Die Vorder- und Kehrseite der Medaille
"Nachhaltige" Auswirkungen von Sportgroßveranstaltungen Teil 1
Von Sandra Lukatsch
Jeder erinnert sich an das Sommermärchen 2006 - nicht nur die Sportfreunde und Fußballfans: Die Deutschen lebten ihren neu geweckten Patriotismus aus, die Bundesrepublik war mit schwarz-rot-goldenen Fahnen bedeckt. Vom Imagegewinn des Landes, Wirtschafts- und sogar vom Baby-Boom war die Rede. Doch was auf den ersten Blick für märchenhafte Euphorie und Wachstum sorgt, kann in anderen Ländern zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen. Eine Rundumschau auf die sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen von Sportgroßveranstaltungen.
Eine Sportgroßveranstaltung hat eigentlich immer ähnliche Effekte: Ein Gemeinschaftsgefühl entsteht, Völkerverständigung wird gefördert und die eigene Kultur kann er- und ausgelebt werden. Auch wenn das Dauertröten der Vuvuzelas im Sommer 2010 an einigen Nerven zerrte: Die südafrikanische Kultur trug sicherlich zu der unbeschreiblichen und einzigartigen Atmosphäre der WM am Kap bei. Doch zur "Kultur" eines Landes können auch Armut, soziale Missstände, Krankheiten, Apartheid und Kriminalität gehören. Aus Gastgeber-, Sponsoren- und Veranstaltersicht ist dieser Teil der Kultur unerwünscht, schließlich sollen Besucher aus der ganzen Welt für die Sportgroßveranstaltung angelockt statt abgeschreckt werden. Laut des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte kam es daher im Vorfeld der WM zur Vertreibung von Menschen aus den Armensiedlungen. In Kapstadt sollten im Rahmen des "N2-Gateway-Projekts" an der zentralen Zufahrtsstraße vom Flughafen zur Innenstadt auf einem zehn Kilometer langen Streifen 22.000 neue Wohneinheiten entstehen. Also genau dort, wo die Touristen bei ihrer Ankunft zuerst vorbeifahren. Lange Zeit erweckte die Regierung - u.a. durch das Bewerbungsvideo des Landes - den Eindruck, diese Wohnungen wären für die bisher "illegal" in Wellblech-Siedlungen lebenden Einwohner bestimmt. In Wirklichkeit wurden die Vertriebenen jedoch in sogenannten Übergangscamps "zwischengelagert" und die Mehrheit konnte aufgrund der hohen Mieten nicht zurückkehren. Letztendlich hatte es offenbar für Veranstalter und Regierung Vorrang, das Land in einem guten Licht darzustellen.
Sieger der Herzen
Die Bilanz nach der Weltmeisterschaft zeigt: Die FIFA ist als klarer Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgegangen. Mit einer Gewinnsteigerung von rund 50 Prozent im Vergleich zur WM 2006 in Deutschland verzeichnete sie die finanziell bisher erfolgreichste Fußballweltmeisterschaft. Die steuerbefreiten Einnahmen stammten aus Sponsorengeldern und dem Fernsehrechte- und VIP-Ticket-Verkauf. Das Austragungsland dagegen scheint nur Sieger der Herzen zu sein, monetären Nutzen konnte es aus der Gastgeberrolle zumindest nicht ziehen. Allein 58 Prozent der finanziellen Mittel flossen in die nun ungenutzten Stadien und die dazugehörige Infrastruktur. Die Kosten, die Südafrika insgesamt zu tragen hatte, erreichten das 17-fache des erwarteten Wertes. Die Einnahmen, die der Gastgeber während der WM erzielen konnte, entsprechen gerade einmal einem Zehntel seiner Ausgaben. Und was ist aus den zeitweiligen Umsiedlungsgebieten (TRAs - Temporary Relocation Areas) geworden? Darüber hört man nichts mehr, denn die ganze Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit richtet sich auf kommende Megaevents und deren dramatische Folgen.
Ortswechsel: Brasilien im Herbst 2009. Hier löste die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) an der Copacabana einen kollektiven Freudentaumel aus. 50.000 Menschen hüpften und tanzten, als sie per Liveübertragung aus dem fernen Kopenhagen erfuhren, dass die Entscheidung auf Rio gefallen war und damit die Olympischen Spiele 2016 erstmalig in einem südamerikanischen Land ausgetragen werden. Kurz: Rio feierte, als wäre Karneval oder als hätte Brasilien bereits die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land gewonnen. Im eigenen Land? Ja, denn seit 2007 steht fest, dass auch die Fußball-WM 2014 ihr großes Finale in der brasilianischen Metropole Rio haben wird. Doch während die Fassade des weltbekannten Fußballstadions Maracanã für die Canarios (die brasilianischen Nationalspieler) und Fußballfans, die aus der ganzen Welt anreisen werden, auf Vordermann gebracht wird, scheint es dahinter nicht sehr glanzvoll auszusehen.
Lesen Sie weiter in Teil 2: "Operation Friedensschock"
Jeder erinnert sich an das Sommermärchen 2006 - nicht nur die Sportfreunde und Fußballfans: Die Deutschen lebten ihren neu geweckten Patriotismus aus, die Bundesrepublik war mit schwarz-rot-goldenen Fahnen bedeckt. Vom Imagegewinn des Landes, Wirtschafts- und sogar vom Baby-Boom war die Rede. Doch was auf den ersten Blick für märchenhafte Euphorie und Wachstum sorgt, kann in anderen Ländern zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen. Eine Rundumschau auf die sozialen, ökologischen und ökonomischen Auswirkungen von Sportgroßveranstaltungen.
Maracanã - das legendäre Fußballstadion liegt ganz in der Nähe von der Favela (Armensiedlung) Mangueira in Rio de Janeiro. |
Sieger der Herzen
Die Bilanz nach der Weltmeisterschaft zeigt: Die FIFA ist als klarer Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgegangen. Mit einer Gewinnsteigerung von rund 50 Prozent im Vergleich zur WM 2006 in Deutschland verzeichnete sie die finanziell bisher erfolgreichste Fußballweltmeisterschaft. Die steuerbefreiten Einnahmen stammten aus Sponsorengeldern und dem Fernsehrechte- und VIP-Ticket-Verkauf. Das Austragungsland dagegen scheint nur Sieger der Herzen zu sein, monetären Nutzen konnte es aus der Gastgeberrolle zumindest nicht ziehen. Allein 58 Prozent der finanziellen Mittel flossen in die nun ungenutzten Stadien und die dazugehörige Infrastruktur. Die Kosten, die Südafrika insgesamt zu tragen hatte, erreichten das 17-fache des erwarteten Wertes. Die Einnahmen, die der Gastgeber während der WM erzielen konnte, entsprechen gerade einmal einem Zehntel seiner Ausgaben. Und was ist aus den zeitweiligen Umsiedlungsgebieten (TRAs - Temporary Relocation Areas) geworden? Darüber hört man nichts mehr, denn die ganze Aufmerksamkeit von Medien und Öffentlichkeit richtet sich auf kommende Megaevents und deren dramatische Folgen.
Ortswechsel: Brasilien im Herbst 2009. Hier löste die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) an der Copacabana einen kollektiven Freudentaumel aus. 50.000 Menschen hüpften und tanzten, als sie per Liveübertragung aus dem fernen Kopenhagen erfuhren, dass die Entscheidung auf Rio gefallen war und damit die Olympischen Spiele 2016 erstmalig in einem südamerikanischen Land ausgetragen werden. Kurz: Rio feierte, als wäre Karneval oder als hätte Brasilien bereits die Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land gewonnen. Im eigenen Land? Ja, denn seit 2007 steht fest, dass auch die Fußball-WM 2014 ihr großes Finale in der brasilianischen Metropole Rio haben wird. Doch während die Fassade des weltbekannten Fußballstadions Maracanã für die Canarios (die brasilianischen Nationalspieler) und Fußballfans, die aus der ganzen Welt anreisen werden, auf Vordermann gebracht wird, scheint es dahinter nicht sehr glanzvoll auszusehen.
Lesen Sie weiter in Teil 2: "Operation Friedensschock"
Quelle:
Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 19.04.2012
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