BIOFACH 2025

Return on Investments beim Kotelettsklopfen

Leonhard qualifiziert Strafgefangene für's Unternehmertum

Leonhard ist ein gemeinnütziges Unternehmen zur unternehmerischen Qualifizierung von Gefangenen. Dies erfolgt in drei Phasen innerhalb und außerhalb einer Justizvollzugsanstalt.
  • Phase 1 umfasst eine unternehmerische Ausbildung sowie die Stärkung von Schlüsselkompetenzen und Vermittlung eines Wertesystems.
  • Die Phasen 2 und 3 finden nach der Entlassung statt und umfassen z.B. die Unterstützung bei der Arbeitsplatzbeschaffung oder ein Mentoring-Programm bei einer Unternehmensgründung.
In jeder Phase sind Unternehmer und Führungskräfte sowie Studierende Münchener Hochschulen eingebunden.
Weitere Informationen: www.leonhard.eu


Im Gespräch mit Geschäftsführerin Maren Frowein.

Blick in die Strafanstalt.
Hier wird mit Strafgefangenen eine berufliche Perspektive erarbeitet.
Orientiert haben Sie sich am 'Prison Entrepreneurship Program (PEP)' in Texas. Welche Erfahrungen wurden dort gemacht - und welche Anpassungen haben Sie für das deutsche Projekt vorgenommen?
PEP gibt es inzwischen seit sieben Jahren, sie haben 700 Häftlinge unternehmerisch qualifiziert. Viele haben ein Unternehmen gegründet, 84 sind momentan noch als Unternehmer aktiv. Fast alle Absolventen fanden innerhalb von drei Monaten eine Stelle, die Rückfallquote sank auf zehn Prozent - üblich sind in Texas 50 bis 70 Prozent. Wir sind zuversichtlich, ähnliche Erfolge auch in Deutschland erzielen zu können. Es geht uns nicht darum, den Straftätern Wohltaten zukommen zu lassen. Wir erarbeiten mit ihnen eine berufliche Perspektive und erhöhen damit ihre Chance auf eine straffreie Zukunft - und so betreiben wir "präventiven Opferschutz".

Was ich auf jeden Fall aus diesem Programm mitnehmen werde, ist mehr Selbstvertrauen.

Die ganzen Begriffe wie "Businessplan", "Marketing", "Return On Investment" pipapo haben ihren Schrecken verloren.

Das amerikanische Programm wird an fünf Tagen pro Woche à sechs Stunden unterrichtet. Das bietet natürlich sehr viel Raum für vielfältige Inhalte. Wir hatten je Woche insgesamt nur sechs Stunden für den Unterricht zur Verfügung und mussten uns damit stark fokussieren. Unser Unterricht besteht aus drei Säulen:
  1. Grundlagen Unternehmertum und Wirtschaft
  2. Vermittlung von Schlüsselkompetenzen und Werten und
  3. Schreiben eines Businessplans
Woher kam das Startkapital?
Das Startkapital kam von den Gründern, also Dr. Bernward Jopen und mir aus privater Tasche. Einen Teil des Pilotprojekts haben wir über eine Spendenaktion finanziert, bei der wir innerhalb von 90 Tagen 26.140 Euro gesammelt haben. Das Geschäftsmodell unseres Unternehmens sieht momentan nicht vor, Umsatz zu generieren. Somit wird es momentan ausschließlich durch die Gründer und Förderer getragen.

Marketing, Return on Investment, Kundennutzen, USP und Kundenbeziehungen, während wir in der Küche für 600 Mann in der Suppe rühren und Koteletts klopfen.
Ich lach mich tot!

Inwieweit verstehen Sie Ihre Arbeit als Social Business?
Eine einfache Rechnung zeigt: Ein Strafgefangener kostet den deutschen Staat zwischen 22.000 und 26.000 Euro im Jahr. Wird er nach seiner Entlassung nicht rückfällig, wozu unser Programm beiträgt, werden diese Kosten künftig gespart. Zudem wird der Absolvent zum ordentlichen Steuerzahler und möglicherweise sogar zum Arbeitgeber. Manche Absolventen werden zu guten Familienvätern und außerdem werden die Straßen sicherer

Nach welchen Kriterien werden die Teilnehmer ausgewählt?
Grundsätzlich gilt, dass die Gefangenen die Volljährigkeit erreicht haben und die deutsche Sprache fließend in Wort und Schrift beherrschen, wobei die Nationalität dabei nicht maßgeblich ist. Serienbetrüger und Sexualstraftäter werden automatisch aus dem Programm ausgeschlossen, wie auch diejenigen, deren Resthaftdauer mehr als 24 Monate beträgt. Darüber hinaus fand ein mehrstufiger Auswahlprozess statt, bei dem im Wesentlichen die Bereitschaft der Gefangenen geprüft wurde, das Leben nach der Entlassung in Legalität zu bestreiten. "Nicht Geläuterte" können wir nicht ändern, wir können nur denjenigen, die den Entschluss für ein legales Leben bereits gefasst haben, Handwerkszeug für ihren Weg mitgeben.

Nach solchen Themenvorträgen denk ich mir jedes Mal
"Alter, schau hin, das ist keine Zauberei!".


Vom Häftling zum Unternehmer: Maren Frowein bereitet gemeinsam mit ihrem Vater Dr. Bernward Jopen Strafgefangene auf das Arbeitsleben draußen vor.
Wie ist die Bereitwilligkeit, an den Kursen teilzunehmen?
Da ein solches Programm bisher im Gefängnis nicht bekannt war, waren viele anfangs skeptisch. Als wir uns aber einen gewissen Ruf erarbeitet hatten und sich die Sinnhaftigkeit des Projekts im Gefängnis herumgesprochen hatte, bekamen wir sehr viele Anfragen von Personen, die nachträglich in das Programm einsteigen wollten.

Sie haben Ende Mai das Pilotprojekt "Unternehmertum für Gefangene" abgeschlossen - welches Resümee ziehen Sie?
Wir sind überrascht über die Entwicklung unserer Teilnehmer: vorsichtig und ein wenig skeptisch zu Beginn, dann aber mutig und begeistert nach ungefähr der Hälfte des Kurses. Wir staunen darüber, dass Menschen innerhalb weniger Monate neues Selbstbewusstsein gewinnen können. Dass sie aufatmen und sich planvoll und mit großem Interesse und Engagement ihrer beruflichen Zukunft widmen. Und nicht zuletzt, dass während der sechs Stunden wöchentlicher Kurszeit eine fröhliche und entspannte Stimmung mitten in einem Gefängnis entstehen kann.


Um das Interview mit dem Gründer von Golvico.org zu lesen klicken Sie bitte hier.
Für das Interview mit der Gründerin vom MFM-Projekt hier.

Quelle:
Gesellschaft | Social Business, 07.10.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2011 - Stadt der Zukunft erschienen.
     
        
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