Stoppt den Psychoterror
Drei Bausteine zur nachhaltigen Prävention von Mobbing
Mobbing, die Belästigung am Arbeitsplatz, stellt in Zeiten der Arbeitsplatzknappheit ein ernstzunehmendes Problem in Unternehmen dar. Einer von 20 Menschen fühlt sich an seinem Arbeitsplatz dem Mobbing ausgesetzt, zeigt eine der größten Direktbefragungen der EU, mit 21.766 Arbeitnehmern. Das hat enorme betriebswirtschaftliche Kosten zur Folge, die sich durch Prävention einsparen lassen.
Der Begriff Mobbing wurde in seiner heutigen Bedeutung durch den Arbeitspsychologen und Betriebswirt Heinz Leymann geprägt. Er definierte Mobbing als psychosoziale Gewalt am Arbeitsplatz. Unter Mobbing versteht man die systematischen Schikanen am Arbeitsplatz, die zu zunehmender Isolierung unter der Voraussetzung eines Machtungleichgewichtes bei den Betroffenen führt.
Auswirkungen von Mobbing
Durch die Konflikteskalation am Arbeitsplatz und deren Austragen mit unfairen Mitteln entstehen dem Unternehmen enorme Kosten. Nach dem Arbeitsdokument des Europäischen Parlaments (2001) belaufen sich die Kosten pro gemobbter Person, je nach deren Funktion im Unternehmen, im Jahr auf 17.500 bis 50.000 Euro. Für den Betrieb bedeutet Mobbing eine Verschlechterung der Produktivität und einen erhöhten Kostenaufwand durch Fehlzeiten, Arbeitsunfälle, vermehrte Krankenstände, niedrige Arbeitsmotivation bis hin zur Kündigung und Neueinstellungskosten. Im Mobbingreport zeigte sich, dass von kurzfristiger Krankheit aufgrund von Mobbing 36,6 Prozent der Menschen betroffen waren, längerfristig erkrankte jeder Dritte. Davon über die Hälfte bis zu fünf Monate, ca. jeder Fünfte über ein Jahr. Von Mobbing Betroffene leiden unter gravierenden Beschwerden, die von Konzentrationsproblemen bis zu Depressionen und Selbstmordgedanken reichen. Mobbingerlebnisse haben bei lang anhaltender Dauer eine dermaßen traumatisierende Wirkung, dass sie mit normalen psychischen Kräften nicht mehr bewältigt werden können. Die Folge ist das Auftreten schwerwiegender physischer Folgeerscheinungen, die bis zu Herz- und Kreislaufproblemen gehen.
Die drei Bausteine der betrieblichen Mobbingprävention
Baustein 1: Konfliktmanagementmaßnahmen im Unternehmen
Um Mobbing zu verhindern, ist es notwendig, die Konfliktfähigkeit aller Mitarbeiter zu schulen. Ziel dieser Schulungen ist es, die Fähigkeit einer konstruktiven Konfliktaustragung im Miteinander zu erwerben. Für Führungskräfte sind hierbei zudem mediative und moderierende Techniken der Konfliktvermittlung besonders wichtig. Untersuchungen zeigen, dass Trainingsmaßnahmen im Bereich Konfliktmanagement und Kommunikation eine nachhaltige Wirkung von bis zu fünf Jahren haben. Zudem ist es wichtig, dass das Unternehmen unterstützende Maßnahmen wie z. B. Mediation, Teamentwicklung, Supervison, Coaching u.a. für Mitarbeiter und Führungskräfte ermöglicht, damit diese Unterstützung erfahren, besonders wenn sie sich mit einem Konflikt konfrontiert sehen, den sie selbst nicht mehr bewältigen können.
Baustein 2: Deutliche Positionierung gegen und Sanktion von Mobbing
In Bezug auf die Prävention von Mobbing ist die Positionierung der Führung entscheidend. Durch entsprechende Interventionen, wie z.B. die Verdeutlichung, dass Mobbing nicht geduldet und sanktioniert wird, das Einnehmen von Vermittlungs- und Schlichtungspositionen oder das Hinzuziehen von Beratern, hat die Führungsperson einen maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf von Mobbingentwicklungen. Gleichzeitig bedarf es der Schaffung einer offenen Konfliktkultur, die über Mobbing und ihre Folgen informiert. Zudem spielt die Etablierung von Betriebsregeln (z.B. Betriebsvereinbarungen) und eine entsprechende Betriebsethik eine enorme präventive Rolle. Relevant sind die im Betrieb bestehenden Normen und Werte, die es erlauben - oder eben nicht - sich Mobbinghandlungen zu bedienen. Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass das Unternehmen eine rechtliche Verpflichtung aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern hat, Mobbing zu unterbinden, gleichwohl auch die Mitarbeiter aufgrund ihrer Interessenswahrungspflicht Mobbing zu unterlassen haben und ihnen sonst berechtigte Maßnahmen wie z.B. Ermahnung/Verwarnung, Versetzung oder (fristlose) Kündigung drohen.
Baustein 3: Gestaltung der organisatorischen Rahmenbedingungen
Die arbeitsorganisatorische Form stellt einen wichtigen Faktor bei der Entstehung von Mobbing dar. Als Präventivmaßnahmen gelten dementsprechend die transparente Gestaltung der Arbeitsorganisation, der Arbeitsplätze, die auf das Leistungsniveau der Mitarbeiter abgestimmt sind und die Schaffung von günstigen Umgebungsbedingungen.
Um eine transparente Arbeitsplatzorganisation zu gewährleisten, sollten Arbeitsplatz- und Tätigkeitsbeschreibungen innerhalb des Betriebs ausformuliert werden. Hierbei ist die detaillierte Darstellung der Aufgabenbereiche, Anforderungen, Kompetenzen und Tätigkeitsanweisungen wichtig. So werden die innerbetrieblichen Beziehungen durch die schriftliche Abmachung geregelt und Missverständnissen, Rollenkonflikten und Überschneidungen vorgebeugt. Die Verminderung von längerfristigen Über- und Unterforderungen stellt zudem eine wesentliche Präventivmaßnahme bei Mobbing dar. Transparenz sollte darüber hinaus auch für betriebliche Bereichs- und Gesamtziele hergestellt werden, um Ziel- und Rollenkonflikte und mangelnde Motivation zu vermeiden. Außerdem hilft eine regelmäßige Meetingkultur, Konflikte offen auszutragen.
Mobbingentwicklungen gehen oft mit einer personellen Veränderung in der Organisation einher. Eine effiziente Einstell- und Einführungspolitik hat hierbei präventiven Charakter. Es sollte sowohl die fachliche als auch die soziale Kompetenz der Bewerber überprüft werden. Ist der richtige Mitarbeiter gefunden, so ist es sinnvoll, dafür zu sorgen, dass er in das soziale Gefüge der Arbeitsgruppe gut integriert wird. Hierfür können schon längere Zeit in der Firma beschäftigte Mitarbeiter hilfreich sein, die die Gebräuche gut kennen und als Ansprechpartner fungieren, den Neuling im sozialen Netz bekannt machen und bei auftretenden Problemen helfen.
Fazit
Dem Druck widerstehen - Christa Kolodej weiß wie |
Der Begriff Mobbing wurde in seiner heutigen Bedeutung durch den Arbeitspsychologen und Betriebswirt Heinz Leymann geprägt. Er definierte Mobbing als psychosoziale Gewalt am Arbeitsplatz. Unter Mobbing versteht man die systematischen Schikanen am Arbeitsplatz, die zu zunehmender Isolierung unter der Voraussetzung eines Machtungleichgewichtes bei den Betroffenen führt.
Auswirkungen von Mobbing
Durch die Konflikteskalation am Arbeitsplatz und deren Austragen mit unfairen Mitteln entstehen dem Unternehmen enorme Kosten. Nach dem Arbeitsdokument des Europäischen Parlaments (2001) belaufen sich die Kosten pro gemobbter Person, je nach deren Funktion im Unternehmen, im Jahr auf 17.500 bis 50.000 Euro. Für den Betrieb bedeutet Mobbing eine Verschlechterung der Produktivität und einen erhöhten Kostenaufwand durch Fehlzeiten, Arbeitsunfälle, vermehrte Krankenstände, niedrige Arbeitsmotivation bis hin zur Kündigung und Neueinstellungskosten. Im Mobbingreport zeigte sich, dass von kurzfristiger Krankheit aufgrund von Mobbing 36,6 Prozent der Menschen betroffen waren, längerfristig erkrankte jeder Dritte. Davon über die Hälfte bis zu fünf Monate, ca. jeder Fünfte über ein Jahr. Von Mobbing Betroffene leiden unter gravierenden Beschwerden, die von Konzentrationsproblemen bis zu Depressionen und Selbstmordgedanken reichen. Mobbingerlebnisse haben bei lang anhaltender Dauer eine dermaßen traumatisierende Wirkung, dass sie mit normalen psychischen Kräften nicht mehr bewältigt werden können. Die Folge ist das Auftreten schwerwiegender physischer Folgeerscheinungen, die bis zu Herz- und Kreislaufproblemen gehen.
Die drei Bausteine der betrieblichen Mobbingprävention
Baustein 1: Konfliktmanagementmaßnahmen im Unternehmen
Um Mobbing zu verhindern, ist es notwendig, die Konfliktfähigkeit aller Mitarbeiter zu schulen. Ziel dieser Schulungen ist es, die Fähigkeit einer konstruktiven Konfliktaustragung im Miteinander zu erwerben. Für Führungskräfte sind hierbei zudem mediative und moderierende Techniken der Konfliktvermittlung besonders wichtig. Untersuchungen zeigen, dass Trainingsmaßnahmen im Bereich Konfliktmanagement und Kommunikation eine nachhaltige Wirkung von bis zu fünf Jahren haben. Zudem ist es wichtig, dass das Unternehmen unterstützende Maßnahmen wie z. B. Mediation, Teamentwicklung, Supervison, Coaching u.a. für Mitarbeiter und Führungskräfte ermöglicht, damit diese Unterstützung erfahren, besonders wenn sie sich mit einem Konflikt konfrontiert sehen, den sie selbst nicht mehr bewältigen können.
Baustein 2: Deutliche Positionierung gegen und Sanktion von Mobbing
In Bezug auf die Prävention von Mobbing ist die Positionierung der Führung entscheidend. Durch entsprechende Interventionen, wie z.B. die Verdeutlichung, dass Mobbing nicht geduldet und sanktioniert wird, das Einnehmen von Vermittlungs- und Schlichtungspositionen oder das Hinzuziehen von Beratern, hat die Führungsperson einen maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf von Mobbingentwicklungen. Gleichzeitig bedarf es der Schaffung einer offenen Konfliktkultur, die über Mobbing und ihre Folgen informiert. Zudem spielt die Etablierung von Betriebsregeln (z.B. Betriebsvereinbarungen) und eine entsprechende Betriebsethik eine enorme präventive Rolle. Relevant sind die im Betrieb bestehenden Normen und Werte, die es erlauben - oder eben nicht - sich Mobbinghandlungen zu bedienen. Es sei an dieser Stelle vermerkt, dass das Unternehmen eine rechtliche Verpflichtung aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern hat, Mobbing zu unterbinden, gleichwohl auch die Mitarbeiter aufgrund ihrer Interessenswahrungspflicht Mobbing zu unterlassen haben und ihnen sonst berechtigte Maßnahmen wie z.B. Ermahnung/Verwarnung, Versetzung oder (fristlose) Kündigung drohen.
Baustein 3: Gestaltung der organisatorischen Rahmenbedingungen
Die arbeitsorganisatorische Form stellt einen wichtigen Faktor bei der Entstehung von Mobbing dar. Als Präventivmaßnahmen gelten dementsprechend die transparente Gestaltung der Arbeitsorganisation, der Arbeitsplätze, die auf das Leistungsniveau der Mitarbeiter abgestimmt sind und die Schaffung von günstigen Umgebungsbedingungen.
Um eine transparente Arbeitsplatzorganisation zu gewährleisten, sollten Arbeitsplatz- und Tätigkeitsbeschreibungen innerhalb des Betriebs ausformuliert werden. Hierbei ist die detaillierte Darstellung der Aufgabenbereiche, Anforderungen, Kompetenzen und Tätigkeitsanweisungen wichtig. So werden die innerbetrieblichen Beziehungen durch die schriftliche Abmachung geregelt und Missverständnissen, Rollenkonflikten und Überschneidungen vorgebeugt. Die Verminderung von längerfristigen Über- und Unterforderungen stellt zudem eine wesentliche Präventivmaßnahme bei Mobbing dar. Transparenz sollte darüber hinaus auch für betriebliche Bereichs- und Gesamtziele hergestellt werden, um Ziel- und Rollenkonflikte und mangelnde Motivation zu vermeiden. Außerdem hilft eine regelmäßige Meetingkultur, Konflikte offen auszutragen.
Mobbingentwicklungen gehen oft mit einer personellen Veränderung in der Organisation einher. Eine effiziente Einstell- und Einführungspolitik hat hierbei präventiven Charakter. Es sollte sowohl die fachliche als auch die soziale Kompetenz der Bewerber überprüft werden. Ist der richtige Mitarbeiter gefunden, so ist es sinnvoll, dafür zu sorgen, dass er in das soziale Gefüge der Arbeitsgruppe gut integriert wird. Hierfür können schon längere Zeit in der Firma beschäftigte Mitarbeiter hilfreich sein, die die Gebräuche gut kennen und als Ansprechpartner fungieren, den Neuling im sozialen Netz bekannt machen und bei auftretenden Problemen helfen.
Fazit
Damit Mobbing präventiv begegnet wird, bedarf es eines mehrdimensionalen Zuganges. Dieser besteht in der Etablierung eines nachhaltigen Konfliktmanagements, der Gestaltung der organisatorischen Rahmenbedingungen, die Mobbing größtmöglich verhindern und in einer deutlich aufklärenden und sanktionsbereiten Positionierung der Führung. Der Gärtner bestimmt letztendlich über die Pflanzen in seinem Garten.
Von Christa Kolodej
Im Profil Dr. Dr. Christa Kolodej ist Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologin, Soziologin, Konflikt-, Mobbing- und Mediationsexpertin. www.kolodej.at Ihre Bücher: Mobbing, Psychoterror am Arbeitsplatz und seine Bewältigung. Mit zahlreichen Fallbeispielen. WUV. 2005. Mobbingberatung. Fallbeispiele und Lösungen für BeraterInnen und Betroffene. WUV. 2008. |
Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 17.04.2012
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