Zügig auf die Schienen

Der Güterverkehr von morgen

Das Güterverkehrsaufkommen in Deutschland hat sich seit 1960 vervierfacht. Dieser Anstieg kompensiert nahezu die Erfolge in Einsparungen verkehrsbedingter Emissionen. Bedeutet das für die Zukunft einen weiteren Anstieg von CO2-, Stickstoff- und Lärmemissionen sowie eine Zunahme von Flächenzerschneidung? Wie lassen sich die Umweltziele erreichen? An innovativen Ideen und Strategien fehlt es uns nicht - wir müssen sie nur schlau miteinander vernetzen.

Der Güterverkehr nimmt immer weiter zu und fordert dadurch immer neue Lösungen, um CO2 einzusparen.
Foto: © Erich Westendarp, pixelio.de
"Ein effizientes und umweltgerechtes Verkehrssystem, in dem die einzelnen Verkehrsträger bestmöglich miteinander verzahnt sind und ihre jeweiligen spezifischen Stärken einbringen" - das wäre laut Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Schlüssel zum Erfolg. Aber wie lässt sich das in einem derart komplexen System umsetzen? Zeit, diese Zielanforderungen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
  1. Umweltgerechtes Verkehrssystem

    Der Preis, den wir für das hohe Verkehrsaufkommen zahlen, ist hoch: Schlechte Luft erzeugt Atemwegserkrankungen, Treibhausgas-Emissionen verändern das Klima, Lärm führt zu Schlafstörungen und ruft psychischen Stress hervor, zerschnittene und asphaltierte Flächen beeinträchtigen unsere Lebensqualität und zerstören die Artenvielfalt. Die Bundesregierung hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

  2. Effiziente Verkehrsauslastung

    Das Potenzial einzelner Verkehrsträger (Schiene, Straße, Luft und Wasser) soll optimal ausgeschöpft werden. Das bedeutet z.B. beim Verkehrsträger Straße den Ausbau von Engpässen und hoch belasteten Knoten und damit die Verbesserung des Verkehrsflusses auf Autobahnen. Gleichzeitig soll der Transport unter den einzelnen Verkehrsträgern verteilt werden.

  3. Spezifische Stärken der Verkehrsträger nutzen

    Jeder Verkehrsträger hat spezifische Stärken, die man optimal zur Geltung bringen kann. Stärken der Binnenschifffahrt beim Transport von Massengütern sind z.B. die legale Umgehung von Sonntagsfahrverboten oder mautpflichtiger Transitstrecken. Bei Lkw sind Flexibilität und Schnelligkeit ein großer Vorteil. Die Schiene zeichnet sich durch Umweltvorteile auf langen Strecken ebenso aus, wie das Flugzeug durch Schnelligkeit bei besonders großen Entfernungen und zeitsensiblen Gütern.

  4. Kombinierter Verkehr

    Beim Kombinierten Verkehr werden Ladeeinheiten wie Container oder Wechselbrücken über längere Distanzen auf der Schiene oder der Wasserstraße transportiert. Der Lkw wird nur über eine kürzere Strecke eingesetzt, um die Ladeeinheiten zur Bahn oder zum Binnenschiff zu transportieren oder dort abzuholen. Mit effizienten Umschlaganlagen gelingt es, die Vernetzung der Verkehrsträger zu optimieren und die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße verstärkt in die Logistikkette einzubeziehen. Der Kombinierte Verkehr trägt damit dazu bei, die Straße zu entlasten und Emissionen im Güterverkehr zu reduzieren.
Burn-Out vermeiden

Das Umweltbundesamt (UBA) spricht sich neben den bekannten technischen Maßnahmen (z.B. effizientere Motoren, strengere Schadstoff-Grenzwerte oder CO2-Flottengrenzwerte) vor allem auch für Maßnahmen zur Vermeidung und Verlagerung des Verkehrs aus. Um den Güterverkehrsaufwand zu verringern, muss man untersuchen, wo Transporte vermieden werden können. Eine Verkehrsauswirkungsprüfung für alle Maßnahmen der Regional- und Wirtschaftsförderung könnte hier zum Erfolg verhelfen.

Die Logistikbranche kann das Güterverkehrsaufkommen durch Leerfahrtenreduzierung und optimierte Ausnutzung des Laderaums eingrenzen. Ein Konzept zur Bündelung des Güterverkehrs läuft z.B. über sogenannte City-Logistik-Terminals. Nach der Devise "verschiedene Waren - gleiche Empfangsorte", werden Sendungen mehrerer Lieferanten gebündelt und von einem Zusteller an die Empfänger verteilt. So werden Transporte vermieden, Touren optimiert und die Auslastung der Fahrzeuge verbessert.

Lang-Lkw können die Straßen entlasten, da zwei von ihnen mit einer Länge von bis zu 25 Metern drei herkömmliche Lastzüge ersetzen. Gegner der sogenannten "Monstertrucks" weisen darauf hin, dass viele Innenstädte in Deutschland zu eng seien. Es müssten daher zusätzlich kleine Lkws eingesetzt werden, um die Waren zu den Geschäften zu liefern. 400 solcher extralangen Lkws will die Bundesregierung fünf Jahre lang auf einem ausgewählten Straßennetz testen.

Wer Straßen säht, wird Verkehr ernten

Um eine Verlagerung zu Wasser und Schiene herbeizuführen, darf die Kapazität des Straßennetzes nicht erhöht werden. Das UBA empfiehlt sogar bei unbedingt notwendiger Erweiterung des Straßennetzes einen Rückbau an anderer Stelle. Maßnahmen zur Förderung des Kombinierten Verkehrs sind z.B.: eine Erhöhung der Lkw-Maut-Gebühr und eine Erweiterung auf alle Straßen auch für Lkw ab 3,5 t (bisher ab 12 t).

Neben der finanziellen Bezuschussung von Umschlaganlagen fördert Deutschland den Kombinierten Verkehr über Steuervorteile. So werden Spediteure und Lkws von der Kfz-Steuer befreit, wenn sie unmittelbar am Vor- oder Nachlauf (also einer fest vorgeschriebenen Entfernung zur Be- oder Entladestation) des Kombinierten Verkehrs teilnehmen. Darüber hinaus sind diese nicht direkt von Fahrverboten betroffen, die Fahrer können die Ruhezeitenregelung umgehen, da z.B. die verbrachte Zeit auf dem Zug als Ruhezeit anerkannt wird.

Höchste Eisenbahn für den Ausbau des Schienennetzes

Der Ausbau des Schienennetzes ist laut UBA die wichtigste Herausforderung an der Verkehrsinfrastruktur. Dies leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die Bahn das klimafreundlichste unter den motorisierten Verkehrsmitteln ist. Güterzüge emittieren in Deutschland pro transportierter Tonne und Kilometer nur ein Fünftel so viel CO2 wie der Lkw. Auch was Stickoxid- und Partikelemissionen betrifft, hat die Bahn eine rund zehnfach bessere Bilanz als der Lkw. Doch Bahnen verursachen - vor allem durch veraltete Bremssysteme - ein ähnliches Lärmniveau wie der Straßenverkehr. Um die Akzeptanz des Schienengüterverkehrs zu erhöhen, müssten viele ältere Güterwagen kostspielig umgerüstet werden. Die Trassengebühren für Güterzüge mit lauten Bremsen werden ab Ende 2012 um zwei bis drei Prozent steigen. Mit den zusätzlichen Einnahmen soll bis 2020 die Umrüstung des Güterwagenparks in Deutschland auf "Flüsterbremsen" mitfinanziert werden, der Bund steuert zusätzliches Geld bei.

Alle in einem Boot

Nachhaltiger Güterverkehr ist nicht nur Sache der Politik. Jeder kann und muss etwas dazu beitragen: Für den Konsumenten ist es heute selbstverständlich, Produkte aus der ganzen Welt nachzufragen. Der Einzelne sollte sich also die Frage stellen, ob er die neuseeländische Frucht oder das argentinische Steak unbedingt kaufen muss oder auf regionale Produkte zurückgreifen kann. Denn: Verkehr, der nicht stattfindet, erzeugt auch keine Emissionen. In der Wirtschaft kann man ein Umdenken bereits beobachten: Logistikfirmen und Spediteure, Fuhrparkmanager, Autohersteller, Fluggesellschaften oder Reedereien - die Branche hat erkannt, dass sie nicht trotz, sondern gerade durch die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen Gewinne erzielen kann. Die Wissenschaft unterstützt sie dabei tatkräftig, indem sie an Grundlagen, aber auch für Innovationen forscht. Lassen Sie sich auf den folgenden Seiten mitreißen von ideenreichen Maßnahmen, innovativen Konzepten und durchschlagenden Erfolgen. Ein Schritt zur Vernetzung von Lösungen für die Zukunft ist damit getan!
 
 
Von Sandra Lukatsch

Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 05.10.2012

     
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