"Die Politik sollte ihren Bürgern vorausgehen."
Teil 2 des Interviews mit Norbert Kunz
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Spektakuläre politische Maßnahmen also. Was ist mit kleineren Einschnitten in die Wirtschaft?
Auch hier gibt es einiges zu tun: Wir glauben z.B., dass das Bilanzwesen, so wie wir es kennen, von jeher Gültigkeit besitzt. In Wirklichkeit ist es aber gerade mal 100 Jahre alt. Gemessen und bewertet wird dort nur, was Geld kostet. Entsprechend basiert das Controllingsystem auf monetären Zielgrößen. Da die Manager ihren Shareholdern gegenüber zum Erfolg verpflichtet sind und sich die Aktienströme danach ausrichten, bleibt auch den Entscheidungsträgern in Unternehmen recht wenig Spielraum.
Hier gäbe es diverse Möglichkeiten einzugreifen. Entweder wir "bepreisen" freie und soziale Güter, dann müssen auch diese wirtschaftlich eingesetzt werden, oder wir legen politisch fest, dass Güter, die in Deutschland verkauft werden, grundsätzlich nach bestimmten Kriterien erzeugt werden müssen. Z.B. könnten wir definieren, dass Güter, die durch den Einsatz von Kinderarbeit erzeugt wurden, in Deutschland nicht verkauft werden dürfen. Schließlich sind Menschenrechte unteilbar und vor diesem Hintergrund muss uns das Schicksal eines Kindes in Indien genauso am Herzen liegen, wie das unserer Kinder.
Viele Verbraucher treffen ihre Konsumentscheidungen bereits danach.
Ja, und die Politik sollte ihren Bürgern folgen - besser noch: Sie sollte vorausgehen. Ein guter Gradmesser für diese Entwicklung ist die "junge Generation". Eine immer größer werdende Gruppe orientiert sich nachhaltig, engagiert sich sozial und sucht nach Karriereoptionen im sozialen Bereich. Es geht ihnen nicht mehr darum, möglichst schnell viel Geld zu verdienen.
Einige von ihnen haben selbst gute Ideen, wie man soziale Probleme angehen kann und entwickeln innovative Konzepte. Sie zeigen die Entwicklung, die wir einschlagen müssen. Sie haben oftmals ein viel besseres Gefühl, wie man soziale Probleme angeht und - was ich als besonders spannend erlebe - sie denken global. Definitiv benötigen wir ein Mehr an sozialen Innovationen, um den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft begegnen zu können. Deshalb schaffen wir Inkubatoren für soziale Innovationen und unterstützen die Akteure bei der Entwicklung und Verbreitung ihrer Konzepte. Ich bin überzeugt, dass es soziale Innovationen sind, die die Welt verändern können.
Welche Rolle können Hubs dabei spielen?
Welche Rolle die Hubs als Räume im Allgemeinen spielen, kann ich nicht sagen. Wesentlich ist, dass es Räume gibt, wo soziale Innovatoren miteinander agieren können, wo sie sich austauschen und unterstützen können.
Wir haben selbst festgestellt, dass in einem klassischen Co-Working-Space, wo alle möglichen Unternehmen arbeiten, keine Atmosphäre entsteht, die den Prozess der Innovationsentwicklung befördert. Umgekehrt gilt aber auch, dass die Verdichtung von Sozialunternehmen an einem Ort alleine auch nicht ausreicht. Insofern ist bei uns der Co-Working-Space - die social impact labs - nur ein Teil eines ganzheitlichen Unterstützungsangebotes für social start-ups und social entrepreneurs. Wir bieten neben dem Ort und dem Arbeitsplatz auch Beratung, Mentoring und Qualifizierungsmöglichkeiten. Das werden wir ab diesem Jahr in Kooperation mit den Hubs auch in Wien, Zürich und in München anbieten.
Das Hub als neuer Quell für Innovationen also?
Ich finde Räume an sich nicht sonderlich bewegend. Sie sind aber sicherlich das Resultat veränderter Produktionsbedingungen. Inzwischen können viele Dienstleistungen ortsunabhängig erbracht werden - man benötigt PC oder Mac, ein Smartphone und einen Internetanschluss.
Das erste Hub gab es wohl in London. Eine Konzentration auf soziale Innovatoren kann ich dort allerdings nicht erkennen. Etwas zeitversetzt gab es das selfHub in Berlin - dies ist vor zwei Jahren gescheitert und die Akteure mussten Insolvenz anmelden. Das "Sozialunternehmerische" spielte im selfhub eine große Rolle, aber die Nutzer waren in erster Linie Einzelunternehmer und Selfemployer, die Beratungsdienstleistungen etc. anboten.
Es gab in verschiedenen deutschen Großstädten Initiativen einen Hub zu gründen, auch in Berlin gab es immer wieder neue Anläufe. Bisher hat es aber keine Gruppe geschafft, sich wirtschaftlich so zu konsolidieren, dass sie auch Mietverträge abschließen konnte. Deshalb freue ich mich besonders, dass es nun in München gelungen ist. Wir werden den Start des Hubs in München aktiv unterstützen und unsere Angebote dort etablieren.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wir haben uns das Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für soziale Innovationen in Deutschland zu leisten. Mit Unterstützung von SAP und dem Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben wir letztes Jahr zwei Programme gestartet:
Im Rahmen des "social impact enterprise"-Programm bieten wir Social Startups für einen "Inkubationszeitraum" von bis zu acht Monaten kostenfreie Unterstützung in Form von Arbeitsplätzen, Beratung, Coaching, Qualifizierung, Vernetzung etc. in unserem Social Impact Lab.
Unser "social impact localizer" Angebot fokussiert auf erfahrene Sozialunternehmen. Wir bieten Unterstützung beim Transfer und der Skalierung von sozialen Innovationen.
Darüber hinaus haben wir mit O2 das Projekt "Think Big pro" für engagierte Jugendliche entwickelt.
Für 2013 haben wir uns engagierte Ziele gesetzt: Wir wollen unser Angebot für Social-Startups in mehreren deutschen Großstädten etablieren. Mit SAP arbeiten wir an einer Online-Service-Plattform für Social Startups. Zudem wollen wir eine Crowd-Funding-Plattform für Social Entrepreneure entwickeln. Darüber hinaus werden wir für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Social Entrepreneure auch politisch eintreten.
Das ist ziemlich viel.
Die "Gefahr" besteht, dass mir noch mehr einfällt. Ich bleibe eben Serial Social Entrepreneur.
Es klingt vielleicht banal - ist aber entscheidend: Glaubt an Euch und Eure Idee, nehmt aber Kritik ernst. Holt Euch zudem professionelle Unterstützung und baut ein breites Netzwerk an Partnern und Unterstützern auf. Und habt das Ziel, nicht nur die Auswirkungen bestehender gesellschaftliche Probleme erträglicher zu machen, sondern die Ursachen zu bekämpfen. Duldet keinen Stillstand, sondern sucht immer weiter nach innovativen Lösungen.
Wir danken für das Gespräch.
Lesen Sie mehr über die neue Generation von "HUBBERN", z.B. aus dem HUB München:
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Norbert Kunz gründet seit über 20 Jahren ein soziales Unternehmen nach dem anderen. Das Steh-Auf-Männchen verwandelt jedes Scheitern in eine neue Innovation.
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Auch hier gibt es einiges zu tun: Wir glauben z.B., dass das Bilanzwesen, so wie wir es kennen, von jeher Gültigkeit besitzt. In Wirklichkeit ist es aber gerade mal 100 Jahre alt. Gemessen und bewertet wird dort nur, was Geld kostet. Entsprechend basiert das Controllingsystem auf monetären Zielgrößen. Da die Manager ihren Shareholdern gegenüber zum Erfolg verpflichtet sind und sich die Aktienströme danach ausrichten, bleibt auch den Entscheidungsträgern in Unternehmen recht wenig Spielraum.
Hier gäbe es diverse Möglichkeiten einzugreifen. Entweder wir "bepreisen" freie und soziale Güter, dann müssen auch diese wirtschaftlich eingesetzt werden, oder wir legen politisch fest, dass Güter, die in Deutschland verkauft werden, grundsätzlich nach bestimmten Kriterien erzeugt werden müssen. Z.B. könnten wir definieren, dass Güter, die durch den Einsatz von Kinderarbeit erzeugt wurden, in Deutschland nicht verkauft werden dürfen. Schließlich sind Menschenrechte unteilbar und vor diesem Hintergrund muss uns das Schicksal eines Kindes in Indien genauso am Herzen liegen, wie das unserer Kinder.
Viele Verbraucher treffen ihre Konsumentscheidungen bereits danach.
Ja, und die Politik sollte ihren Bürgern folgen - besser noch: Sie sollte vorausgehen. Ein guter Gradmesser für diese Entwicklung ist die "junge Generation". Eine immer größer werdende Gruppe orientiert sich nachhaltig, engagiert sich sozial und sucht nach Karriereoptionen im sozialen Bereich. Es geht ihnen nicht mehr darum, möglichst schnell viel Geld zu verdienen.
Einige von ihnen haben selbst gute Ideen, wie man soziale Probleme angehen kann und entwickeln innovative Konzepte. Sie zeigen die Entwicklung, die wir einschlagen müssen. Sie haben oftmals ein viel besseres Gefühl, wie man soziale Probleme angeht und - was ich als besonders spannend erlebe - sie denken global. Definitiv benötigen wir ein Mehr an sozialen Innovationen, um den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft begegnen zu können. Deshalb schaffen wir Inkubatoren für soziale Innovationen und unterstützen die Akteure bei der Entwicklung und Verbreitung ihrer Konzepte. Ich bin überzeugt, dass es soziale Innovationen sind, die die Welt verändern können.
"Das Sozialunternehmerische spielt im Hub eine wichtige Rolle."
Welche Rolle die Hubs als Räume im Allgemeinen spielen, kann ich nicht sagen. Wesentlich ist, dass es Räume gibt, wo soziale Innovatoren miteinander agieren können, wo sie sich austauschen und unterstützen können.
Wir haben selbst festgestellt, dass in einem klassischen Co-Working-Space, wo alle möglichen Unternehmen arbeiten, keine Atmosphäre entsteht, die den Prozess der Innovationsentwicklung befördert. Umgekehrt gilt aber auch, dass die Verdichtung von Sozialunternehmen an einem Ort alleine auch nicht ausreicht. Insofern ist bei uns der Co-Working-Space - die social impact labs - nur ein Teil eines ganzheitlichen Unterstützungsangebotes für social start-ups und social entrepreneurs. Wir bieten neben dem Ort und dem Arbeitsplatz auch Beratung, Mentoring und Qualifizierungsmöglichkeiten. Das werden wir ab diesem Jahr in Kooperation mit den Hubs auch in Wien, Zürich und in München anbieten.
Das Hub als neuer Quell für Innovationen also?
Ich finde Räume an sich nicht sonderlich bewegend. Sie sind aber sicherlich das Resultat veränderter Produktionsbedingungen. Inzwischen können viele Dienstleistungen ortsunabhängig erbracht werden - man benötigt PC oder Mac, ein Smartphone und einen Internetanschluss.
Das erste Hub gab es wohl in London. Eine Konzentration auf soziale Innovatoren kann ich dort allerdings nicht erkennen. Etwas zeitversetzt gab es das selfHub in Berlin - dies ist vor zwei Jahren gescheitert und die Akteure mussten Insolvenz anmelden. Das "Sozialunternehmerische" spielte im selfhub eine große Rolle, aber die Nutzer waren in erster Linie Einzelunternehmer und Selfemployer, die Beratungsdienstleistungen etc. anboten.
Es gab in verschiedenen deutschen Großstädten Initiativen einen Hub zu gründen, auch in Berlin gab es immer wieder neue Anläufe. Bisher hat es aber keine Gruppe geschafft, sich wirtschaftlich so zu konsolidieren, dass sie auch Mietverträge abschließen konnte. Deshalb freue ich mich besonders, dass es nun in München gelungen ist. Wir werden den Start des Hubs in München aktiv unterstützen und unsere Angebote dort etablieren.
"Social Startups bekommen bei uns acht Monate kostenfreie Unterstützung."
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wir haben uns das Ziel gesetzt, einen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für soziale Innovationen in Deutschland zu leisten. Mit Unterstützung von SAP und dem Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben wir letztes Jahr zwei Programme gestartet:
Im Rahmen des "social impact enterprise"-Programm bieten wir Social Startups für einen "Inkubationszeitraum" von bis zu acht Monaten kostenfreie Unterstützung in Form von Arbeitsplätzen, Beratung, Coaching, Qualifizierung, Vernetzung etc. in unserem Social Impact Lab.
Unser "social impact localizer" Angebot fokussiert auf erfahrene Sozialunternehmen. Wir bieten Unterstützung beim Transfer und der Skalierung von sozialen Innovationen.
Darüber hinaus haben wir mit O2 das Projekt "Think Big pro" für engagierte Jugendliche entwickelt.
Für 2013 haben wir uns engagierte Ziele gesetzt: Wir wollen unser Angebot für Social-Startups in mehreren deutschen Großstädten etablieren. Mit SAP arbeiten wir an einer Online-Service-Plattform für Social Startups. Zudem wollen wir eine Crowd-Funding-Plattform für Social Entrepreneure entwickeln. Darüber hinaus werden wir für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Social Entrepreneure auch politisch eintreten.
Das ist ziemlich viel.
Die "Gefahr" besteht, dass mir noch mehr einfällt. Ich bleibe eben Serial Social Entrepreneur.
"Glaubt an Euch und nehmt Kritik ernst!"
Was würden Sie jungen Leuten mit auf den Weg geben?
Dass so viele junge Menschen ihre berufliche Perspektive mit dem Wunsch sozial zu agieren und gleichzeitig unternehmerisch zu handeln verbinden, finde ich großartig. Was möchte ich ihnen auf den Weg geben? Es klingt vielleicht banal - ist aber entscheidend: Glaubt an Euch und Eure Idee, nehmt aber Kritik ernst. Holt Euch zudem professionelle Unterstützung und baut ein breites Netzwerk an Partnern und Unterstützern auf. Und habt das Ziel, nicht nur die Auswirkungen bestehender gesellschaftliche Probleme erträglicher zu machen, sondern die Ursachen zu bekämpfen. Duldet keinen Stillstand, sondern sucht immer weiter nach innovativen Lösungen.
Wir danken für das Gespräch.
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- forum-Artikel "Ideenschmiede HUB"
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Norbert Kunz gründet seit über 20 Jahren ein soziales Unternehmen nach dem anderen. Das Steh-Auf-Männchen verwandelt jedes Scheitern in eine neue Innovation.
Quelle:
Gesellschaft | Social Business, 14.10.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2013 - Hallo Klimawandel erschienen.
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