Wenn Kompensation, dann richtig!

Es erfordert eine genaue Überprüfung, um sinnvolle Projekte zu finden.

Nur durch eine genaue Betrachtug findet man sich im Kompensationsdshungel zurecht. Foto: © Michael Gunther/ WWF-Canon
Wenn der Papst auf Reisen geht, zahlt der Vatikan inzwischen einen Obolus, um den entstandenen Ausstoß an Treibhausgasen zu kompensieren. Mit dem Geld werden beispielsweise Bäume gepflanzt, Kraftwerke modernisiert oder Solaranlagen installiert. "Moderner Ablasshandel" sei das, werfen Kritiker solchen Kompensationsprojekten vor. Das Ganze diene weniger dem Schutz der Umwelt, als vielmehr der Beruhigung des eigenen Gewissens. Solche Einwände konnten die Idee von Kompensationsmodellen bislang nicht aufhalten. Unternehmen werben mit klimaneutralen Bratwürsten oder Paketen und selbst die Emissionen der Fußball WM in Deutschland wurden ausgeglichen. Dazu finanzierte die FIFA unter anderem indische Biogasanlagen.

Für den WWF ist eine fundamentale Ablehnung wenig zielführend. Auch Umweltschützer fahren nicht mit dem Schlauchboot zu internationalen Konferenzen und manche Emissionen lassen sich aktuell nicht vermeiden und müssen auch nicht sofort vermieden werden. Der Klimawandel erfordert eine langfristig angelegte und konsequente Reduktion der Treibhausgase. Weil der Klimawandel ein weltweites Problem darstellt, muss er auch global angegangen werden, Emissionen müssen weltweit vermieden werden. Im Grunde ist es egal, an welcher Stelle der Ausstoß an Treibhausgasen eingespart wird, solange die notwendigen Schritte erzielt werden. Die Modernisierung eines maroden Kohlekraftwerkes in Entwicklungs- oder Schwellenländern kann dabei mehr fürs Klima bringen und ist möglicherweise billiger zu haben, als geringe Effizienzsteigerungen bei Anlagen hierzulande, die besser durch Runderneuerung etwas später viel passender und umfangreicher erzielt werden.

Wichtig ist, dass solche Lösungen immer nur als Ergänzung der eigenen Klimaschutzanstrengung gesehen werden. Und diese Klimaschutzanstregungen müssen den notwendigen Ausmaßen genügen.

Sinn oder Unsinn?

Die Idee, seine Klimasünden an anderen Orten freiwillig wieder gut zu machen, boomt. Organisationen, die Klimagutschriften anbieten, schossen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden und verzeichnen dreistellige Wachstumsraten. Angesichts der Brisanz des Problems und des Stellenwertes in der öffentlichen Debatte, den das Thema mittlerweile einnimmt, der Nachfrage und des unübersichtlichen Angebots ist es alles andere als einfach, den Überblick zu behalten. Leider steckt längst nicht hinter jedem Klimaschutzetikett wirklich ein sinnvolles Projekt. Denn sinnvolle Projekte können nur jene sein, die tatsächlich zusätzlich zu sich "sowieso" entwickelnden Emissionsreduktionen über z.B. neue Technologien hinaus zu permanenter Vermeidung beitragen.

In den Marketingabteilungen vieler Unternehmen sind Aufforstungsprojekte besonders beliebt. Der Gedanke, seinen energieaufwändigen Lebensstil mit dem Pflanzen von Bäumchen wieder ins Lot zu rücken, scheint verführerisch und lässt sich vor allem gut verkaufen. Auch viele Naturschützer können sich mit der Idee anfreunden. Denn durch den Emissionshandel könnte der Wald einen zusätzlichen ökonomischen Wert bekommen. Wenn es lukrativer ist, die Bäume stehen zu lassen, als sie für Soja- oder Palmölplantagen abzuholzen, dürfte die Entscheidung leicht fallen, die Kettensägen im Lager zu lassen.

Dennoch ist Vorsicht angebracht. Von Madagaskar bis Indonesien macht eine Wiederaufforstung aus Gründen des Naturschutzes ohne Zweifel Sinn. Doch bringt das auch etwas für den Klimaschutz? Projekte dieser Art werfen unzählige Fragen auf. Wenn eine aufgeforstete Fläche abrennt, ist der Klimaeffekt gleich Null. Zudem besteht die Gefahr, dass Urwälder abgeholzt werden und die Flächen anschließend mit Eukalyptusplantagen oder anderen standortfremden Bäumen "aufgeforstet" werden. Diese Naturzerstörung noch mit Klimagutschriften zu belohnen, ist unsinnig und zeigt die Grenzen des Prinzips. Gegen Waldprojekte spricht auch der so genannte "Leakage-Effekt". Das heißt: Holzkonzerne könnten einige Wälder aus Klimaschutzgründen stehen lassen, dafür aber an anderen Orten umso heftiger einschlagen. Weder der Natur, noch dem Klima wäre so gedient.

Die Zahl der Anbieter für freiwillige Kompensationsprojekte steigt ständig: Sie sind gemeinnützig organisiert wie die Schweizer Stiftung MyClimate oder kommerziell wie die Berliner Climate Company. Sie kompensieren Flüge wie Atmosfair oder die Emissionen von ganzen Unternehmen. .Es ist ein Markt mit Licht und Schatten. Das Prinzip ist bei allen Anbietern relativ gleich. Die konkrete Ausgestaltung variiert jedoch. Wichtig ist Transparenz: Die Verbraucher müssen erkennen können, wie die Anbieter ihre Projekte überprüfen und an welchen Kriterien sie sich orientieren.
 
 
Von Jörn Ehlers

Quelle:
Umwelt | Umweltschutz, 01.08.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2011 - Schöne Aussichten erschienen.
     
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