"Hunger im Überfluss"

Bericht zur Lage der Welt 2011

Lokal angepasste, einfache und ökologisch nachhaltige Innovationen in der Landwirtschaft sind ein Schlüssel zum Abbau von Armut und Hunger. Das ist das Fazit des Berichts "Zur Lage der Welt 2011" des führenden US-amerikanischen Umweltinstituts Worldwatch, dessen deutsche Ausgabe in Berlin vorgestellt wurde. Der Bericht plädiert für einen umgehenden Ausbau nachhaltiger landwirtschaftlicher Investitionen: Darunter die Finanzierung von Agroforstwirtschaft, Sortenvielfalt sowie agrarökologischer Forschung, die in den letzten Jahren massiv vernachlässigt worden sei.

Fazit des Berichts: Landwirtschaft durch einfache, lokal angepasste Innovationen stärken!
Foto: © Ernst Rose / Pixelio.de
Knapp eine Milliarde Menschen leide an Hunger und chronischer Unterernährung, und das obwohl niemals zuvor mehr Nahrungsmittel produziert worden seien, stellt der Bericht fest. Die lokale und globale Verteilung von Nahrungsmitteln sei äußerst ungerecht: Insbesondere in Afrika, wo das Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren stark zunehmen werde, verschärfe sich Hunger und Unterernährung. Die weltweiten Preissteigerungen für Nahrungsmittel träfen vor allem die ärmsten Menschen weltweit.

Bei der Vorstellung des Berichts am 15. März 2011 sagte Danielle Nierenberg, Agrarexpertin des Worldwatch Instituts und Hauptautorin des Buches:
"Viele Regierungen setzen auf die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion durch Hochertragssorten oder Düngemittel. Aber für die Mehrheit der armen Bauern sind diese Methoden zu teuer oder einfach nicht verfügbar. Ein produktiver Wandel ist möglich, wenn man Kleinbauern durch einfache, aber entscheidende Innovationen stärkt - insbesondere die Frauen, die die Landwirtschaft in den meisten Ländern dominieren. Die Lösung besteht darin, Nahrungsmittel so zu produzieren, dass sie auch von Kleinbäuerinnen und -bauern verarbeitet und vermarktet werden können."

Für mehr Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft plädierte Judi Wakhungu, Leiterin des kenianischen Think Tanks "African Centre for Technology Studies" und Co-Direktorin des Weltagrarberichts (IAASTD):
"Afrikanische Regierungen und internationale Geber müssen in Projekte investieren, die lokales und traditionelles Wissen mit neuen Technologien kombinieren. Für die Bekämpfung des Hungers in Afrika sind Investitionen etwa in die ökologische Agrarforschung entscheidend. Mit Hilfe der Agroforstwirtschaft könnten auf den weniger fruchtbaren Böden des Kontinents Erosion vermieden, die Fruchtbarkeit der Böden verbessert und der Ernteertrag gesteigert werden."

Intensive Fleischproduktion hat nicht nur schwerwiegende ökologische und soziale Folgen in den Herkunftsländern der Futtermittel, sondern trägt auch zum Klimawandel bei. Ein Grund mehr für eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik.
Foto: © Sebastian Karkus / Pixelio.de
Angesichts der akuten Preissteigerungen auf den Weltagrarmärkten forderte Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, eine sofortige Kehrtwende in der EU-Agrarpolitik: "Es ist untragbar, dass wir unseren Bedarf an Agrarrohstoffen auf Kosten anderer Ländern decken und die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel in die Höhe treiben. Die EU zählt zu den größten Fleischexporteuren weltweit, aber nur, weil wir den größten Teil der Futtermittel aus dem Süden importieren und die ökologischen und sozialen Folgen unserer Fleischproduktion in andere Länder auslagern. Die EU muss endlich sicher stellen, dass ihre Agrarpolitik eine ökologische und faire Produktion fördert und nicht den Tierfabriken nutzt, die ihre Tiere mit Soja aus Brasilien oder Argentinien füttern."

Auch aus Sicht des Klimaschutzes sei eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik dringend notwendig, ergänzt Tilman Santarius, Vorstandmitglied von Germanwatch: "Vor allem durch eine intensive Fleischproduktion trägt die Landwirtschaft bedeutend zum Klimawandel bei. Dabei könnten nachhaltige Produktionssysteme wie die Weidehaltung der Atmosphäre sogar klimaschädliche Gase entziehen."

Die deutsche Ausgabe von "2011 State of the World: Nourishing the Planet" des Worldwatch Instituts ist unter dem Titel "Zur Lage der Welt 2011. Hunger im Überfluss. Neue Strategien gegen Unterernährung und Armut" im oekom-Verlag erschienen: Mit Vorworten von Olivier de Schutter, Barbara Unmüßig und Klaus Milke sowie einem Sonderbeitrag von Christine Chemnitz und Tobias Reichert zur EU-Agrarpolitik. Herausgeber der deutschen Ausgabe sind Germanwatch und die Heinrich-Böll-Stiftung (München 2011, 288 Seiten, 19,95 Euro, ISBN 978-3-86581-241-4).

Zahlen, Daten, Fakten
zum Bericht "Zur Lage der Welt 2011" sowie Leseproben, darunter u.a.
Beiträge von Olivier de Schutter, Barbara Unmüßig, Klaus Milke, Christine Chemnitz und Tobias Reichert, auf www.boell.de

Dokumentation
Einen Video-Mitschnitt der Pressekonferenz am 15. März 2011 zur Vorstellung des Berichts "Zur Lage der Welt 2011" finden Sie unter www.boell.de.




Lesen Sie mehr zu diesem Thema im Magazin "forum Nachhaltig Wirtschaften" 2/2011 mit dem Schwerpunkt Ressourcen und dem Special Ernährung & Landwirtschaft.

Das Magazin umfasst 148 Seiten und ist zum Preis von 7,50 ? zzgl. 3,00 ? Porto & Versand (innerhalb Deutschlands) direkt hier zu bestellen.
Oder unterstützen Sie uns durch ein forum-Abonnement

Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 15.03.2011

     
        
Cover des aktuellen Hefts

Pioniere der Hoffnung

forum 01/2025 ist erschienen

  • Bodendegradation
  • ESG-Ratings
  • Nachhaltige Awards
  • Next-Gen Materialien
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
03
JAN
2025
48. Naturschutztage am Bodensee
Vorträge, Diskussionen, Exkursionen mit Fokus: Arten-, Klima- und Naturschutz
78315 Radolfzell
17
JAN
2025
Systemische Aufstellungen von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien
Constellations machen Dynamiken sichtbar - Ticketrabatt für forum-Leser*innen!
online
06
FEB
2025
Konferenz des guten Wirtschaftens 2025
Mission (Im)Possible: Wie Unternehmen das 1,5-Grad-Ziel erreichen
80737 München
Alle Veranstaltungen...
NatuVision Forum

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Megatrends

Eindämmung der Barbarei durch Kultur
Angesichts der aktuellen Zahlen über die Zunahme der Sexualstraftaten und Femizide nimmt Christoph Quarch v.a. die Männer in die Pflicht
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

Kultur ist nicht das, was man konsumiert, sondern etwas, was man lebt und liebt!

Leistungsstarker 3D Drucker mit anfängerfreundlichen Funktionen

Profiküche 2025: Geräte-Innovation spart mehr als 50 Prozent Energie für Grill-Zubereitung ein

Sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder:

Fotoausstellung Klimagerecht leben

Ohne Vertrauen ist alles nichts

Zeit für Regeneration

The Custodian Plastic Race 2025

  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • circulee GmbH
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • Global Nature Fund (GNF)
  • ECOFLOW EUROPE S.R.O.
  • NOW Partners Foundation
  • Engagement Global gGmbH
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • Kärnten Standortmarketing