsende Zahl von Ländern erkennt Ökozid in nationaler Gesetzgebung an – ein Signal für stärkere Umweltverantwortung.
- Das Konzept des marinen Ökozids erfordert rechtlich, wissenschaftlich und politisch eine besonders sorgfältige Herangehensweise, betonen die Autor:innen einer neu veröffentlichten wissenschaftlichen Analyse.
Ist das Konzept des 'Ökozids' geeignet, als rechtliches Instrument zur Ahndung besonders schwerer Verbrechen gegen die Meeresumwelt zu dienen? Dieser Frage geht eine neue wissenschaftliche Analyse in The International Journal of Marine and Coastal Law nach, die von Dr. Johannes Müller, Meerespolitik-Experte bei OceanCare, mit verfasst wurde. Als Fallstudie für schwerste Umweltzerstörung dient dabei die Grundschleppnetzfischerei.
„Unsere Analyse zeigt, dass wir zwar die Anwendung bestehender Instrumente zur Verhinderung schwerwiegendster Fälle von mariner Umweltzerstörung verbessern müssen, aber auch neue rechtliche Instrumente benötigen," so Dr. Johannes Müller, Co-Autor des Artikels. „Die Meeresumwelt stellt uns vor speziellen Herausforderungen bei der Feststellung von Umweltverantwortung. Wissenschaftliche Bewertungen zeigen, dass bestimmte Aktivitäten schwere, weitreichende und potenziell irreversible Schäden an marinen Ökosystemen verursachen können."
Die Veröffentlichung erfolgt zu einer Zeit, in der mehrere Länder, darunter Belgien und Frankreich, Ökozid in ihre nationale Gesetzgebung aufgenommen haben – ein Zeichen für die wachsende Anerkennung der Notwendigkeit stärkerer rechtlicher Rahmenbedingungen zum Schutz der Umwelt.
"Diese neue Studie treibt die Diskussion, wie Umweltzerstörung strafrechtlich geahndet werden kann, bedeutend voran", sagt Nicolas Entrup, Direktor für Internationale Beziehungen bei OceanCare. "Die Grundschleppnetzfischerei ist ein Beispiel für eine zerstörerische Praxis, die dringend Aufmerksamkeit erfordert. Wie im aktuellen umfassenden OceanCare-Bericht 'The Trawl Supremacy' dokumentiert, verwüstet diese Fischereimethode nicht nur Meeresboden-Habitate, sondern verschärft auch die Klimakrise durch die Freisetzung von im Meeresboden gespeichertem Kohlenstoff und ihren hohen Treibstoffverbrauch. Die Beweise für weitreichende, schwere und langanhaltende Schäden sind überwältigend. Dies wirft entscheidende Fragen zur Verantwortlichkeit auf: Müssen die Betreibenden dieser Art von Fischerei zur Rechenschaft gezogen werden, die Behörden, die dies zulassen, oder beide?"
OceanCare setzt sich für die Anerkennung von Ökozid als fünftes Verbrechen im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ein und sieht darin einen entscheidenden Schritt in Richtung Umweltgerechtigkeit. Während die Analyse der Meeresumweltzerstörung in diesem Artikel wertvolle Einblicke liefert, welche Aktivitäten als Ökozid eingestuft werden könnten, betont OceanCare, dass die Ergebnisse die dringende Notwendigkeit stärkerer rechtlicher Rahmenbedingungen zum Schutz unserer Ozeane für künftige Generationen unterstreichen.
Darüber hinaus fordert OceanCare im Rahmen der Initiative Because Our Planet Is Blue ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei, zumindest in Meeresschutzgebieten, sowie weitere Maßnahmen zum Schutz der Ozeane. Die Kampagne betont die dringende Notwendigkeit, zerstörerische Fischereipraktiken zu beenden und einen stärkeren Schutz für marine Ökosysteme zu etablieren. Sie ruft die Regierungen auf, entsprechende Maßnahmen auf der UN-Ozeankonferenz zu beschließen, die im Juni 2025 in Nizza, Frankreich, stattfinden wird.
Hintergrund
Ökozid und Meeresumweltschutz
Das Konzept des Ökozids bezieht sich auf rechtswidrige oder mutwillige Handlungen, die schwere und entweder weitreichende oder langfristige Umweltschäden verursachen. 2021 schlug ein unabhängiges Expertengremium vor, Ökozid als fünftes Verbrechen in das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs aufzunehmen, neben Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und dem Verbrechen der Aggression.
Mehrere Länder haben Ökozid bereits in ihre nationale Gesetzgebung aufgenommen. Das überarbeitete belgische Strafgesetzbuch, das im Februar 2024 in Kraft trat, definiert Ökozid als vorsätzliche rechtswidrige Handlungen, die schwere, weitreichende und langfristige Umweltschäden verursachen. Das französische Klima- und Resilienzgesetz von 2021 erkennt Ökozid in ähnlicher Weise für Handlungen an, die schwere und dauerhafte Schäden an Ökosystemen verursachen.
Grundschleppnetzfischerei als Fallstudie
Die Grundschleppnetzfischerei, bei der gewichtete Netze über den Meeresboden gezogen werden, ist für 26% des weltweiten Meeresfischfangs verantwortlich. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass diese Praxis schwere Schäden an marinen Lebensräumen verursacht, insbesondere in der Tiefsee. Zu den Auswirkungen gehören:
- Physische Zerstörung von Meeresboden-Habitaten, einschließlich empfindlicher Tiefseekorallen und Seegraswiesen
- Kaum bis keine Regeneration geschädigter Gebiete selbst nach 15-20 Jahren
- Freisetzung von gespeichertem Kohlenstoff aus Meeressedimenten, die zum Klimawandel beiträgt
- Erschöpfung von Fischpopulationen und Zerstörung essentieller mariner Lebensräume
Aktuelle globale wissenschaftliche Bewertungen unterstreichen, dass die Grundschleppnetzfischerei aufgrund ihrer schweren, weitreichenden und langfristigen Auswirkungen auf marine Ökosysteme zentrale Kriterien für die Einstufung als Ökozid erfüllt. Dies macht sie zu einer wichtigen Fallstudie für die Untersuchung, wie Ökozid-Gesetzgebung im marinen Kontext angewandt werden könnte.
OceanCare-Bericht: "The Trawl Supremacy"
Der aktuelle OceanCare-Bericht The Trawl Supremacy: Hegemony of Destructive Bottom Trawl Fisheries and Some of the Management Solutions liefert eine eingehende Analyse der schädlichen Auswirkungen der Grundschleppnetzfischerei auf marines Leben und Lebensräume. Der Bericht fasst wissenschaftliche Erkenntnisse zusammen, die zeigen, dass Grundschleppnetzfischerei die Biodiversität reduziert, die Komplexität von Meeresboden-Ökosystemen verringert und sogar den Klimawandel verschärft, indem sie in Meeressedimenten gespeichertes CO2 freisetzt. Der Bericht unterstreicht die Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen auf EU- und globaler Ebene zum Schutz unserer Ozeane und zur Sicherstellung nachhaltiger Fischerei.
Publikationen
- Does ‘Ecocide’ Provide a Viable Option to Address the Gravest Crimes against the Marine Environment? in: The International Journal of Marine and Coastal Law
- OceanCare-Bericht "The Trawl Supremacy: Hegemony of Destructive Bottom Trawl Fisheries and Some of the Management Solutions"
- OceanCare: „Because Our Planet Is Blue - Deklaration für die UN-Ozeankonferenz 2025"
Über OceanCare
OceanCare setzt sich seit 1989 weltweit für die Meerestiere und Ozeane ein. Mit Forschungs- und Schutzprojekten, Umweltbildungskampagnen sowie intensivem Einsatz in internationalen Gremien unternimmt die Organisation konkrete Schritte zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Weltmeeren. OceanCare ist vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen als Sonderberaterin für den Meeresschutz anerkannt und ist offizielle Partnerorganisation in zahlreichen UN-Abkommen und internationalen Konventionen. OceanCare engagiert sich zudem in internationalen zivilgesellschaftlichen Bündnissen wie der High Seas Alliance, Seas at Risk, oder der #BreakFreeFromPlastic-Koalition. www.oceancare.org
Kontakt: OceanCare Dániel Fehér | dfeher@oceancare.org | www.oceancare.org
Umwelt | Umweltschutz, 08.01.2025
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