Land Grabbing

Wir nehmen, Ihr gebt!

Investitionen in ländliche Entwicklung sind wichtig und könnten für alle Beteiligten Chancen darstellen. Doch mit den ungleich gestalteten Land-Deals gehen bisher vor allem Risiken einher.

Land Grabbing - Wer sind die Gewinner?
Foto: © Philipp Ledényi
Seit der Nahrungsmittel- und Energiepreiskrise 2007/08 ist die globale Nachfrage nach Agrarland explodiert: Zwischen 1961 und 2007 stieg die landwirtschaftlich genutzte Fläche weltweit noch um jährlich etwa vier Millionen Hektar an. 2008/09 wurden laut Weltbank innerhalb eines Jahres internationale Abkommen mit einem Gesamtumfang von schon über 45 Millionen Hektar Agrarland abgeschlossen. Doch auch diese massive Steigerung beziffert wohl nur "die Spitze des Eisbergs": Aufgrund der großen Intransparenz von Land-Deals in den betroffenen Ländern hängt die nationale und internationale Berichterstattung den tatsächlichen Dimensionen dieses Trends laut einem Papier des BMZ von 2009 noch weit hinterher.

Auch deutsche Unternehmen partizipieren an diesem Trend: Medienberichten zufolge erwerben deutsche Firmen Agrarland in afrikanischen Staaten, um dort Energiepflanzen zur Produktion von Biotreibstoff anzubauen. Fonds deutscher Banken finanzieren zudem ausländische Firmen, die in großem Stil Agrarland aufkaufen.


Bessere Zeiten für die Teebauern von Valacode
Foto: © gepa

Vorbei an Teegärten windet sich die Gebirgsstraße in Kerala, dem Bundesstaat im Südwesten Indiens. Schließlich halten wir bei einer christlichen Schule. Von dort aus ist es noch eine Viertelstunde Fußweg bis zum Dorf Valacode. Wir überqueren einen kleinen Bach - dort wäscht eine Frau Wäsche im Gebirgswasser. Das Steinhäuschen von George und Valsamma Oomman liegt im Grünen, umgeben von Kaffeesträuchern, Bananenstauden und verschiedenen Gemüsepflanzen, zusätzlich zu ihrem Teegarten. Valsamma und George bewirtschaften knapp einen halben Hektar Land gemeinsam. Die Oommans verkaufen ihren Bio-Tee über die Peermade Development Society (PDS), eine kirchliche Entwicklungsorganisation, der 400 Kleinbauern angehören.

Das Geschäft mit Tee lief jedoch längere Zeit schleppend. PDS konnte nicht viel Tee vermarkten, so dass die Organisation zwischendurch auch gar keine Teeblätter von den Kleinbauern abnahm. "Das waren schwierige Zeiten", erinnert sich George. Die Oommans mussten ihre Ernte anderweitig zu einem schlechteren Preis verkaufen. George: "Doch bevor es PDS gab, war es noch schlechter. Wir bekamen nur drei Rupien pro Kilo Tee." Inzwischen bekommt PDS Unterstützung von Tea Promoters India (TPI), langjähriger Partner für Bio-Tee der Fair Handelsorganisation GEPA. Die Oommans begrüßen diese Entwicklung: "Bevor TPI kam, bekamen wir nur fünf Rupien pro Kilogramm Tee. Jetzt sind es 15 Rupien." Dank dem Fairen Handel entwickelt sich außerdem die gesamte Organisation in Sachen Tee weiter: Von dem Mehrpreis, den die GEPA an PDS für den Bio-Tee bezahlt, stellt PDS drei landwirtschaftliche Berater ein. Sie sollen die Kleinbauern unterstützen und schulen. Über die GEPA können die Kleinbauern ihren Tee auf dem deutschen Markt verkaufen. Dank dem Fairen Handel ist Tee-Anbau in dieser Region ein wichtiger Beitrag zum Familieneinkommen geworden.
Wettlauf um Mangelware Landressourcen
Die großflächige Landnahme findet weltweit statt. Hauptzielländer sind allerdings Entwicklungsländer in Afrika südlich der Sahara (75 Prozent). Hier werden Investoren durch zwei Faktoren angelockt: die Verfügbarkeit landwirtschaftlicher Fläche mit gutem Produktionspotenzial und schwache Regierungsführung. Hinzukommt, dass sich diese Länder, die selber mit gravierenden Nahrungsmitteldefiziten und ländlicher Armut zu kämpfen haben, bei der Gestaltung investorenfreundlicher Rahmenbedingungen gegenseitig unterbieten, um ausländisches Kapital und Technologie anzulocken.

Die regulativen Rahmenbedingungen der Land-Deals sind für die Bevölkerung und die Region entscheidend: Erfolgen die Investitionen nicht auf Grundlage sozialer, ökologischer und ökonomischer Analysen und fehlt es an einer angemessenenen Beteiligung betroffener Gruppen, bergen sie vielfältige Risiken:

Landeigentums- oder Nutzungsrechte sind in vielen Ländern des südlichen Afrikas und anderen Zielländern nur unzureichend dokumentiert oder haben keine formalrechtliche Grundlage. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Land nicht bereits seit Generationen bewirtschaftet oder anders genutzt wird. Aufgrund des asymmetrischen Kräfteverhältnisses bei Land-Deals ("Kleinbauer gegen Großinvestor"), wenig Rechtssicherheit und Korruption hat die lokale Bevölkerung kaum eine Chance, legitimen Besitz oder traditionelle Nutzungsrechte zu behaupten. Folgen können die Verschärfung von Landkonflikten, Umsiedlung oder Vertreibung der lokalen Bevölkerung sein. Traditionelle Lebensformen, die etwa auf dem Sammeln von Waldprodukten oder nomadischen Weidewirtschaft basieren, werden weiter marginalisiert.

Bei der Mehrzahl der Land-Deals geht es darum, auf der gekauften oder gepachteten Fläche Exportprodukte - Nahrungsmittel, Agrartreibstoffe oder anderes - anzubauen. Dies verschärft die Ernährungssituation der Bevölkerung vor Ort, wenn die Fläche für die Eigenversorgung weiter beschränkt und kein Ausgleich durch Marktzukäufe gesichert ist. Zumal die großflächige Bewirtschaftung durch die Investoren eher Arbeitsplätze vernichtet, als neue schafft, insbesondere, wenn die Investoren Arbeitskräfte aus ihren eigenen Ländern mitbringen und weitgehend mechanisierte Produktionsverfahren einsetzen.

Aus ökologischer Sicht ist der großflächige Anbau einzelner Kulturpflanzen mit intensivem Pestizid- und Mineraldüngereinsatz eine potenzielle Gefahr für Biodiversität, langfristige Fruchtbarkeit der Böden und natürlichen Wasserhaushalt.

Bewohner der Gemeinde Santa Rosa de Roca berichten von den drängenden Landkonflikten mit Großgrundbesitzern und Bodenspekulanten aus Brasilien. Zentrale Figur im Kampf um Land ist die couragierte Gemeindeführerin Marta Solis Aponte(35).
Foto: © Florian Kopp
Sind Win-win-Investitionen möglich?
Investitionen in Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sind in vielen Zielländern der Landnahmen dringend erforderlich. Gerade im südlichen Afrika bleiben bäuerliche Betriebe oft weit hinter ihren Produktionspotenzialen zurück. Viele dieser Kleinbauern produzieren noch nicht einmal genügend Nahrung, um ihre eigene Ernährung zu sichern. Unter den weltweit etwa 925 Millionen hungernden Menschen stellen Kleinbauern die weitaus größte Gruppe.

Das gewachsene Interesse an ländlichen Räumen kann daher auch eine Chance sein. Allerdings müssen die Investitionen grundsätzlich anders gestaltet werden, als die großflächige Landnahme mit den oben beschriebenen Risiken: Armutsorientierte sowie sozial und ökologisch nachhaltige Maßnahmen, die die lokalen Kleinbauern einbinden, sind erforderlich. Vorstellbar sind fair gestaltete Formen der Vertragslandwirtschaft, die den beteiligten Bauern Zugang zu Innovationen, Wissen und Kapital gewähren, oder Joint-Venture Modelle, bei denen die lokalen Produzenten eine Gewinnbeteiligung erhalten. Doch weder die ungleichen Kräfteverhältnisse der Deals noch die Rahmenbedingungen machen eine solche Ausgestaltung wahrscheinlich.

Land Grabbing gefährdet lokale Arbeitsplätze und gewachsene Traditionen. Auch aus ökologischer Sicht ist der Landkauf durch kaufkräftige Investoren problematisch: Der großflächige Anbau einzelner Kulturpflanzen mit intensivem Pestizid- und Mineraldüngereinsatz stellt eine potenzielle Gefahr für Biodiversität, langfristige Fruchtbarkeit der Böden und natürlichen Wasserhaushalt dar.
Foto: © Florian Kopp
Regulierungen in Sicht?
Als Reaktion auf die rapide zunehmenden Landnahmen und die lauter werdende Kritik an dieser Entwicklung haben sich auf internationaler Ebene zwei Initiativen gegründet: Eine Initiative hat unter Vorsitz der Weltbank sieben Prinzipien für verantwortungsvolle Investitionen in Agrarland formuliert ( Principles for Responsible Agricultural Investment ).

Die zweite Initiative, die von der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gesteuert wird, setzt auf die Verantwortung der Regierungen in den Zielländern des Land Grabbings ( Volontary Guidelines on Responsible Governance of Tenure of Land and Other Natural Resources ).

Beide Ausarbeitungsprozesse sind noch nicht abgeschlossen. Zwar erwecken insbesondere die RAI-Prinzipien schon den Eindruck, dass sie fertig seien, aber aus vielen Ländern gibt es massiven Protest. Denn die Prinzipien nehmen keinerlei Bezug auf existierende, relevante Gesetzgebung - etwa arbeitsrechtliche Normen - nehmen und machen nicht den völkerrechtlich sehr relevanten Unterschied zwischen Staatenpflichten und Unternehmerpflichten.

Der Ansatz der zweiten Initiative verspricht die größere Wirksamkeit: Von den Voluntary Guidelines gibt es zwar noch nicht einmal einen offiziellen ersten Entwurf (sog. "Zero Draft"); der Entwurf wird im Frühjahr erwartet. Doch anders als die Prinzipien werden die Voluntary Guidelines sich an existierende internationale Gesetzgebung anlehnen und diese weiter konkretisieren. Sie zeigen so den Rahmen auf, in dem sich Staaten bei der Landvergabe bewegen können. Geplant sind z.B. konkrete Vorgaben darüber, wie die Beteiligung der Betroffenen vor Ort gestaltet werden muss, welche Beschwerdemöglichkeiten und Kompensationsformen bei Verletzungen zur Verfügung stehen, welche Zugriffsmöglichkeiten bei Rechtsverletzungen auf Firmen im Ausland bestehen (extra-territoriale Geltung), etc. Der Prozess zur Erarbeitung der Voluntary Guidelines läuft bereits seit zwei Jahren und ist - im Gegensatz zum Prozess der Erarbeitung der Prinzipien - sehr inklusiv gestaltet: mit regionalen Konsultationen für alle zivilgesellschaftlichen Gruppen auf allen Kontinenten, öffentliche online-Konsultationen zur Stellungnahme, etc. Mit diesen Leitlinien würde den Betroffenen ein konkretes Instrument in die Hand gegeben, um vom Staat einzufordern, bei der Vergabe von Land verantwortlich zu handeln und seinen Verpflichtungen - wie etwa dem Menschenrecht auf Nahrung - nachzukommen.
 
 
Von Constanze von Oppeln

Constanze von Oppeln ist Referentin Ernährungspolitik bei der Welthungerhilfe.

Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 06.06.2011

     
        
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