Nach dem Einsturz

Wie sich die Natur rund um den Kachowka-Staudamm erholt

Im Juni 2023 erlebte die Ukraine eine der verheerendsten Umweltkatastrophen ihrer Geschichte – die Zerstörung des Kachowka-Staudamms. Der Einsturz setzte 18 Kubikkilometer Wasser frei, überflutete ganze Landstriche, zerstörte Gemeinden, ertränkte Ökosysteme und vertrieb sowohl Menschen als auch Wildtiere. Doch die Auswirkungen endeten nicht mit dem Rückgang des Hochwassers. Als die Felder austrockneten und Existenzen zerbrachen, begann sich eine tiefere, stillere Krise abzuzeichnen.

Diese Katastrophe war kein Werk der Natur, sondern eine Folge des Krieges. Die Zerstörung des Staudamms war eine direkte Folge von Russlands großangelegter Invasion und der anschließenden Besetzung der Anlage. Im Anschluss daran trat ein weltweites Netzwerk von Wissenschaftler:innen, darunter Serhii Klimov von der Nationalen Universität für Wasser- und Umwelttechnik, in Aktion. Indem sie begannen, Live-Satellitenbilder zu finden und Datenplattformen wie EOSDA Crop Monitoring und LandViewer zu nutzen, setzten sie die Geschichte der Zerstörung – und der Genesung – zusammen.

AOI mit natürlicher Ansicht von Geosat am 7. Juni 2023, die zeigt, wie das Gebiet überflutet wurde. © EOS Data AnalyticsAOI mit natürlicher Ansicht von Geosat am 7. Juni 2023, die zeigt, wie das Gebiet überflutet wurde. © EOS Data Analytics

Der Kachowka-Staudamm: Eine Lebensader für die Südukraine

Der in den 1950er Jahren erbaute Kachowka-Staudamm war mehr als nur ein hydrotechnisches Meisterwerk – er war das Rückgrat der Landwirtschaft im Süden der Ukraine. Er versorgte den Nord-Krim-Kanal mit Energie, ein zentrales Bewässerungssystem, das aride Steppengebiete in fruchtbares Ackerland verwandelte. Ohne den Damm würden weite Teile der Region Cherson und darüber hinaus in semiaride Landschaften zurückfallen, in denen selbst robuste Kulturpflanzen kaum überleben könnten.

In dem warmen, trockenen Klima von Cherson ist Bewässerung nicht nur hilfreich, sondern überlebensnotwendig. Wasser stabilisierte die empfindliche Bodenchemie, verhinderte die Versalzung und ermöglichte den Anbau von Getreide, Gemüse und mehr. Der Damm unterstützte ein Gleichgewicht, in dem Landwirtschaft und Ökosysteme nebeneinander gedeihen konnten.

Der Einsturz: Entfesselter Ökozid

Die Ereignisse des 6. Juni 2023 markierten eine ökologische Zäsur. Als der Damm unter Besatzung gesprengt wurde, zerstörte die Flut jahrhundertealte Siedlungsstrukturen und brachte ein jahrzehntelanges ökologisches Gleichgewicht aus dem Lot. Dörfer wurden überflutet. Wildtiere flohen, starben oder wurden verdrängt. Historische Stätten, darunter Friedhöfe und antike Siedlungen, verschwanden unter dem Schlamm.

Was danach geschah, war ebenso dramatisch: Der Nord-Krim-Kanal trocknete aus und kappte die Bewässerung für über 7.000 Hektar Ackerland. Diese plötzliche Wasserknappheit führte zu extremem Bodenwasserstress – ein Zustand, in dem der Boden nicht genügend Feuchtigkeit bietet, damit Pflanzen gedeihen können. Dies beeinträchtigte die Fruchtbarkeit, störte die Pflanzenernährung und leitete eine fortschreitende Bodendegradation ein.

Ökolog:innen sprachen zurecht von einem „Ökozid". Doch trotz allem blieb Hoffnung bestehen. Durch die Analyse von Live-Satellitenbildern zu finden auf Plattformen wie LandViewer erstellten Expert:innen erste Landgesundheitsanalysen und entwickelten einen Plan für die Wiederherstellung. Ihre Mission: der Natur helfen, sich selbst zu heilen.

Daten aus dem All – Fernerkundung und die Arbeit von Serhii Klimov

Professor Serhii Klimov von der Nationalen Universität für Wasser- und Umwelttechnik in Riwne ist ein langjähriger Befürworter der Fernerkundung in den Umweltwissenschaften. In seinen Lehrveranstaltungen integriert er EOSDA Crop Monitoring und LandViewer, um Studierenden Werkzeuge an die Hand zu geben, die Daten in Erkenntnisse verwandeln. Diese ermöglichen unter anderem NDWI-Analysen zur Überflutungsverfolgung und zur Kartierung der Vegetation. Nach dem Dammbruch lieferten diese von EOSDA entwickelten Tools entscheidende Daten, um Bewässerungsausfälle auf 7.277 Hektar in Cherson zu bewerten und nächste Schritte zu planen.

Die Dynamik der Veränderungen der Wasserbedeckung an einem der Standorte des ehemaligen Stausees im Zeitraum vom 5. Juni 2023 bis zum 9. Juni 2024, erstellt mithilfe von NDVI-Karten. © EOS Data AnalyticsDie Dynamik der Veränderungen der Wasserbedeckung an einem der Standorte des ehemaligen Stausees im Zeitraum vom 5. Juni 2023 bis zum 9. Juni 2024, erstellt mithilfe von NDVI-Karten. © EOS Data Analytics
Mithilfe von NDVI (Normalized Difference Vegetation Index) und NDMI (Normalized Difference Moisture Index), die aus Live-Satellitenbildern der Erde abgeleitet wurden, konzentrierten sich Klimov und sein Team auf eine Auswahl an Feldern. Die Ergebnisse waren alarmierend: Felder mit NDVI-Werten unter 0,2 – ein Zeichen für frühen Stress – nahmen von 23?% im März auf 69?% im Juli 2022 zu. Auch die NDMI-Werte zeigten, dass im Frühjahr über 60?% der Felder stark ausgetrocknet waren. Zwar verbesserte sich dieser Wert leicht im Sommer, was auf Restfeuchte zurückzuführen war, doch das Muster war eindeutig: Ohne Bewässerung verlor der Boden rapide an Vitalität.

Serhiis Forschung bestätigt, was viele befürchtet haben – ohne ein aktives Wassermanagement droht dem Süden der Ukraine eine zunehmende landwirtschaftliche Verödung. Seine Arbeit dokumentiert nicht nur den Schaden, sondern liefert auch ein wissenschaftliches Fundament für die Wiederherstellung. Ohne hochauflösende Satellitenüberwachung wären solche Analysen kaum möglich.

Hoffnung Durch Technologie – Ein Plan Für Die Wiederherstellung

Wissenschaftliche Forschung misst nicht nur Verluste – sie weist auch den Weg zur Erneuerung. Die Untersuchungen von Serhii Klimov zu Vegetationsrückgang und Feuchtigkeitsstress bilden die Grundlage für die Wiederbelebung degradierten Landes in der Südukraine. Die Tools von EOSDA helfen dabei, jene Flächen zu identifizieren, die am dringendsten Wasser benötigen – und ermöglichen so gezielte Bewässerungsstrategien für die Zukunft. Diese Präzision kommt nicht nur in Katastrophengebieten zum Einsatz: Auch in Radekhiv nutzen Heidelbeerfarmen ähnliche Daten, um Überwässerung zu vermeiden und sowohl Erträge als auch Bodengesundheit zu sichern.

Gleichzeitig zeigt die Natur selbst Erneuerungskraft. Im ausgetrockneten Becken des Kachowka-Stausees breiten sich Weidenhaine aus – auf Land, das jahrzehntelang unter Wasser lag. Tiere wie Rehe, Wildschweine und Feldhasen kehren zurück in das Gebiet der einstigen Großen Wiese. Ein eindrucksvolles Zeichen dafür, dass die Natur, wenn man sie lässt, ihren Weg zurück findet.

Dank Live-Satellitenbildern von Plattformen wie LandViewer, können Ökolog:innen weltweit diesen Wandel in Echtzeit beobachten und analysieren – unabhängig von politischen Grenzen. Diese Demokratisierung von Raumfahrtdaten ermöglicht es nicht nur Wissenschaftler:innen, sondern auch Landwirt:innen, Studierenden und politischen Entscheidungsträger:innen, Maßnahmen zu ergreifen.

Der Weg zurück wird kein einfacher sein, aber mit den richtigen Werkzeugen und globaler Zusammenarbeit kann die Wiedergeburt dieser Landschaft zu einem Modell für Resilienz weltweit werden.

Eine Grenzenlose Zusammenarbeit Für Unsere Gemeinsame Zukunft

Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms war nicht nur eine regionale Katastrophe – sie war ein Angriff auf ein gemeinsames Ökosystem, das keine politischen Grenzen kennt. Doch inmitten des Chaos traten Fachleute wie Serhii Klimov auf den Plan, ausgestattet mit Fachwissen und digitalen Tools wie EOSDA Crop Monitoring und LandViewer. Mit der Analyse von Live-Satellitenbildern der Erde konnten sie Verluste quantifizieren, die Wiederherstellung dokumentieren und künftige Maßnahmen gezielt steuern.

AOI mit natürlicher Ansicht von Geosat am 7. Juni 2023, die zeigt, wie das Gebiet überflutet wurde. Quelle: EOS Data AnalyticsAOI mit natürlicher Ansicht von Geosat am 7. Juni 2023, die zeigt, wie das Gebiet überflutet wurde. Quelle: EOS Data Analytics
Diese Katastrophe erinnert uns daran, dass die Natur keine nationalen Linien kennt – und dass auch unser Handeln grenzüberschreitend sein sollte. Ob Wiederaufforstung des Great Meadows oder Bodenfeuchteüberwachung auf entfernten Feldern – nur durch Zusammenarbeit können wir globale Herausforderungen meistern.

Maksym Sushchuk © EOS Data AnalyticMaksym Sushchuk © EOS Data Analytic
Der Damm mag zerstört sein, doch die Geschichte endet hier nicht. Was folgt, ist ein Zeugnis menschlicher und ökologischer Widerstandskraft – ein smarter Wiederaufbau, eine bewusste Pflege unserer Ökosysteme und ein Einsatz von Technologie im Dienst des Planeten

Ein Beitrag von Maksym Sushchuk. Mit über fünfzehn Jahren Erfahrung im kommerziellen Schreiben und im Journalismus setzt sich Maksym leidenschaftlich für positiven Wandel in Gesellschaft, Ökologie und Umwelt ein. Seine Leidenschaft liegt darin, durch überzeugende Erzählungen zum Handeln zu inspirieren und nachhaltige Veränderungen voranzutreiben – mit dem Ziel, durch die Kunst des Storytellings eine grünere und widerstandsfähigere Welt zu schaffen.


Umwelt | Umweltschutz, 15.04.2025

     
        
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