Die Finanzkrise
Der Untergang von Corporate Social Responsibility?
Die Finanzkrise und die daraus resultierende globale Rezession hatten zur Folge, dass sich viele Bürger, Unternehmen und Länder von ihrer Vorstellung von Wohlstand und Wachstum verabschieden mussten. Große staatliche Projekte wurden abgespeckt und ehrgeizige Unternehmensinvestitionen auf Eis gelegt. In solch einer von Sparsamkeit geprägten Ära stellt sich die Frage, ob für Corporate Social Responsibility (CSR) in Unternehmen überhaupt noch Platz ist. Denn oft gilt die These, dass CSR nur ein Luxus für gute Zeiten sei, den man sich in schlechten Zeiten nicht mehr leisten könne. Ich würde allerdings anders argumentieren: Die Krise wird CSR sowohl bremsen als auch fördern.
Einerseits ist zu erwarten, dass die CSR-Budgets in nächster Zeit drastisch gekürzt werden - vor allem die wohltätigen Spenden. In einer Zeit, die von Massenentlassungen geprägt ist, sind solche Einschnitte nicht nur wirtschaftlich aus operativen Gründen verständlich, sondern auch moralisch vor der Öffentlichkeit vertretbar.
Allerdings haben Prognosen, die den "Untergang von CSR" voraussagen, sicherlich keinen Bestand. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die negative wirtschaftliche Lage eher eine Beschleunigung der CSR-Debatte in den Chefetagen mit sich bringt. Wieso? Vor allem, weil der Zeitgeist den großen Unternehmen zutiefst misstraut. Zu erwarten ist daher eine neue Welle sowohl staatlicher Regulierungen als auch zunehmenden öffentlichen Interesses, wie Firmen ihre Geschäfte führen.
Reputation ist (fast) alles
Zu den Auslösern der globalen Rezession zählten große Finanzkonzerne wie Lehman Brothers, Bear Stearns und Merrill Lynch, die oft, besonders im einfacher regulierten angelsächsischen Raum, über eine dubiose Kreditvergabepolitik verfügten. Genau wie bei CSR spielt im Finanzgeschäft vor allem eines eine übergeordnete Rolle - die Reputation. Seit dem Beinahe-Kollaps des globalen Bankensystems im Jahre 2008 bemühen sich Finanzfirmen verzweifelt um ihren Ruf - ein Prozess, der natürlich auch von der verstärkten staatlichen Einmischung begleitet wird.
Die neuen "Schlüsselwörter" in der Finanzindustrie sind Transparenz und Verantwortung - und zwar für alle Stakeholder. Nun spüren die Banken, was in anderen Wirtschaftszweigen schon seit Jahren auf der Tagesordnung steht. Notgedrungen haben sich die Finanzkonzerne an das neue politische Klima gewöhnt. Da einige von ihnen nur dank großzügiger staatlicher Kredite und der Europäischen Zentralbank (EZB) überleben konnten, sind sie jetzt auch kaum in der Lage, sich über strengere Regulierung und Corporate Governance Oversight zu beschweren.
Blind vor Wachstum
Doch auch ein weiterer Trend ist eindeutig zu spüren. Die letzten anderthalb Jahrzehnte waren von hohem wirtschaftlichen Wachstum geprägt, begleitet von einer bisher einzigartigen Nutzung von Ressourcen, was letztendlich zu einem globalen Wettkampf um Bodenschätze, Ackerland sowie Wasserquellen führte. Neben der Blase im Finanzsektor, die hervorgerufen wurde, weil Konsumenten, Banken und Staaten über ihre Verhältnisse gelebt haben, ist auch ein "ökologisches Defizit" entstanden, das nicht nur zukünftige Generationen betreffen wird, sondern auch uns bedroht.
Während des Booms wurde dieses ökologische Defizit von den jeweiligen Staaten aufgrund des immer weiter wachsenden Wohlstands aus den Augen verloren. Die Finanzierung erfolgte stets über Kredite und die Mehrheit fragte sich: "Wieso sollten wir uns über einen steigenden Ölpreis Sorgen machen, wenn doch sämtliche Urlaubsreisen und Autos per Kredit finanziert werden?"
CSR first movers
Man kann jedoch davon ausgehen, dass manche Unternehmen als wahre CSR-Gewinner aus der Krise hervorgehen werden. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die ihre Geschäftsaktivitäten offenlegen, sich das Stichwort "Transparenz" auf die Fahne schreiben und ehrlich mit Dingen wie ihrem "ökologischen Fußabdruck" umgehen. Dies bringt ihnen nicht nur Pluspunkte bei den traditionell kritischen Konsumenten, sondern verschafft ihnen auch einen massiven Gewinn in Sachen Reputation auf dem Markt.
Darüber hinaus haben viele europäische Regierungen Anreizprogramme für die Einführung von umweltfreundlichen Energien sowie für die Schaffung von sogenannten "grünen Arbeitsplätzen" ins Leben gerufen. Diejenigen, die zeitig auf CSR und ökologische Technologien setzen - die sogenannten CSR first movers - stehen in dieser Konstellation als Gewinner da. Allerdings gilt es nicht, die grünen Alibi-Projekte der Vergangenheit wieder aufzuwärmen: Hier und jetzt zählt es, CSR im Rahmen eines sozial geprägten Business-Planes durchzusetzen, getrieben von einem soliden Ressourcenmanagement.
Ein Beispiel hierfür ist das oft genannte Augsburger Pharma-Unternehmen betapharm, das seine Unternehmensstrategie mit äußerster Sorgfalt ausgerichtet und komplett auf Werbung und Marketing verzichtet hat - eine für die Pharma-Industrie wahrlich bemerkenswerte Tatsache. Stattdessen wird auf den Aufbau eines gemeinnützigen medizinischen Netzwerks Wert gelegt, das die staatliche Gesundheitsbehörde, Krankenkassen sowie Patienten zusammenbringt. Mit kostspieligen öffentlichen Wohltätigkeiten hat das wenig zu tun; es ist eher eine Art soziales Denken, intrinsisch in einer gesamten Unternehmensphilosophie.
Mit dieser neuen Ära wird allerdings klar, dass die Debatte über die Konsequenzen des ständigen Strebens nach Wachstum neu entfacht wird. Manche Business-Manager werden wohl der eher guten alten "business-freundlichen" Zeit nachweinen. Aber gut geführte nachhaltige Konzerne sollten stattdessen die neue Ära begrüßen, denn sie werden am stärksten von ihr profitieren.
Im Profil
Nick Tolhurst ist Managing Director des Institute for Corporate Culture Affairs (ICCA), einer gemeinnützigen CSR-Organisation in Frankfurt am Main, und Autor der Bücher "A to Z of CSR" und "Responsible Business: How to Manage a CSR Strategy Successfully".
Einerseits ist zu erwarten, dass die CSR-Budgets in nächster Zeit drastisch gekürzt werden - vor allem die wohltätigen Spenden. In einer Zeit, die von Massenentlassungen geprägt ist, sind solche Einschnitte nicht nur wirtschaftlich aus operativen Gründen verständlich, sondern auch moralisch vor der Öffentlichkeit vertretbar.
Allerdings haben Prognosen, die den "Untergang von CSR" voraussagen, sicherlich keinen Bestand. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die negative wirtschaftliche Lage eher eine Beschleunigung der CSR-Debatte in den Chefetagen mit sich bringt. Wieso? Vor allem, weil der Zeitgeist den großen Unternehmen zutiefst misstraut. Zu erwarten ist daher eine neue Welle sowohl staatlicher Regulierungen als auch zunehmenden öffentlichen Interesses, wie Firmen ihre Geschäfte führen.
Reputation ist (fast) alles
Zu den Auslösern der globalen Rezession zählten große Finanzkonzerne wie Lehman Brothers, Bear Stearns und Merrill Lynch, die oft, besonders im einfacher regulierten angelsächsischen Raum, über eine dubiose Kreditvergabepolitik verfügten. Genau wie bei CSR spielt im Finanzgeschäft vor allem eines eine übergeordnete Rolle - die Reputation. Seit dem Beinahe-Kollaps des globalen Bankensystems im Jahre 2008 bemühen sich Finanzfirmen verzweifelt um ihren Ruf - ein Prozess, der natürlich auch von der verstärkten staatlichen Einmischung begleitet wird.
Die neuen "Schlüsselwörter" in der Finanzindustrie sind Transparenz und Verantwortung - und zwar für alle Stakeholder. Nun spüren die Banken, was in anderen Wirtschaftszweigen schon seit Jahren auf der Tagesordnung steht. Notgedrungen haben sich die Finanzkonzerne an das neue politische Klima gewöhnt. Da einige von ihnen nur dank großzügiger staatlicher Kredite und der Europäischen Zentralbank (EZB) überleben konnten, sind sie jetzt auch kaum in der Lage, sich über strengere Regulierung und Corporate Governance Oversight zu beschweren.
Blind vor Wachstum
Doch auch ein weiterer Trend ist eindeutig zu spüren. Die letzten anderthalb Jahrzehnte waren von hohem wirtschaftlichen Wachstum geprägt, begleitet von einer bisher einzigartigen Nutzung von Ressourcen, was letztendlich zu einem globalen Wettkampf um Bodenschätze, Ackerland sowie Wasserquellen führte. Neben der Blase im Finanzsektor, die hervorgerufen wurde, weil Konsumenten, Banken und Staaten über ihre Verhältnisse gelebt haben, ist auch ein "ökologisches Defizit" entstanden, das nicht nur zukünftige Generationen betreffen wird, sondern auch uns bedroht.
Während des Booms wurde dieses ökologische Defizit von den jeweiligen Staaten aufgrund des immer weiter wachsenden Wohlstands aus den Augen verloren. Die Finanzierung erfolgte stets über Kredite und die Mehrheit fragte sich: "Wieso sollten wir uns über einen steigenden Ölpreis Sorgen machen, wenn doch sämtliche Urlaubsreisen und Autos per Kredit finanziert werden?"
CSR first movers
Man kann jedoch davon ausgehen, dass manche Unternehmen als wahre CSR-Gewinner aus der Krise hervorgehen werden. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die ihre Geschäftsaktivitäten offenlegen, sich das Stichwort "Transparenz" auf die Fahne schreiben und ehrlich mit Dingen wie ihrem "ökologischen Fußabdruck" umgehen. Dies bringt ihnen nicht nur Pluspunkte bei den traditionell kritischen Konsumenten, sondern verschafft ihnen auch einen massiven Gewinn in Sachen Reputation auf dem Markt.
Darüber hinaus haben viele europäische Regierungen Anreizprogramme für die Einführung von umweltfreundlichen Energien sowie für die Schaffung von sogenannten "grünen Arbeitsplätzen" ins Leben gerufen. Diejenigen, die zeitig auf CSR und ökologische Technologien setzen - die sogenannten CSR first movers - stehen in dieser Konstellation als Gewinner da. Allerdings gilt es nicht, die grünen Alibi-Projekte der Vergangenheit wieder aufzuwärmen: Hier und jetzt zählt es, CSR im Rahmen eines sozial geprägten Business-Planes durchzusetzen, getrieben von einem soliden Ressourcenmanagement.
Ein Beispiel hierfür ist das oft genannte Augsburger Pharma-Unternehmen betapharm, das seine Unternehmensstrategie mit äußerster Sorgfalt ausgerichtet und komplett auf Werbung und Marketing verzichtet hat - eine für die Pharma-Industrie wahrlich bemerkenswerte Tatsache. Stattdessen wird auf den Aufbau eines gemeinnützigen medizinischen Netzwerks Wert gelegt, das die staatliche Gesundheitsbehörde, Krankenkassen sowie Patienten zusammenbringt. Mit kostspieligen öffentlichen Wohltätigkeiten hat das wenig zu tun; es ist eher eine Art soziales Denken, intrinsisch in einer gesamten Unternehmensphilosophie.
Mit dieser neuen Ära wird allerdings klar, dass die Debatte über die Konsequenzen des ständigen Strebens nach Wachstum neu entfacht wird. Manche Business-Manager werden wohl der eher guten alten "business-freundlichen" Zeit nachweinen. Aber gut geführte nachhaltige Konzerne sollten stattdessen die neue Ära begrüßen, denn sie werden am stärksten von ihr profitieren.
Von Nick Tolhurst
Im Profil
Nick Tolhurst ist Managing Director des Institute for Corporate Culture Affairs (ICCA), einer gemeinnützigen CSR-Organisation in Frankfurt am Main, und Autor der Bücher "A to Z of CSR" und "Responsible Business: How to Manage a CSR Strategy Successfully".
Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 07.01.2010
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