Groove to Save the World

Die Musikbranche wird nachhaltig

Wenn Nachhaltigkeit in der Wirtschaft thematisiert wird, dann fallen den meisten Sektoren wie Energie, Immobilien, Mobilität und Lebensmittel ein. Wird in dem Zusammenhang jedoch die Musikbranche erwähnt, reagieren viele verdutzt. Inwiefern ist die Musikbranche für nachhaltige Entwicklung relevant?

Das Melt! Festival leuchtet: Mit der neu aufgestellten PV-Anlage wird mehr Solarstrom produziert, als auf dem Festival verbraucht wird.
Foto: © Green Music Initiative
Die Musikbranche hat die einzigartige Fähigkeit, eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Fast jeder hört täglich und gerne Musik. Im Alltag starkem Druck ausgesetzt, lechzt die heutige Gesellschaft nach Ablenkung, Entspannung und Unterhaltung. Sie findet sie bei Konzerten, in Clubs, Musikfestivals oder ganz einfach im Radio und MP3-Player. In Deutschland holen sich über 32 Millionen Besucher jährlich an Live-Entertainment-Events ein Bündel positiver Emotionen ab. Sie mögen ihre Musikstars und nehmen sie sich zum Vorbild. Insbesondere die Erwachsenen von morgen richten sich lieber nach ihren Idolen auf der Bühne als nach ihren Eltern und Lehrern. Denn die ersteren vermitteln ihnen Träume, leben ihnen Sorglosigkeit vor oder trösten ihren Kummer ohne je den Zeigefinger zu erheben.

"Ohne Ökostrom singen wir nicht"
Genau so soll es bleiben, und zugleich noch besser werden. In der Bemühung, sich stetig zu erneuern, entwickeln immer mehr Musikakteure eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die Band Radiohead hat alle Aspekte ihrer Tour auf Nachhaltigkeit hin untersucht und optimiert, so dass sie z.B. ihr Equipment nicht mehr per Flugfracht transportieren braucht. Die Berliner Hiphop-Band Seeed besteht darauf, dass die Locations, in denen sie auftreten, Ökostrom beziehen. Dieses Jahr fahren über 1.000 Besucher aus Hamburg und Köln in Hotelzügen direkt aufs Gelände des Melt! Festivals nahe Dessau und halbieren auf diese Weise den CO2-Fußabdruck ihrer Reise. Dort ist neu eine Solaranlage mit einer Jahresleistung von 235 KWp* installiert. Die Berlin Music Week hat 2011 mit der Green Music Initiative ihre Umweltbilanz erstellt und sich in einem Leitbild für jeden Bereich konkrete Klimaschutzziele bis 2020 gesetzt. Schon heute kommen Solarbootshuttles auf der Spree zum Einsatz, die Bühnen werden zu 50 Prozent mit hocheffizienten LEDs beleuchtet und die Banner nach dem Event zu Taschen verarbeitet.

Um auch die Geschäftsführerebene für aktiven Umweltschutz zu gewinnen, organisiert die Green Music Initiative regelmäßig Dinners, bei denen die Rolle der Musikbranche im Klimaschutz und Best Practise Cases besprochen werden.
Foto: © Green Music Initiative
Eines haben all diese Akteure gemeinsam: Sie wollen mit konkreten Aktionen zu Vorreitern einer nachhaltigen Entwicklung werden, ohne dabei den Entertainmentcharakter ihres Kerngeschäfts anzukratzen. Hier setzt die Green Music Initiative an, eine Plattform für eine klimaverträgliche Musik- und Entertainmentbranche. Seit 2009 unterstützt sie die Musikindustrie darin, praktische Klima- und Umweltschutzmassnahmen umzusetzen und zu kommunizieren. Zum Beispiel mit dem Pilotprojekt Green Club Index, das Anreize für Betreiber von Clubs zur Erschließung ihrer Energieeffizienzpotenziale schafft. Mit mehr als 5.500 Clubs und einem durchschnittlichen Stromverbrauch von 150.000 kWh pro Jahr birgt der deutsche Clubsektor ein hohes Potenzial an CO2-Einsparmöglichkeiten, die größtenteils noch brachliegen. "Ein Clubbetreiber kennt sich in der Regel mit seiner Gastronomie, seinen DJs, seinen Türstehern und dem Jugendschutz aus. Mit Hilfe des Green Club Index machen wir das Thema Energieeffizienz für ihn erleb- und umsetzbar", meint Jacob Bilabel, Gründer der Green Music Initiative.

Live-Events werden standardmäßig nachhaltig
Wie das Einhalten von Sicherheits- und Gesundheitsnormen in der Live-Event-Branche zur Selbstverständlichkeit geworden sind, so sollen nun auch Umweltschutznormen zum Standard werden. Dazu hat die Green Music Initiative mit Yourope, dem europäischen Festivalverband, der Konferenz Green Events Germany und der britischen Bucks-Universität mit der "Green Operations Europe Group Group" eine internationale Workshopserie für nachhaltige Events ins Leben gerufen, die den Organisatoren den nötigen Erfahrungsaustausch zu Umweltschutzmaßnahmen ermöglicht. In Amsterdam findet im Mai das erste Treffen zu den Themen Energiemanagement und Stimulierung der Besucher zu umweltfreundlichem Verhalten statt. Das nächste ist für April 2012 in Budapest geplant. Über die einzelnen Workshops hinaus wird die Entwicklung eines neuen Studiengangs zur Bildung von qualifizierten Umweltschutzbeauftragten für Festivals und Events anvisiert. Das wird spannend, denn viele Fragen bleiben noch unbeantwortet: sei es der Umgang mit dem emissionsstarken Flugverkehr, auf den die Musikbranche heute stark angewiesen ist; oder die Klimaauswirkung des Musikstreamings und -downloads, ein Aspekt, der bisher noch nicht untersucht wurde, aber sich durchaus als bedeutungsvoll erweisen könnte.

Durch positive Emotionen inspirieren
Zur Lösung dieser Herausforderungen wird die Branche noch viel Innovationskraft und strategisches Geschick beweisen müssen. Aber bei Erfolg wird sie zweifellos die gesamte Gesellschaft wirkungsvoll inspirieren und dabei eine wichtige Rolle bei der Beschleunigung des Übergangs in eine nachhaltige Gesellschaft einnehmen: nicht mit Einschränkungen und Verboten, sondern durch die Verbindung vorbildhafter Optimierungen und Visionen mit positiven Emotionen. Denn über technische und organisatorische Lösungen hinaus wird uns die Entwicklung einer nachhaltigen Zukunft nur gelingen, wenn wir es schaffen, Nachhaltigkeit in den Köpfen zu verankern und eine Low Carbon Culture zu etablieren.
 
 
Von Lucile Barras, Green Music Initiative
 
 
 
www.greenmusicinitiative.de

Quelle:
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 01.01.2012

     
        
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