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Survival of the fattest?

2009 jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag von Charles Darwin und gerade heute müssten wir seine These des "survival of the fittest" eigentlich in "survival of the fattest" umtaufen. Unsere weltweiten Finanz- und Industriekonglomerate sind so allumfassend, dass der Untergang einiger zu einem gewaltigen Erdbeben führen würde. Pfade einer gesunden und nachhaltigen Entwicklung haben wir uns in den vergangen Jahrzehnten durch quantitative Wachstums-Manie, lückenhaftes Risikomanagement und Lobbyismus gegen gesunde (gesetzliche) Rahmenbedingungen verbaut. Nun müssen wir an ungesunden Strukturen festhalten, nur um unser Wirtschaftssystem überhaupt am Leben erhalten zu können. Sicher ist, dass sich Vertrauen in Märkte auch mit noch so großen Geldsummen nicht erkaufen lässt. In manchen Fällen scheint Verstaatlichung das alleinige Heilmittel, allerdings mit ungewissem Ausgang; denn inwiefern können wir der Sachkompetenz des neuen Eigentümers wirklich vertrauen?


© fotolia
Diejenigen unter uns, die sich nicht erst seit gestern mit nachhaltigem Wirtschaften beschäftigen, war diese Risiko-Gemengelage schon lange ein Dorn im Auge. Es bleibt zu fürchten, dass der jetzige Dominoeffekt nur die Generalprobe vieler weiterer Dominoeffekte ist, deren Wucht uns ebenso einholen wird, wenn wir sie nicht wirksam und schnell genug angehen. Als Stichworte seien nur der Klimawandel, die demografische Entwicklung und die zunehmende Verstädterung genannt. Und doch müssen wir Nachhaltigkeitsexperten uns auch an die eigene Nase fassen: Wir haben in der Finanzwelt viel zu zaghaft um Gehör gebeten und sind deshalb nicht wirklich erhört worden; wir haben nicht verhindert, dass sich Corporate-Governance-Netzwerke gebildet haben, in denen Nachhaltigkeit kaum eine Rolle spielt. Wir haben auch zugelassen, dass nach fast zwei Jahrzehnten Diskussion um Unternehmensverantwortung das Querschnittsthema Nachhaltigkeit noch immer nicht strategisch und abteilungsübergreifend integriert wurde. Kurzum, echtes "Nachhaltigkeitsmanagement 2.0" mit integrierten Managementsystemen und abgestimmten Verantwortlichkeiten bis in den Vorstand hinein besteht höchst selten. Die wenigsten Vorstände haben Nachhaltigkeit als lebensrettendes Kreislaufmittel erfolgreich in die Blutbahn des Unternehmens injiziert.

All dies wird sich erst dann ändern, wenn eine holistische Auffassung von Unternehmensführung im Austausch mit den Stakeholdern in den Vorstandsetagen Einzug gehalten hat. Heutzutage werden Nachhaltigkeitsaspekte lückenhaft, zusammenhangslos und einzelthemenbezogen behandelt. Warum eigentlich? Nachhaltigkeitsmanagement bietet einen so wunderbaren Gliederungsrahmen. Warum also nicht eine Sitzungsvorlage verfassen, die sicherstellt, dass die Gesamtbetrachtung nicht aus den Augen verloren wird? Dieser Logik folgend müsste auch ein Aufsichtsratsmitglied dafür ernannt werden, den Vorstand eines Unternehmens immer wieder auf das Thema Nachhaltigkeit zu fokussieren. Jeder Geschäftsbericht gibt heutzutage auch den Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrates wieder - haben Sie so etwas schon einmal in einem Nachhaltigkeitsbericht gelesen? Es bleibt noch viel zu tun, vielleicht öffnet uns die jetzige Krise ja endlich die Augen. Also doch noch "survival of the fittest"?
 

Quelle:
Gesellschaft | Politik, 09.04.2009
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2009 - Unternehmen im Gesundheitscheck erschienen.
     
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