Land ist Geld
Europäische Banken und Investoren profitieren von steigenden Nahrungsmittelpreisen und Landraub. Es ist an der Zeit, dass wir als Anleger umsteigen.
In den Jahren 2008 und 2010/11 führten explodierende Preise und hohe Preisschwankungen bei Reis, Mais und Weizen weltweit zu höheren Lebenshaltungskosten. Über 100 Millionen Menschen wurden zusätzlich zu den bislang Hungernden als unterernährt eingestuft. Nach einer Preiskorrektur im Jahr 2009 erreichten die Lebensmittelpreise im Juni 2011 erneut Rekordmarken. Was sind die Folgen für Landwirte?
Eine der Ursachen für die "Preisvolatilität" ist, dass Spekulationen auf Warenterminmärkten stark zugenommen haben. Preise für Weizen, Mais, etc. bestimmen sich nicht länger durch Angebot und Nachfrage, sondern in erster Linie durch Finanzwetten. Mit Beginn der Finanzkrise verlagerten Investmentmanager Milliardenbeträge von Finanz- zu Rohstoffmärkten, was heftige Verzerrungen der Weltmarktpreise für Nahrungsmittel und letztlich höhere Verbraucherpreise verursachte.
Landgrabbing treibt Bauern ins Verderben
Mit höheren Preisen für Grundnahrungsmittel und einer steigenden Nachfrage nach Agrosprit und anderen Agrarrohstoffen, werden immer mehr landwirtschaftliche Flächen in Entwicklungsländern aufgekauft. Handel mit Land, der die Rechte der lokalen Gemeinschaften und Bauern nicht respektiert, wird auch als Landraub oder Landgrabbing bezeichnet. Warum? Die Landkaufverträge werden oft ohne die vorherige Zustimmung der Landnutzer abgeschlossen und missachten traditionelle Eigentums- und Pachtrechte. Sie schaffen nicht die versprochenen Arbeitsplätze vor Ort und fördern nicht die Entwicklung. Sie kommen manchmal überhaupt erst durch Gewalt und Einschüchterungsversuche zustande und treiben die Menschen in Landlosigkeit und damit in den Ruin. Die Gemeinden verlieren den Zugang zu lokal produzierten Lebensmitteln, wenn plötzlich nur noch Futtermittel oder Energiepflanzen sprießen. Oft hat die veränderte Landnutzung auch Auswirkungen auf die Umwelt, indem sie mehr Wasser verbraucht und mehr Pestizide einsetzt.
Wer investiert in Hunger?
Die Studie "Farming Money" (2012) von Friends of the Earth Europe zeigt, dass europäische Banken, Rentenversicherer, Staats- und Investmentfonds sowohl Nahrungsmittelspekulation als auch spekulationsgetriebenen Landraub massiv beschleunigen - wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Die Studie untersuchte 29 europäische Finanzinstitute. Insbesondere die Deutsche Bank, Barclays, der niederländische Rentenfonds ABP, der deutsche Finanzdienstleister Allianz und die französische Bank BNP Paribas verdienen am Handel oder Vertrieb von Agrarrohstofftermingeschäften und komplexen Derivaten.
Direkt involviert in fragwürdige Landgeschäfte ist die Allianz AG mit einem Fonds, der in bulgarische Landwirtschaftsflächen investiert, die Deutsche Bank mit einem Fonds, der in brasilianischen Ackerboden investiert und eine Untergruppe der italienischen Versicherungsgesellschaft Generali, die Ackerland in Rumänien erworben hat. Darüber hinaus scheinen vor allem ABP in Mosambik, AXA in Indien und HSBC in Uganda indirekt bei der Finanzierung von Landraub beteiligt zu sein, in der Regel, indem sie Agrarkonzerne finanzieren, die beschuldigt werden, in Fälle von Landraub verwickelt zu sein. Einige der Ernährungssicherungsstrategien der investierenden Staaten haben hier ebenfalls einen großen Einfluss - z.B. die Agrosprit-Förderprogramme in Europa.
Die Studie schlägt eine Reihe von Maßnahmen vor, um die Finanzmärkte auf EU-Ebene zu regulieren und die Verhaltensregeln für Finanzdienstleister und Investoren anzupassen. Der Derivatehandel mit Lebensmitteln ohne zentrale Marktaufsicht ("over the counter") soll auf regulierte Märkte verlagert und generell strikten Transparenzvorschriften unterworfen werden ("position reporting"). Rentenfonds und andere institutionelle Anleger sollen von dem Handel ganz ausgeschlossen sein, da sie aufgrund ihrer Größe und Struktur in besonderem Maße die Preise verzerren können. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung ist die EU mit der Revision der Richtlinie für Derivatehandel (MiFID II) gegangen, indem sie neue Regeln zur Verbesserung von Transparenz und Verbraucherschutz im Derivatehandel beschlossen hat. Im Bereich Rohstoffderivate muss das Gesetzespaket jedoch nachgebessert werden, denn Spekulation mit Nahrungsmitteln kann der Beschluss auch in Zukunft nicht verhindert.
Grenzen setzen, rettet Leben
Die Autoren der Studie fordern über das Beschlossene hinaus harte Obergrenzen für die Zahl offener Wetten auf Warenterminmärkten. Solche vorab gesetzten "position limits" sind der Schlüssel gegen übermäßige und schädliche Spekulationen. Die Marktaufsicht der Handelsplätze und die Kompetenzen der EU-Aufsichtsbehörde ESMA müssen verstärkt werden. Besonders preistreibende Produkte, zum Beispiel Indexfonds und börsengehandelte Rohstofffonds (Exchange-traded funds, ETFs) sollten generell nicht auf Agrar-Warenterminmärkten zugelassen sein.
Private Investoren, Banken, und Rentenversicherer sollten ihr Engagement in Agrarrohstofftermingeschäften umgehend einer gründlichen Überprüfung unterziehen und die direkten und indirekten Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit offenlegen. Spekulative Positionen in Agrarrohstoffderivaten und Engagements in entsprechenden Finanzinstrumenten sollten liquidiert und weitere spekulative Engagements unterlassen werden, sofern sie nicht unmittelbar Absicherungsgeschäften für Landwirte, der verarbeitenden Lebensmittelindustrie und ähnlichen Gewerben gegenüber stehen. Kunden sollten wissen: Verantwortungsvolle Finanzdienstleister vertreiben keine Spekulationsgeschäfte mit landwirtschaftlichen Rohstoffen und Derivaten an Kleinanleger, Sparer und als Portfoliobeilage in Rentenfonds und Lebensversicherungen.
Foto: © Dmitry Fisher, Fotolia |
Landgrabbing treibt Bauern ins Verderben
Mit höheren Preisen für Grundnahrungsmittel und einer steigenden Nachfrage nach Agrosprit und anderen Agrarrohstoffen, werden immer mehr landwirtschaftliche Flächen in Entwicklungsländern aufgekauft. Handel mit Land, der die Rechte der lokalen Gemeinschaften und Bauern nicht respektiert, wird auch als Landraub oder Landgrabbing bezeichnet. Warum? Die Landkaufverträge werden oft ohne die vorherige Zustimmung der Landnutzer abgeschlossen und missachten traditionelle Eigentums- und Pachtrechte. Sie schaffen nicht die versprochenen Arbeitsplätze vor Ort und fördern nicht die Entwicklung. Sie kommen manchmal überhaupt erst durch Gewalt und Einschüchterungsversuche zustande und treiben die Menschen in Landlosigkeit und damit in den Ruin. Die Gemeinden verlieren den Zugang zu lokal produzierten Lebensmitteln, wenn plötzlich nur noch Futtermittel oder Energiepflanzen sprießen. Oft hat die veränderte Landnutzung auch Auswirkungen auf die Umwelt, indem sie mehr Wasser verbraucht und mehr Pestizide einsetzt.
Wer investiert in Hunger?
Die Studie "Farming Money" (2012) von Friends of the Earth Europe zeigt, dass europäische Banken, Rentenversicherer, Staats- und Investmentfonds sowohl Nahrungsmittelspekulation als auch spekulationsgetriebenen Landraub massiv beschleunigen - wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Die Studie untersuchte 29 europäische Finanzinstitute. Insbesondere die Deutsche Bank, Barclays, der niederländische Rentenfonds ABP, der deutsche Finanzdienstleister Allianz und die französische Bank BNP Paribas verdienen am Handel oder Vertrieb von Agrarrohstofftermingeschäften und komplexen Derivaten.
Direkt involviert in fragwürdige Landgeschäfte ist die Allianz AG mit einem Fonds, der in bulgarische Landwirtschaftsflächen investiert, die Deutsche Bank mit einem Fonds, der in brasilianischen Ackerboden investiert und eine Untergruppe der italienischen Versicherungsgesellschaft Generali, die Ackerland in Rumänien erworben hat. Darüber hinaus scheinen vor allem ABP in Mosambik, AXA in Indien und HSBC in Uganda indirekt bei der Finanzierung von Landraub beteiligt zu sein, in der Regel, indem sie Agrarkonzerne finanzieren, die beschuldigt werden, in Fälle von Landraub verwickelt zu sein. Einige der Ernährungssicherungsstrategien der investierenden Staaten haben hier ebenfalls einen großen Einfluss - z.B. die Agrosprit-Förderprogramme in Europa.
Die Studie schlägt eine Reihe von Maßnahmen vor, um die Finanzmärkte auf EU-Ebene zu regulieren und die Verhaltensregeln für Finanzdienstleister und Investoren anzupassen. Der Derivatehandel mit Lebensmitteln ohne zentrale Marktaufsicht ("over the counter") soll auf regulierte Märkte verlagert und generell strikten Transparenzvorschriften unterworfen werden ("position reporting"). Rentenfonds und andere institutionelle Anleger sollen von dem Handel ganz ausgeschlossen sein, da sie aufgrund ihrer Größe und Struktur in besonderem Maße die Preise verzerren können. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung ist die EU mit der Revision der Richtlinie für Derivatehandel (MiFID II) gegangen, indem sie neue Regeln zur Verbesserung von Transparenz und Verbraucherschutz im Derivatehandel beschlossen hat. Im Bereich Rohstoffderivate muss das Gesetzespaket jedoch nachgebessert werden, denn Spekulation mit Nahrungsmitteln kann der Beschluss auch in Zukunft nicht verhindert.
Indexfonds missbrauchen den Handel mit Rohstoff-Futures als Kapitalanlage. Sie spekulieren auf langfristig steigende Preise und investieren daher nur in Kaufkontrakte. Dadurch sorgen sie für eine künstliche, virtuelle Nachfrage, die die tatsächlichen Preise für die Rohstoffe steigen lässt. |
Die Autoren der Studie fordern über das Beschlossene hinaus harte Obergrenzen für die Zahl offener Wetten auf Warenterminmärkten. Solche vorab gesetzten "position limits" sind der Schlüssel gegen übermäßige und schädliche Spekulationen. Die Marktaufsicht der Handelsplätze und die Kompetenzen der EU-Aufsichtsbehörde ESMA müssen verstärkt werden. Besonders preistreibende Produkte, zum Beispiel Indexfonds und börsengehandelte Rohstofffonds (Exchange-traded funds, ETFs) sollten generell nicht auf Agrar-Warenterminmärkten zugelassen sein.
Private Investoren, Banken, und Rentenversicherer sollten ihr Engagement in Agrarrohstofftermingeschäften umgehend einer gründlichen Überprüfung unterziehen und die direkten und indirekten Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit offenlegen. Spekulative Positionen in Agrarrohstoffderivaten und Engagements in entsprechenden Finanzinstrumenten sollten liquidiert und weitere spekulative Engagements unterlassen werden, sofern sie nicht unmittelbar Absicherungsgeschäften für Landwirte, der verarbeitenden Lebensmittelindustrie und ähnlichen Gewerben gegenüber stehen. Kunden sollten wissen: Verantwortungsvolle Finanzdienstleister vertreiben keine Spekulationsgeschäfte mit landwirtschaftlichen Rohstoffen und Derivaten an Kleinanleger, Sparer und als Portfoliobeilage in Rentenfonds und Lebensversicherungen.
Zum Weiterlesen Friends of the Earth Europe, BankTrack, WEED, CRBM, World Development Movement, Corporate Europe Observatory, CNCD, SETEM and Les Amis de la Terre (Hrsg.): 'Farming Money: How European banks and private finance profit from food speculation and land grabs'. http://bit.ly/ZT6ykp |
Von Daniel Pentzlin
Im Profil
Daniel Pentzlin ist Campaigner - bis letztes Jahr bei Friends of the Earth Europe, dem Brüsseler Büro des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) für die die Themen Unternehmensverantwortung und Finanzmarktregulierung.Quelle:
Gesellschaft | Megatrends, 15.07.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2013 - Die Food-Industrie erschienen.
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