Ende der Eiszeit

Zeitungen und Gesellschaften brauchen Klimakultur

Das beste Beispiel für das langjährige Versagen von Journalisten in Sachen vernünftige Klimawandel-Berichterstattung bin leider ich. Die taz wurde 1979 von der Umweltbewegung gegründet und wuchs durch die Berichterstattung über die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl aus einem Bewegungsblatt zu einer überregionalen Qualitätszeitung der heutigen Größe und Bedeutung. Von außen betrachtet sollte man also denken, dass bei der taz ein einheitliches Bewusstsein über die Dringlichkeit einer Lösung des Klima- und Energieproblems besteht.

Foto: © Daniel Krafczyk, pixelio
Theoretisch ja. Praktisch lebten auch in Redaktion und Leserschaft der taz Ökos und Ökoskeptiker jahrelang nebeneinander her. Manchmal kam der Ökoredakteur aus seinem Zimmer an den Blattmachertisch gerannt, wo die aktuelle Zeitung konzipiert wurde. Japsend und aufgeregt erzählte er von Emissionen und Zertifikaten. Ich schaute ihn an und dachte: Sicher wichtig, auch wenn ich keine Ahnung habe, wovon er da genau redet - und es eigentlich auch nicht wissen will.

Generell herrschte und herrscht nach meiner Einschätzung Sprachlosigkeit zwischen den Experten für das Thema und dem Rest von Redaktionen. Das ist neben der Komplexität des Themas ein Hauptgrund, warum die meisten Medien - eine große Ausnahme ist der britische Guardian - bis heute keine gute Klima-Berichterstattung machen. Diese Sprachlosigkeit entspricht der zwischen öko-affinen Bürgern und dem großen Rest der Gesellschaft. Das Problem ist ein generelles Fehlen von etwas, das ich individuelle und gesellschaftliche Klimakultur nenne.

Sprachlosigkeit durch Klimakultur überwinden
Klimakultur gehört zu den wichtigsten Werten, die Gesellschaften im 21. Jahrhundert brauchen. Es ist keine Frage von Moral, Zwang oder Verzicht. Es ist etwas, das zu einem modernen Leben und Denken, Konsumieren und Träumen gehört wie andere Dinge auch. Es braucht eine individuelle Klimakultur, um eine gesellschaftliche Klimakultur zu bekommen. Nur das wird die Ordnungspolitik ermöglichen und mittragen, die in Leitartikeln gern gefordert wird.

Wie es dazu kam, dass ich vom Öko-Ignoranten zum Klimakultur-Redakteur wurde, ist eine lange Geschichte. Jedenfalls sind begehrenswerte Häuser für mich heute solche, die Strom produzieren und nicht verbrauchen. Begehrenswerte Autos sind solche, die das Ende fossiler Energien nicht ignorieren, sondern überwinden. Gleiches gilt für politische Parteien.

Für Zeitungen heißt das nicht, ökologisch-soziale Werte und die ökologische Transformation der Gesellschaft moralisch einzufordern. Stattdessen muss man das Thema kompetent, zeitgemäß, breit, kontrovers und übrigens auch lustvoll diskutieren. Also nicht nur im politischen Teil und in flammenden Leitartikeln. Es muss in all seinen Facetten in alle Bereiche einer Zeitung einfließen: In ökosoziale Unternehmensberichterstattung, in Tests moderner Produkte, in Lebensstil- und Gesellschaftsberichterstattung, in den Kultur- und auch den Sportteil. Der Leser muss eine echte Entscheidungsgrundlage für sich selbst haben: Augen zu und weiter so - oder nicht.

Die ökologische Transformation ist das wichtigste und aufregendste Thema des 21. Jahrhunderts, ihre Diskussion ist die größtmögliche journalistische Herausforderung: politisch, wirtschaftlich, kulturell.
 
 
Von Peter Unfried
 
Peter Unfried ist Chefreporter der taz und Autor von "Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich"






Lesen Sie diesen und weitere interessante Beiträge in "forum Nachhaltig Wirtschaften", Ausgabe 3/2010: "Die Verantwortung der Medien"

mit dem Special "Fair Trade und ethischer Konsum".

Das Magazin umfasst 132 Seiten und ist zum Preis von 7,50 ? erhältlich, zzgl. 3,00 ? Porto & Versand (innerhalb Deutschlands).

Onlinebestellung

forum-Abonnement

Quelle:
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 12.08.2010

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Save the Ocean

forum 02/2025 ist erschienen

  • Regenerativ
  • Coworkation
  • Klimadiesel
  • Kreislaufwirtschaft
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
07
MAI
2025
MakerCamp Genossenschaften 2025
Genossenschaftliche Lösungen in Wirtschaft, Kommunen und Gesellschaft
65189 Wiesbaden
08
MAI
2025
Die intelligente Transformation: ESG + KI = Zukunftssicherung
Wer Nachhaltigkeit ohne KI umsetzt, verpasst entscheidende Chancen
Webinar
14
MAI
2025
Klimaschutz im peruanischen Regenwald
Delegierte der Asháninka teilen ihre Perspektiven
80802 München, Seidlvilla
Alle Veranstaltungen...

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Politik

"Wir brauchen Menschen, die vom Geist Europas beseelt sind und ihn allen Widrigkeiten zum Trotz zur Geltung bringen wollen."
Christoph Quarch überlegt, was wir den tyrannischen Ambitionen des globalen Trumpismus und des hiesigen Rechtspopulismus entgegensetzen können
B.A.U.M. Insights
Lassen Sie sich begeistern von einem Buch, das Hoffnung macht.

Jetzt auf forum:

Dialog und Kooperation – Sie sind gefragt!

GROHE Water Insights 2025

Gesundheits- und Sozialwirtschaft muss auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützt werden

„Ökobilanz-Rechner“ der DEUTSCHEN ROCKWOOL

Porsche investiert entschlossen in die Zukunft

Umwelt- und Gesundheitskosten des Ernährungssystems belasten Wirtschaft und Gesellschaft mit Milliarden Euro im Jahr

BNW begrüßt CDU-Vorschlag

ChangeNOW 2025: Ein Wendepunkt für die Wirtschaft der Zukunft

forum extra, Beilage in der Wirtschaftswoche
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Global Nature Fund (GNF)
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • circulee GmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • NOW Partners Foundation
  • toom Baumarkt GmbH
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • Engagement Global gGmbH
  • Kärnten Standortmarketing
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Global Nature Fund (GNF)
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • circulee GmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • NOW Partners Foundation
  • toom Baumarkt GmbH
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • Engagement Global gGmbH
  • Kärnten Standortmarketing
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG