Die begrünte Wüste
Der Umgang mit Boden und Wasser in der Sekem-Initiative
Trocken-heißes Klima, 1977 in Ägypten: Mitten in der Wüste will der Chemiker Ibrahim Abouleish das Land in eine grüne Oase verwandeln. Mit biologisch-dynamischer Landwirtschaft und viel Liebe zu den Menschen gelingt ihm das Wunder. Ein Blick auf den Umgang mit Boden und Wasser in der Sekem-Initiative.
Da, wo vorher nur Sand und Gestein war, erblüht heute ein grün-buntes Paradies mit Vogelgesang. Die Sekem-Farm wurde einst durch Flutbewässerung aus Brunnenwasser urbar gemacht. Ein mit biologisch-dynamischen Präparaten veredelter Kompost sorgte für eine gute Düngung. Im Laufe der Jahre konnten weitere Flächen in der Nachbarschaft erworben werden, so dass heute etwa 180ha bewirtschaftet werden. Auf den Farmen wird, je nach Standort, mit Brunnenwasser (Tiefbohrungen bis zu 150m) oder Kanälen, die aus dem Nil gespeist werden, bewässert. Für verschiedene Kulturen nutzen die Bauern Sprenkler oder Tröpfchenbewässerung, um Verdunstung zu verringern.
Sekem arbeitet außerdem mit mehr als 350 Demeter-Landwirten im ganzen Land zusammen, die verschiedenste Produkte anbauen, welche in den Sekem-Firmen weiter verarbeitet werden. Die Palette reicht von Futterpflanzen über Getreide wie Reis oder Weizen und Ölsaaten (Sesam, Nigella, Leinsaat) zu Heilkräutern (Minze, Hibiskus, Kamille, Basilikum), Obst und Gemüse und Baumwolle.
Die Bauern arbeiten mit einer Fruchtfolge, die der Auslaugung der Böden entgegenwirkt. So nehmen Leguminosenarten wie Bohnen oder Klee als Viehfutter eine wichtige Stellung unter den Produkten ein. Alle Farmen unterhalten Vieh wie Kühe, Wasserbüffel, Schafe und Hühner, deren Mist für die Düngung eine wichtige Rolle spielt. Seit 2007 wurde die Produktion von Kompost zusammen mit der Firma Soil & More (Niederlande) enorm verbessert und vergrößert, so dass inzwischen 110.000 Tonnen jährlich produziert werden.
Expansion in statt Exodus aus der Wüste
Diese Entwicklung machte es möglich, dass Sekem drei weitere große Wüstengrundstücke bearbeiten konnte, deren Flächen durch Bewässerung und Kompostaufbringung Stück für Stück urbar gemacht werden. Dabei werden Klee und andere Leguminosen in den ersten Jahren vermehrt angebaut, um Stickstoff in die Böden zu bringen.
Die Sinai-Farm mit knapp 1000ha baut Orangen, Kartoffeln, Bohnen und Futterpflanzen an, jedes Jahr wird ein größerer Anteil der Fläche bearbeitet. Die Farm in Minya, Mittelägypten, schlängelt sich in einem 18km langen, schmalen Tal auf knapp 1000ha Fläche in die Berge neben dem Nil. Hier werden Kräuter wie Basilikum, Kamille, Dill und Zwiebeln angebaut.
Die Farm in der Bahareya-Senke in der Westwüste: auf etwa 150ha werden Krauseminze, Palmen, Agroforst, Süßholz, Klee, Luzerne und Geranium angebaut. Auch diese Farm wird in einigen Jahren etwa 1000ha bewirtschaften.
Die Böden werden mit dem eigens hergestellten Kompost gedüngt. Bisher wird in Ägypten das anfallende Reisstroh in riesigen Mengen verbrannt, was fatale Auswirkungen auf die Umwelt hat und in einem Land, das dringend Biomasse benötigt, diese unnötig zerstört. Bei Sekem wird der Kompost - meist zweimal jährlich - auf die Felder aufgebracht, die dazu gepflügt werden.
Die Wüstenböden in der Umgebung Sekems sind leicht alkalisch, mit sehr niedrigen Kohlenstoffwerten und recht hohen Salzwerten. Die Bearbeitung mit Kompost, Gründünger, biologisch-dynamischen Präparaten und regelmäßiger Bewässerung hat im Laufe der Zeit zu einer Änderung der Bodenzusammensetzung geführt - mit höheren Werten von organischer Substanz.
In einer Studie von Soil & More International, dem Louis Bolk Institut und der Heliopolis University konnten Joris van der Kamp und Boki Luske die Effekte von langjähriger biodynamischer Landwirtschaft auf die ägyptischen Wüstenböden aufzeigen. Dazu wurde der Gehalt an organischem Kohlenstoff in verschiedenen Bodenschichten gemessen und mit nicht bearbeitetem Wüstenboden verglichen. Die Ergebnisse zeigen eine starke Zunahme von organischem Kohlenstoff bis in Schichten von 30cm Tiefe. Im unberührten Wüstenboden rund um Sekem fand sich ein organischer Kohlenstoffgehalt von maximal 0.08 Prozent. Auf Böden hingegen, die 30 Jahre bewirtschaftet wurden, hat sich der organische Kohlenstoffgehalt in 0-10cm Tiefe auf bis zu 1,39 Prozent und in 10-30 cm Tiefe auf bis zu 0,39 Prozent erhöht. Pro Hektar und Jahr werden im Durchschnitt drei Tonnen CO2-Äquivalente gebunden und somit ein großer Beitrag zum Klimaschutz erbracht. Der höhere Humusgehalt im Boden führt außerdem dazu, dass 20-40 Prozent weniger Wasser für die Bewässerung benötigt wird und die Bodenfruchtbarkeit sich verbessert - wichtige Faktoren, um die Nahrungsmittelsicherheit in einem wasserarmen Land wie Ägypten zu verbessern.
Biologisch-dynamische Landwirtschaft mit ihren vielfältigen positiven Auswirkungen auf landwirtschaftliche Böden verfügt über ein starkes Potenzial, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Sie trägt nicht nur zu einer besseren Ernährungsversorgung und einem schonenderen Umgang mit knappen Ressourcen wie Wasser bei, sondern bietet auch unzähligen Bauern in armen ländlichen Regionen eine nachhaltigere und sicherere Lebensgrundlage.
Von Helmy Abouleish und Christina Boecker
Bauern beim hacken. |
Sekem arbeitet außerdem mit mehr als 350 Demeter-Landwirten im ganzen Land zusammen, die verschiedenste Produkte anbauen, welche in den Sekem-Firmen weiter verarbeitet werden. Die Palette reicht von Futterpflanzen über Getreide wie Reis oder Weizen und Ölsaaten (Sesam, Nigella, Leinsaat) zu Heilkräutern (Minze, Hibiskus, Kamille, Basilikum), Obst und Gemüse und Baumwolle.
Die Bauern arbeiten mit einer Fruchtfolge, die der Auslaugung der Böden entgegenwirkt. So nehmen Leguminosenarten wie Bohnen oder Klee als Viehfutter eine wichtige Stellung unter den Produkten ein. Alle Farmen unterhalten Vieh wie Kühe, Wasserbüffel, Schafe und Hühner, deren Mist für die Düngung eine wichtige Rolle spielt. Seit 2007 wurde die Produktion von Kompost zusammen mit der Firma Soil & More (Niederlande) enorm verbessert und vergrößert, so dass inzwischen 110.000 Tonnen jährlich produziert werden.
Das Nichts der Wüste inspirierte den Sekem-Gründer, mit biologisch-dynamischer Landwirtschaft ein Paradies zu schaffen. |
Diese Entwicklung machte es möglich, dass Sekem drei weitere große Wüstengrundstücke bearbeiten konnte, deren Flächen durch Bewässerung und Kompostaufbringung Stück für Stück urbar gemacht werden. Dabei werden Klee und andere Leguminosen in den ersten Jahren vermehrt angebaut, um Stickstoff in die Böden zu bringen.
Die Sinai-Farm mit knapp 1000ha baut Orangen, Kartoffeln, Bohnen und Futterpflanzen an, jedes Jahr wird ein größerer Anteil der Fläche bearbeitet. Die Farm in Minya, Mittelägypten, schlängelt sich in einem 18km langen, schmalen Tal auf knapp 1000ha Fläche in die Berge neben dem Nil. Hier werden Kräuter wie Basilikum, Kamille, Dill und Zwiebeln angebaut.
Die Farm in der Bahareya-Senke in der Westwüste: auf etwa 150ha werden Krauseminze, Palmen, Agroforst, Süßholz, Klee, Luzerne und Geranium angebaut. Auch diese Farm wird in einigen Jahren etwa 1000ha bewirtschaften.
Die Böden werden mit dem eigens hergestellten Kompost gedüngt. Bisher wird in Ägypten das anfallende Reisstroh in riesigen Mengen verbrannt, was fatale Auswirkungen auf die Umwelt hat und in einem Land, das dringend Biomasse benötigt, diese unnötig zerstört. Bei Sekem wird der Kompost - meist zweimal jährlich - auf die Felder aufgebracht, die dazu gepflügt werden.
Die Wüstenböden in der Umgebung Sekems sind leicht alkalisch, mit sehr niedrigen Kohlenstoffwerten und recht hohen Salzwerten. Die Bearbeitung mit Kompost, Gründünger, biologisch-dynamischen Präparaten und regelmäßiger Bewässerung hat im Laufe der Zeit zu einer Änderung der Bodenzusammensetzung geführt - mit höheren Werten von organischer Substanz.
In einer Studie von Soil & More International, dem Louis Bolk Institut und der Heliopolis University konnten Joris van der Kamp und Boki Luske die Effekte von langjähriger biodynamischer Landwirtschaft auf die ägyptischen Wüstenböden aufzeigen. Dazu wurde der Gehalt an organischem Kohlenstoff in verschiedenen Bodenschichten gemessen und mit nicht bearbeitetem Wüstenboden verglichen. Die Ergebnisse zeigen eine starke Zunahme von organischem Kohlenstoff bis in Schichten von 30cm Tiefe. Im unberührten Wüstenboden rund um Sekem fand sich ein organischer Kohlenstoffgehalt von maximal 0.08 Prozent. Auf Böden hingegen, die 30 Jahre bewirtschaftet wurden, hat sich der organische Kohlenstoffgehalt in 0-10cm Tiefe auf bis zu 1,39 Prozent und in 10-30 cm Tiefe auf bis zu 0,39 Prozent erhöht. Pro Hektar und Jahr werden im Durchschnitt drei Tonnen CO2-Äquivalente gebunden und somit ein großer Beitrag zum Klimaschutz erbracht. Der höhere Humusgehalt im Boden führt außerdem dazu, dass 20-40 Prozent weniger Wasser für die Bewässerung benötigt wird und die Bodenfruchtbarkeit sich verbessert - wichtige Faktoren, um die Nahrungsmittelsicherheit in einem wasserarmen Land wie Ägypten zu verbessern.
Biologisch-dynamische Landwirtschaft mit ihren vielfältigen positiven Auswirkungen auf landwirtschaftliche Böden verfügt über ein starkes Potenzial, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Sie trägt nicht nur zu einer besseren Ernährungsversorgung und einem schonenderen Umgang mit knappen Ressourcen wie Wasser bei, sondern bietet auch unzähligen Bauern in armen ländlichen Regionen eine nachhaltigere und sicherere Lebensgrundlage.
Von Helmy Abouleish und Christina Boecker
Die SEKEM Initiative Die Sekem Initiative wurde 1977 durch Dr. Ibrahim Abouleish in Ägypten auf etwa 60 ha Wüstenland, circa 60 km nordöstlich von Kairo gegründet. Sein Ziel war es, aufbauend auf der biologisch-dynamischen Landwirtschaft im zuerst sandigen Wüstenboden ein nachhaltiges Modell für eine ganzheitliche Gesellschaftsentwicklung aufzubauen. Aus den biologischen Farmerzeugnissen werden Demeter-Produkte hergestellt und sowohl in Ägypten als auch im Export vertrieben. So ist in Ägypten einer der größten Bio-Märkte außerhalb der westlichen Welt entstanden. Soziale und kulturelle Einrichtungen wie die Sekem Schule, ein medizinisches Zentrum, ein Ausbildungszentrum, sowie eine Kunst- und Forschungsakademie werden von Sekem betrieben. Etwa 2.000 Mitarbeiter sind in Sekem beschäftigt und ihre Familien und die umliegenden Dorfgemeinschaften profitieren von den Sozial- und Bildungseinrichtungen. 2007 erhielt Abouleish für sein Engagement den Alternativen Nobelpreis. |
Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 25.05.2011
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