Die Hürden des Wandels
Sabine Braun zieht Bilanz aus dem Monat Mai
Seit Anfang Mai wissen wir, dass die Weltbevölkerung noch schneller wächst als bisher angenommen. Leben derzeit knapp 7 Milliarden Menschen auf der Erde, werden es im Jahr 2050 nach Schätzungen der UNO 9,3 Milliarden sein. Das sind 200 Millionen mehr als noch vor zwei Jahren vorausgesagt - ein Grund mehr, die notwendige Transformation zu beschleunigen. Sie steht nicht nur für die Umgestaltung unserer Energieversorgung, sondern betrifft auch die international zentralen Themen Ernährung, Landnutzung und Landwirtschaft. Hierzulande ebenso wie international wird deren Umsetzung nicht einfach - und nicht nur, weil ideologische Scheuklappen auf allen Seiten den Blick auf Notwendigkeiten und Möglichkeiten verstellen.
Finanzielle, juristische und andere Hürden zeigen sich schon heute deutlich. So warnte Transparency International bei der Vorstellung eines Berichts zum Thema Korruptionsbekämpfung und Klimaschutz, dass Korruption die weltweiten Anstrengungen zur die Eindämmung des Klimawandels gefährden könne. Schätzungen zufolge sollen allein zur Abschwächung des Klimawandels bis 2020 Investitionen in Höhe von 700 Mrd. US-Dollar notwendig sein. Aufzubringen sind die von den Industrienationen, die damit ärmeren Ländern beim Klimaschutz helfen. Doch "wo große Gelsummen durch neue und ungeprüfte Finanzmärkte und Mechanismen fließen, herrscht immer ein Korruptionsrisiko," so der Bericht. Just in den 20 Staaten, die vom Klimawandel besonders betroffen wären, sei auch das Korruptionsrisiko besonders hoch. Der im Mai vorgelegte Bericht enthält deshalb Richtlinien, wie die Untergrabung von Klimaschutzmaßnahmen verhindert werden kann.
Auch die deutsche Energiewende hat ein neues Fragezeichen bekommen: In einem Grundsatzurteil Mitte Mai entschied der Europäischen Gerichtshofs, dass auch Umweltverbände gegen den Bau von Anlagen wie Kraftwerken oder Stromtrassen vor Gericht gehen dürfen, wenn sie Nachteile für Menschen, Tiere oder Natur befürchten. Bislang durften in Deutschland nur Einzelpersonen klagen, wenn sie ihre Rechte verletzt sahen. Paul Kröfges, Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Nordrhein-Westfalen begrüßte die mit dem Urteil verbundenen "Chancen des BUND, als Anwalt von Umwelt- und Naturschutz überflüssige und klimaschädliche Kohlekraftwerke zu verhindern." Das Urteil stärkt nicht nur die großen Verbände, sondern auch Bürgerinitiativen, die bislang ebenso eine Verletzung ihrer Rechte nachweisen mussten. Der Bau neuer Stromtrassen oder neuer Windkraftanlagen wird dadurch zumindest nicht einfacher. Manche hoffen dagegen auf den Transparenzeffekt. Denn das Urteil zwinge Verhinderer nun wenigstens, ihre Position offenzulegen und zu begründen, was durchaus zu positiven Rückwirkungen auf Genehmigungsverfahren führen könne.
Dass wohlfeile Bekenntnisse nur so viel wert sind wie die Realität ihrer Umsetzung, lässt sich an den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen seit vielen Jahren ermessen. Die Ende Mai wurden die neu überarbeitete Fassung vorgestellt. Sie enthält nun ein eigenes Menschenrechtskapitel und verpflichtet Unternehmen, im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht auch die Einhaltung von Menschenrechten zu prüfen. Zudem sollen Unternehmen ihren Beschäftigten ausreichende Löhne zahlen, um die Grundbedürfnisse zu decken.
Das neue Umweltkapitel schreibt vor, dass Unternehmen Umweltauswirkungen verringern oder zumindest ausgleichen sowie über ihre Treibhausgasemissionen berichten sollen. An den grundlegenden Verfahrensfragen hat sich jedoch nichts geändert. Der Umgang mit Klagen und Interessenskonflikten liegt weiter beim Bundeswirtschaftsministerium. Klaus Milke von Germanwatch meint dazu: "Eine Instanz, die multinationale Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards anhalten und in Konfliktfällen vermitteln soll, darf gerade nicht im Bundeswirtschaftsministerium in der Abteilung sitzen, die Auslandsinvestitionen fördern soll. Das stellt einen ständigen Interessenkonflikt dar."
Sabine Braun |
Auch die deutsche Energiewende hat ein neues Fragezeichen bekommen: In einem Grundsatzurteil Mitte Mai entschied der Europäischen Gerichtshofs, dass auch Umweltverbände gegen den Bau von Anlagen wie Kraftwerken oder Stromtrassen vor Gericht gehen dürfen, wenn sie Nachteile für Menschen, Tiere oder Natur befürchten. Bislang durften in Deutschland nur Einzelpersonen klagen, wenn sie ihre Rechte verletzt sahen. Paul Kröfges, Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Nordrhein-Westfalen begrüßte die mit dem Urteil verbundenen "Chancen des BUND, als Anwalt von Umwelt- und Naturschutz überflüssige und klimaschädliche Kohlekraftwerke zu verhindern." Das Urteil stärkt nicht nur die großen Verbände, sondern auch Bürgerinitiativen, die bislang ebenso eine Verletzung ihrer Rechte nachweisen mussten. Der Bau neuer Stromtrassen oder neuer Windkraftanlagen wird dadurch zumindest nicht einfacher. Manche hoffen dagegen auf den Transparenzeffekt. Denn das Urteil zwinge Verhinderer nun wenigstens, ihre Position offenzulegen und zu begründen, was durchaus zu positiven Rückwirkungen auf Genehmigungsverfahren führen könne.
Dass wohlfeile Bekenntnisse nur so viel wert sind wie die Realität ihrer Umsetzung, lässt sich an den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen seit vielen Jahren ermessen. Die Ende Mai wurden die neu überarbeitete Fassung vorgestellt. Sie enthält nun ein eigenes Menschenrechtskapitel und verpflichtet Unternehmen, im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht auch die Einhaltung von Menschenrechten zu prüfen. Zudem sollen Unternehmen ihren Beschäftigten ausreichende Löhne zahlen, um die Grundbedürfnisse zu decken.
Das neue Umweltkapitel schreibt vor, dass Unternehmen Umweltauswirkungen verringern oder zumindest ausgleichen sowie über ihre Treibhausgasemissionen berichten sollen. An den grundlegenden Verfahrensfragen hat sich jedoch nichts geändert. Der Umgang mit Klagen und Interessenskonflikten liegt weiter beim Bundeswirtschaftsministerium. Klaus Milke von Germanwatch meint dazu: "Eine Instanz, die multinationale Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards anhalten und in Konfliktfällen vermitteln soll, darf gerade nicht im Bundeswirtschaftsministerium in der Abteilung sitzen, die Auslandsinvestitionen fördern soll. Das stellt einen ständigen Interessenkonflikt dar."
Quelle:
Gesellschaft | Politik, 01.06.2011
Der Zauber des Wandels
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