Mitgestalter statt Befehlsempfänger
Für den verantwortungsbewussten Mittelstand spielen Beschäftigte eine zentrale Rolle
Mittelständische Unternehmen sind zwar hin und wieder noch unsicher, wie sie ihre Nachhaltigkeitsstrategien aufsetzen sollen, doch eines ist auffällig: Viele beziehen ihre Mitarbeiter von vorneherein ein und schrecken dabei vor modernen Methoden nicht zurück.
Mittelständische Unternehmen müssen sich mitnichten verstecken, wenn es um Nachhaltigkeit und CSR geht. Etliche von ihnen, insbesondere die inhabergeführten und Familienunternehmen verfolgen oft schon seit Jahrzehnten eine Firmenpolitik, deren Koordinaten für ein starkes Verantwortungsgefühl für Mitarbeiter, Region und Gesellschaft stehen. Doch eine umfassende, längerfristige und öffentlich kommunizierte Strategie haben die meisten bisher noch nicht, weshalb mitunter und fälschlicherweise der Eindruck entsteht, der Mittelstand hinke hinterher.
Nun aber machen sich immer mehr KMUs auf den Weg, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln und schauen sich in der Regel als erstes auf dem Markt um, wie es die anderen so machen. Bei einer Veranstaltung des Unternehmensnetzwerks Agrion im Mai in Frankfurt zum Thema 'CSR und Mittelstand' wurde deutlich, dass die verantwortungsvolle Unternehmensausrichtung sehr individuell geschieht. "Eine CSR-Strategie kann man nicht von der Stange kaufen", betonte Jens Wichtermann von der Firma Vaillant. "Auch wir haben zwar zunächst nach draußen geschaut und geprüft, ob es adaptierbare Lösungen gibt, wurden aber schnell eines Besseren belehrt: Man muss vor allem das eigene Geschäft genau analysieren." Nun produziert das 137 Jahre alte Unternehmen aus Remscheid zwar hocheffiziente Heizungsanlagen, die einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung leisten, für seine Produkte und Leistungen in der Forschung wurde es sogar schon zwei Mal für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. Doch eine Nachhaltigkeitsstrategie umfasst mehr und so arbeitet Vaillant derzeit an Zielen für das Jahr 2020 in vier Bereichen: Umwelt, Mitarbeiter, Produkte und Entwicklung sowie Gesellschaft. Klare Reduktionsziele für die CO2-Emissionen und den Wasserverbrauch sowie eine Steigerung der Energie- und Materialeffizienz soll es ebenso geben, wie Stakeholderdialoge und den Beitritt zum Global Compact. Auf dem Arbeitsmarkt will man sich als TOP-Arbeitgeber präsentieren und die Arbeitsunfälle weiter reduzieren. Prozent- und Kennzahlen will Vaillant aber derzeit noch nicht nennen, "denn der Schuss muss richtig sitzen", so Wichtermann, der im Unternehmen die Kommunikation und das Nachhaltigkeitsmanagement steuert. Sehr wichtig aber ist der Firma, ihre weltweit rund 12.400 Mitarbeiter (3.000 davon in Deutschland) mit einzubeziehen. Dazu hat sie einen Preis ausgeschrieben, um einzelne Mitarbeiter sowie Teams zu animieren, Ideen und Vorschläge für die nachhaltige Unternehmensentwicklung zu machen.
Von Hierarchie zu gemeinsamer Sinnstiftung
Auch die Gutmann Aluminium Draht GmbH, ein Unternehmen der Gutmann AG im fränkischen Weißenburg, setzt in Sachen Nachhaltigkeit auf ihre rund 100 Beschäftigten. Schon vor einigen Jahren begann die Geschäftsführung, die ehemals stark hierarchische Unternehmenskultur zu verändern und die Angestellten zunehmend in die Entwicklung des Unternehmens einzubeziehen. Mitarbeiter stießen daraufhin CSR-Projekte an, wie zum Beispiel Hilfe für ein Altenheim oder einen Kindergarten. "Das stiftet Sinn, denn mit CO2-Reduktionszielen allein kann man Menschen nicht begeistern", sagt Geschäftsführer Paul Habbel. Das Unternehmen kooperiert auch mit Hauptschulen in der Region und bietet Betriebspraktika an. Wenn ganze Schulklassen kommen, sind Mitarbeiter und Azubis integriert und erklären den Schülern ihre Arbeit.
"Nun gehen wir noch einen Schritt weiter und haben einen 'Rat der Weisen' gegründet, der gezielt nach Schwachstellen im Unternehmen sucht", erklärt Habbel. Dessen erste Ergebnisse wurden in Form von Sketchen vorgetragen, um die "Schärfe rauszunehmen" und Kritik leichter annehmbar zu machen. Gutmann experimentiert also mit für Unternehmen eher ungewöhnlichen Instrumenten und scheut auch nicht vor Diskussionsformaten wie Open Space oder World-Café zurück, um "Gemeinschaft zu erzeugen". Ziele werden so nicht nur im engen Führungskreis, sondern mit den Beschäftigten erarbeitet. Natürlich gehört das Thema Klimaschutz für ein Aluminiumunternehmen zu den Top-Themen der Nachhaltigkeit, doch sind die Ziele in diesem Feld noch nicht klar formuliert. Im nächsten Schritt wird der Mittelständler einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen und darüber ab Herbst mit seinen Mitarbeitern und Stakeholdern den Austausch starten. "Dieses Dokument ist für uns selbst von großer Bedeutung, um uns noch klarer über die Nachhaltigkeitswirkung unseres Unternehmens zu werden", so Paul Habbel.
Vom Klimaschutz zu eigener Wertschöpfung
Die Diskussion über die richtigen Schwerpunkte bei der Nachhaltigkeitsstrategie ist in vielen KMUs in vollem Gang. Für große CO2-Emittenten steht das Thema Klimaschutz ganz oben auf der Agenda. "Doch was kommt danach? Was erwartet die Gesellschaft außerdem von solchen Unternehmen?", fragt sich Barbara Sanchez Botella, die beim Flughafen München das Umweltmanagement verantwortet. Klar, das Unternehmen als guter Arbeitgeber, Ressourcenschutz, demographischer Wandel, Schutz der Biodiversität, Sozial- und Umweltstandards in der Lieferkette - das alles sind wichtige Felder. Aber Sven Griemert von der Berliner Kommunikationsberatung Johanssen + Kretschmer rät dringend dazu, nicht ziellos Megatrends hinterher zu laufen, sondern diese "mit denjenigen Themen zu verknüpfen, die wertschöpfend für das eigene Unternehmen sind". Und genau hier biete sich das Thema Energie an, denn damit könne jeder Mitarbeiter in den verschiedenen Firmen etwas anfangen, meint Bernhard Schwager, der in der Bosch-Gruppe die Nachhaltigkeitsstrategie koordiniert. Zwar ist die Bedeutung von Energieeffizienz und Energiesparen für den Klimaschutz längst noch nicht in allen Verästelungen der Unternehmen angekommen, "doch fördert der direkte Geldbezug das Thema im positiven Sinne. Durch effizientes Verhalten keine Ressourcen zu verschwenden haben wir eigentlich alle in unserem betrieblichen Alltag gelernt."
Mitsprache im World-Café: Mittelständische Unternehmen wie die Firma Gutmann lösen sich von traditionellen Hierarchien. Sie beziehen ihre Mitarbeiter durch offene Diskussionsformen in ihre Überlegungen - z.B. zum Klimaschutz - ein. |
Nun aber machen sich immer mehr KMUs auf den Weg, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln und schauen sich in der Regel als erstes auf dem Markt um, wie es die anderen so machen. Bei einer Veranstaltung des Unternehmensnetzwerks Agrion im Mai in Frankfurt zum Thema 'CSR und Mittelstand' wurde deutlich, dass die verantwortungsvolle Unternehmensausrichtung sehr individuell geschieht. "Eine CSR-Strategie kann man nicht von der Stange kaufen", betonte Jens Wichtermann von der Firma Vaillant. "Auch wir haben zwar zunächst nach draußen geschaut und geprüft, ob es adaptierbare Lösungen gibt, wurden aber schnell eines Besseren belehrt: Man muss vor allem das eigene Geschäft genau analysieren." Nun produziert das 137 Jahre alte Unternehmen aus Remscheid zwar hocheffiziente Heizungsanlagen, die einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung leisten, für seine Produkte und Leistungen in der Forschung wurde es sogar schon zwei Mal für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. Doch eine Nachhaltigkeitsstrategie umfasst mehr und so arbeitet Vaillant derzeit an Zielen für das Jahr 2020 in vier Bereichen: Umwelt, Mitarbeiter, Produkte und Entwicklung sowie Gesellschaft. Klare Reduktionsziele für die CO2-Emissionen und den Wasserverbrauch sowie eine Steigerung der Energie- und Materialeffizienz soll es ebenso geben, wie Stakeholderdialoge und den Beitritt zum Global Compact. Auf dem Arbeitsmarkt will man sich als TOP-Arbeitgeber präsentieren und die Arbeitsunfälle weiter reduzieren. Prozent- und Kennzahlen will Vaillant aber derzeit noch nicht nennen, "denn der Schuss muss richtig sitzen", so Wichtermann, der im Unternehmen die Kommunikation und das Nachhaltigkeitsmanagement steuert. Sehr wichtig aber ist der Firma, ihre weltweit rund 12.400 Mitarbeiter (3.000 davon in Deutschland) mit einzubeziehen. Dazu hat sie einen Preis ausgeschrieben, um einzelne Mitarbeiter sowie Teams zu animieren, Ideen und Vorschläge für die nachhaltige Unternehmensentwicklung zu machen.
Von Hierarchie zu gemeinsamer Sinnstiftung
Auch die Gutmann Aluminium Draht GmbH, ein Unternehmen der Gutmann AG im fränkischen Weißenburg, setzt in Sachen Nachhaltigkeit auf ihre rund 100 Beschäftigten. Schon vor einigen Jahren begann die Geschäftsführung, die ehemals stark hierarchische Unternehmenskultur zu verändern und die Angestellten zunehmend in die Entwicklung des Unternehmens einzubeziehen. Mitarbeiter stießen daraufhin CSR-Projekte an, wie zum Beispiel Hilfe für ein Altenheim oder einen Kindergarten. "Das stiftet Sinn, denn mit CO2-Reduktionszielen allein kann man Menschen nicht begeistern", sagt Geschäftsführer Paul Habbel. Das Unternehmen kooperiert auch mit Hauptschulen in der Region und bietet Betriebspraktika an. Wenn ganze Schulklassen kommen, sind Mitarbeiter und Azubis integriert und erklären den Schülern ihre Arbeit.
Die vier Fokusfelder des neuen Nachhaltigkeitsprogramms "S.E.E.D.S" der Vaillant Group. Das Mittelstandsunternehmen will eine nachhaltige Steigerung der Profitabilität mit einem ausgewogenen Wachstum verbinden. |
Vom Klimaschutz zu eigener Wertschöpfung
Die Diskussion über die richtigen Schwerpunkte bei der Nachhaltigkeitsstrategie ist in vielen KMUs in vollem Gang. Für große CO2-Emittenten steht das Thema Klimaschutz ganz oben auf der Agenda. "Doch was kommt danach? Was erwartet die Gesellschaft außerdem von solchen Unternehmen?", fragt sich Barbara Sanchez Botella, die beim Flughafen München das Umweltmanagement verantwortet. Klar, das Unternehmen als guter Arbeitgeber, Ressourcenschutz, demographischer Wandel, Schutz der Biodiversität, Sozial- und Umweltstandards in der Lieferkette - das alles sind wichtige Felder. Aber Sven Griemert von der Berliner Kommunikationsberatung Johanssen + Kretschmer rät dringend dazu, nicht ziellos Megatrends hinterher zu laufen, sondern diese "mit denjenigen Themen zu verknüpfen, die wertschöpfend für das eigene Unternehmen sind". Und genau hier biete sich das Thema Energie an, denn damit könne jeder Mitarbeiter in den verschiedenen Firmen etwas anfangen, meint Bernhard Schwager, der in der Bosch-Gruppe die Nachhaltigkeitsstrategie koordiniert. Zwar ist die Bedeutung von Energieeffizienz und Energiesparen für den Klimaschutz längst noch nicht in allen Verästelungen der Unternehmen angekommen, "doch fördert der direkte Geldbezug das Thema im positiven Sinne. Durch effizientes Verhalten keine Ressourcen zu verschwenden haben wir eigentlich alle in unserem betrieblichen Alltag gelernt."
Wenn jedoch Nachhaltigkeit einmal fest in der Unternehmenskultur verankert sei, ergäben sich viele Initiativen und Projekte von selbst, "weil dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrer täglichen Erfahrung aktiv in den Prozess eingreifen", ist sich Jürgen Schmidt, Inhaber des Versandhauses für ökologische Büroartikel Memo mit einem mehrfach preisgekrönten integrierten Ansatz, ganz sicher - aus Erfahrung.
Von Heike Leitschuh
Im Profil Heike Leitschuh ist Journalistin, Buchautorin, Moderatorin und Beraterin für Nachhaltigkeit www.fairwirtschaften.de |
Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 17.01.2012
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2011 - Stadt der Zukunft erschienen.
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